Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Silvia Thurner · 02. Mär 2015 · Musik

Was die Welt im Inneren zusammenhält – Die Konzertkomposition „Harmonia Mundi“ kam erst allmählich in Schwung, stieß aber auf offene Ohren

Folkert Uhde, neben Hans-Joachim Gögl künstlerischer Leiter der „Montforter Zwischentöne“, ist bekannt für seine außergewöhnlichen Konzertformate. Als ehemaliger Barockgeiger kennt er auch innermusikalische Zusammenhänge und komponiert mit vorgefundenen Werken eigene Programme. Allein deshalb wurde seine Konzertkomposition „Vom Anfang der Welt - „Harmonia Mundi“ im Feldkircher Montforthaus mit Spannung erwartet. Mit dem Symphonieorchester Vorarlberg unter der Leitung von Gerard Korsten, Elfa Rún Kristinsdóttir (Geige), Elina Albach (Cembalo), Fabian Russ (Klanginstallation), dem Urknallerklärer Michael Büker und dem Tontechniker Carlo Grippa erlebten die Zuhörenden eine Performance, die musikalische Welten der Klassik und der Moderne vielschichtig zueinander in Beziehung setzte, ungewöhnliche klangfarbliche Lichtverhältnisse schuf und viel Raum für individuelle Assoziationen öffnete.

Johannes Keplers Sphärenharmonie basiert auf der Vorstellung, dass jedem Planeten ein bestimmter Klang innewohnt und diese während des Umkreisens der Sonne einen harmonischen Zusammenklang ergeben. Seit Pythagoras beschäftigen sich die Musiktheoretiker mit Schwingungsverhältnissen und gehen der Frage nach, wie sich physikalische Zusammenhänge des Universums und der Welt in der Tonentstehung und den Tonbeziehungen wiederfinden. Solchen Überlegungen spürte Folkert Uhde unter anderem in seiner Konzertkomposition „Harmonia Mundi“ nach, die im großen Saal des Montforthauses präsentiert wurde.

Klanginstallation und zögerliche Entwicklung


Als Einstimmung des Publikums auf den Konzertabend, konzipierte der deutsche Komponist Fabian Russ eine Klanginstallation zur Sphärenmusik von Johannes Kepler, die im abgedunkelten Raum erklang. Währenddessen betraten die Musikerinnen und Musiker des Symphonieorchesters Vorarlberg und Gerard Korsten die Bühne und musizierten unmittelbar anschließend die heute unbekannte Sinfonie Nr. 17 des britischen Astronomen und Musikers Friedrich Wilhelm Herschel.

Eher zögerlich entfalteten sich die Intentionen der Konzertkomposition, weil das Werk von Herschel insgesamt wenig Anreize bot. Da half auch die spritzige Interpretation des SOV nichts. Ebenso gliederte sich das Referat des Astrophysiker Michael Büker zur Urknalltheorie sowie über die Sphärenharmonie von Johannes Keppler nicht so recht in das musikalische Ganze ein. Und überdies war dem Publikum nicht klar, dass sich die einzelnen Teile des Abends in der direkten Aufeinanderfolge zu einem Ganzen formen sollten und deshalb jeder Zwischenapplaus störend wirkte.

Das Publikum in die Mitte genommen


Doch mit der Caprice Nr.4 „Volubile“ für Solovioline von Salvatore Sciarrino, entwickelte der Konzertabend einen mitreißenden musikalischen Sog. Elfa Rún Kristinsdóttir spielte das Werk, in dem die Töne spektral aufgespreizt erklangen, hervorragend. Dazu ließ Carlo Grippa an den Reglern musikalische Phrasen über Lautsprecher im Raum wandern und nahm durch diese Effekte das Publikum in die Mitte. Der Clou des Konzertes bestand darin, dass das SOV unter der Leitung von Gerard Korsten auf der Hauptbühne platziert war. Die solistischen Darbietungen und Bandzuspielungen erklangen jedoch von hinten und waren für das Publikum nicht sichtbar. Diese Nah- und Fernverhältnisse wurden durch die Werkauswahl verstärkt. Frontal musizierte das SOV Mozarts Monumentalwerk, die „Jupiter Sinfonie“ und von hinten stellten Kompositionen von Salvatore Sciarrino und György Ligeti eine große musikalische Weite und besondere Lichtverhältnisse her, die wiederum auf die Rezeption der Mozartsinfonie reflektierten.

Auf diese Weise kamen die Beziehungen der Töne und Tonartenpläne, das traditionelle Dur-Moll-System und das flächig angelegte „Continuum“ sowie das sphärisch fließende „Lux Aeterna“ von György Ligeti schön zur Geltung.

Mozarts Jupitersinfonie im Zentrum


Das Symphonieorchester Vorarlberg spielte Mozarts Jupitersinfonie energiegeladen sowie mit kantigen Phrasierungen und stellte die Themencharaktere plastisch dar. In dieser Spielart stand das Werk, dessen Beinamen „Jupiter“ nicht von Mozart selbst stammt, dominant im Raum. Und gleichzeitig bildeten sich einige Korrespondenzen. Besonders reizvoll waren die unterschiedlichen Bewegungsimpulse und Zeitempfindungen zwischen den symmetrisch aufgebauten Themenführungen bei Mozart, den aufgespalteten Tonqualitäten bei Sciarrino und dem Klangfluss bei Ligeti. Die unmittelbaren Übergänge zwischen den einzelnen Werken bildeten sensible Nahtstellen, die das SOV und Gerard Korsten hervorragend meisterten.

Die Aufhebung der pulsierenden Zeit


Elina Albach interpretierte Ligetis Werk „Continuum“ am Cembalo souverän und auch dieses Stück schickte der Tontechniker inspirierend durch den Raum.
Ein Chor zur Aufführung von Ligetis 16-stimmigem Werk „Lux Aeterna“ stand Folkert Uhde nicht zur Verfügung. Deshalb behalf er sich mit einer Zuspielung der „Capella Amsterdam“. Da die beiden Solistinnen zuvor auch aus dem hinteren Teil des Auditoriums spielten, störte dieser Kunstgriff den Eindruck der Live-Performance nicht und fügte sich sehr gut in das klangsinnliche Ganze ein.

Folkert Uhde wollte den Abend wohl mit dem fulminanten Finalsatz aus Mozarts Sinfonie schließen. Dabei hätte meiner Meinung nach der ätherische Schluss mit dem „Lux Aeterna“ dem gesamten Konzertabend eine eindrücklichere Wirkung gegeben.