Fouad Boussouf mit einer österreichischen Erstaufführung des Stückes „Fêu“ zu Gast beim „Bregenzer Frühling“ (Foto: Antoine Friboulet)
Silvia Thurner · 08. Okt 2011 · Musik

Vielseitige Spielarten auf hohem Niveau – gelungener Auftakt der Aboreihe „DornbirnKlassik“

Beim ersten Abonnementkonzert von „DornbirnKlassik“ wurde vor allem der türkische Pianist Fazil Say stürmisch gefeiert. Für Diskussionen sorgte die österreichische Erstaufführung von Helena Tulves Werk „Hingemisveele“. Mit Wohlwollen wurde die erste Serenade von Johannes Brahms aufgenommen. Das Münchner Kammerorchester unter seinem Chefdirigenten Alexander Liebreich stellte seine Vielseitigkeit aufs Neue unter Beweis und musizierte auf hohem musikalischen Niveau.

Die estnische Helena Tulve schuf mit ihrem neuestes Werk „Hingemisveele“ ein filigranes Klanggebilde. Konzentriert wurde die Musik entfalteten, indem die MusikerInnen ein ganz besonderes Augenmerk auf nuancenreich abgestimmte Tonkonstellationen zueinander in Beziehung stellten. Die Komponistin hatte die Töne in ihre Spektren aufgespalten und diese kunstvoll wieder zusammengesetzt. Auf diese Art konzipierte sie allein mit Streichinstrumenten unterschiedliche Klangfarben, die man ganz anderen Instrumenten zuordnen könnte, beispielsweise Zungenstimmen eines Akkordeons oder Oboen- und Flötenklänge.

Faszinierende Klangbilder

Im Laufe des musikalischen Verlaufes verdichteten sich die farbenreichen Passagen zu beziehungsreichen Tonkonglomeraten. Pulsierende und schillernde Flächen entstanden, die auch Naturklänge mit einbezogen. Einesteils evozierte Tulves Werk faszinierende Klangbilder, andernteils blieben jedoch auch Fragen offen. Denn über weite Strecken hinweg, vor allem zu Beginn, verströmte die Werkdeutung mit seinen unterschiedlich driftenden Tonbündeln einen undefinierbar suchenden Gestus. Dieser war schwer verständlich und schmälerte das musikalische Erlebnis. Ob dies an der Komposition selbst oder an der Interpretation lag, erschloss sich dem Verständnis nach einmaligen Hören nicht.

Sympathischer Individualist

Mozarts Klavierkonzert Nr. 21 (KV 467) mit dem Solisten Fazil Say ist der Publikumszuspruch sicher. Nach einer etwas beiläufig in den Raum gestellten Orchesereinleitung setzte Fazil Say zum Spiel an und fesselte die ZuhörerInnen sogleich mit seiner humorvollen und prickelnden Art. Zuerst wirkte seine schlaksige Gestik etwas eigenartig, zog aber umso mehr Aufmerksamkeit auf sich. Selten ist ein Solist zu erleben, der mit einem derart unmittelbar wirkenden kammermusikalischen Geist den Kontakt zu den OrchestermusikerInnen aufnimmt. Auf diese Weise waren der Solo- und der Orchesterpart ebenbürtige Partner, zwischen denen sich ein musikalisch höchst anregendes Zusammenspiel entfaltete.  Die Leichtigkeit und der Schwebezustand des berühmten zweiten Satzes zelebrierte Fazil Say mit Genuss. Kraftvoll, mit Esprit und auch sphärischen Klängen füllte er den Finalsatz. Fazil Says kompositorische Ader war vor allem in den geistreich hingesetzten Solokadenzen nachvollziehbar.

Begeisterter Applaus

Auf den Spuren seiner türkischen Wurzeln wandelte der Pianist mit einer Eigenkomposition, die als Zugabe gegeben wurde. Perkussive Klänge entstanden durch die Abdämpfung der Saiten im Korpus des Klaviers, gefolgt von Tonarabesken, wie sie aus der arabischen Ud-Musik bekannt sind. Selbstverständlich verfehlte auch im Dornbirner Kulturhaus Fazil Says Musik seine Wirkung nicht und die ZuhörerInnen  applaudierten dem sympathischen Musiker begeistert.

Symphonischer Wohlklang

Die Serenade Nr. 1 von Johannes Brahms bot dem Münchner Kammerorchester und einzelnen Musikern die Gelegenheit, seinen vollen Orchesterklang und das Zusammenwirken in Solopassagen zu präsentieren. Unterhaltsam mit vielen Steigerungen und anregenden Perspektivenwechseln zwischen musikalisch eher im Vordergrund stehenden und hintergründigen Themenfeldern floss die Musik dahin. Tänzerisch und leidenschaftlich bewegt erklang der zweite Satz. Empfindsam und fein aufeinander abgestimmt wurde die Musik im Adagio zelebriert. Eine gute Schlusswirkung erzielte das Orchester im beschwingt dargebotenen Finale. Seit nunmehr fünfzehn Jahren steht Alexander Liebreich am Pult des Münchner Kammerorchesters. Elegant und konzentriert dirigierte er „seine“ MusikerInnen, ein gutes Einvernehmen war spürbar.