Uraufführung des Stückes „Stromberger oder Bilder von allem“ im Vorarlberger Landestheater (Foto: Anja Köhler)
Silvia Thurner · 31. Mai 2018 · Musik

Vom Begehren des schönsten Nabels der Welt übermannt – Zum Einstand der Sommerausgabe bei den „Montforter Zwischentönen“ eine inspirierende musikalische Lesung mit Christian und Gerald Futscher

Stadtteile von Feldkirch zur Bühne zu erheben, ist eine neue Initiative der „Montforter Zwischentöne“. Die erste Station bildeten drei Häuser in Altenstadt, die von Christian und Gerald Futscher unter dem Leitgedanken „Der schönste Nabel der Welt“ literarisch und musikalisch bespielt wurden. Ausgehend von der Autowerkstatt „Volvo Niederhofer“ wanderte das Publikum in den Dachboden des Kindergartens. Abgeschlossen wurde der literarische Spaziergang im Feuerwehrhaus. An den jeweiligen Orten boten der Schriftsteller Christian Futscher und der Komponist Gerald Futscher mit Guy Speyers (Viola) und Markus Beer (Klarinette) höchst inspirierende und geistreiche musikalische Lesungen.

Die Ausgangsidee zu dieser außergewöhnlichen Aktion stammt vom Schweizer Soziologen Mark Riklin. Im Rahmen der "Montforter Zwischentöne" ging es darum, dass Künstler mit einem biografischen Bezug zu Altenstadt auch inhaltliche Verbindungen zu den jeweiligen Veranstaltungsorten herstellten. Nachdem Hans-Joachim Gögl und Folkert Uhde die Brüder Christian und Gerald Futscher zur Zusammenarbeit eingeladen hatten, war klar, dass daraus eine humorvolle und zugleich vielschichtige Performance werden würde.
Christian Futscher ließ in seinem dreiteilig angelegten Text die zahlreichen Zuhörerinnen und Zuhörer an seinen Seelennöten als 13-jähriger, über alle Maße verliebter Jugendlichen Anteil nehmen und erzählte über die Umstände, die ihm sein erstes eigenes Auto bescherten. Amüsant berichtete er von seinem Bemühen, mit witzigen Aktionen seine Kinder zu unterhalten. Doch diese empfanden diese als „ultraschall deppert“. Als Lehrer wünschte er sich sehnlichst aus der Schule geworfen zu werden und er spintisierte wie er die Kinder mit einer Luftpumpe ins Weltall katapultiert. Nach der gescheiterten Ehe mit Konstanze, begegnete der Protagonist schließlich seiner Jugendliebe Corinna wieder. Damit driftete die Spirale der Erzählung in surreale Fantasien, die hervorragende Unterhaltung boten.

Vielgestaltige Klammern

Innerhalb der Geschichte baute Christian Futscher geistreiche Bezüge zu den jeweiligen Orten auf, in denen die Lesung gerade stattfand. Dabei verlor er nie den eigentlichen Fokus - „den schönsten Nabel der Welt“ - aus den Augen. Souverän wob der Autor zudem die Bücher „Die Musik des Zufalls“ von Paul Auster, „Fünf Viertelstunden bis zum Meer“ von Ernest van der Kwast sowie „Der gute Liebhaber“ von Steinunn Sigurdardóttir in seine Erzählung ein und schuf damit bemerkenswerte Verbindungslinien.

Mehrdeutige Musik

Den kompositorischen Part füllte Gerald Futscher mit seiner gekonnt hintergründigen Musik Die parallel zur Rezitation erklingende Musik machte die emotionalen Zustände des Protagonisten in vielen Passagen mehrdimensional erlebbar. Mittels Geräuschen, Signalen, irisierenden Klängen, klaren melodischen Bögen, sowie unterschiedlichen Lautstärke- und Geschwindigkeitsverläufen ging er kompositorisch auf die Inhalte und die Rezitation von Christian Futscher ein. Teilweise lenkten auch gut gesetzte Kontrastwirkungen die Aufmerksamkeit auf sich. Guy Speyers an der Viola und Markus Beer an der Klarinette füllten ihre Parts mit sichtbarer Freude aus.
Christian Futscher beeindruckte mit seiner variantenreichen Rezitation, die zahlreiche Projektflächen für die Musik bot. Auch die Art des Sprachflusses ergänzte sich hervorragend mit der Musik, weil sie auf die Sprachmelodie abgestimmt war. Nie kamen die vielen Facetten oberflächlich oder Effekt haschend daher. Auf diese Weise wirkten die Literatur und die Musik eindrücklich neben- und miteinander.