Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Silvia Thurner · 18. Mai 2018 · Musik

Vielsagende Hörerlebnisse – Die Kammersymphonie Berlin und Jürgen Bruns brachten Klassisches und Musik unserer Zeit auf den Punkt

Mit einem erfrischenden und zugleich poesievollen Konzert beendete die Kammersymphonie Berlin unter der Leitung von Jürgen Bruns den Abonnementzyklus von „Dornbirn Klassik“. Im Mittelpunkt standen die beiden Kompositionen „Aubes II“ und „Elegie an Diotima“ des aus Vorarlberg stammenden und in der Steiermark lebenden Komponisten Richard Dünser. Zwei Sinfonien von Haydn und Mozart bildeten den Rahmen des anregenden Konzertabends. In allen Werkdeutungen kamen die herausragende Klangkultur, das Verständnis für eine spannende und zugleich subtile Verflechtung der Themen sowie die große Eigenverantwortung jedes einzelnen Musikers innerhalb des Ganzen beeindruckend zu Geltung.

Richard Dünser beruft sich in seiner kompositorischen Sprache unter anderem auf die zweite Wiener Schule und insbesondere auf Alban Berg. Diese Vorbilder sind auch in den beiden Werken „Aubes II“ und „Elegie. An Diotima“ aus den Jahren 1996 und 1986 spürbar. Für den musikalischen Gehalt und die filigran gesetzten musikalischen Linien in diesen von mittelalterlichen Tageliedern und Lyrik von Friedrich Hölderlin inspirierten Werken zeigte Jürgen Bruns ein ausgezeichnetes Gespür. Das diffuse Zwielicht zwischen Nacht und Tag in „Aubes II“ brachten die Musikerinnen und Musiker mit einem bewundernswert transparenten Orchesterklang zum Ausdruck. Daraus kristallisierten sich melodische Einzelstimmen und mitteilsame Dialoge in den Holzbläsern heraus, die intensive Stimmungsbilder evozierten. Die atmosphärische Dichte zum Schluss hin und die im Pianissimo verklingenden Liegetöne am Ende unterstrichen die emotionale Wirkkraft der Musik.

Lyrik verinnerlicht

Im Werk „Elegie. An Diotima“ nahm Richard Dünser Bezug auf Hölderins berühmtes Gedicht „Diotima“. Auch in dieser Interpretation beeindruckte die Kammersymphonie Berlin, denn sämtliche Abschnitte erklangen in der Stimmbalance hervorragend durchgehört. Dadurch kamen die Entwicklungsprozesse von suchenden, allmählich formierten und verdichteten Gesten, die sich immer wieder von innen heraus aufzulösen schienen, hervorragend zur Geltung.

Energiegeladener Bewegungsfluss

Die beiden emotionsgeladenen, eher melancholischen Kompositionen von Richard Dünser wurden von zwei quirligen Sinfonien von Joseph Haydn und Wolfgang Amadeus Mozart umrahmt. Begeisterung lösten auch diese Werkdeutungen aus. Mit Esprit stellten die Musikerinnen und Musiker die Themen in den Raum und führten die Zuhörenden sogleich mitten hinein ins musikalische Geschehen.
Die Eigenverantwortung jedes einzelnen Orchestermitgliedes war gut spürbar und so entfalteten sich dynamische Unterschiede in Haydns Sinfonie Nr. 55, vorwärtstreibende Tonrepetitionen und harmonische Säulen in einem anregenden musikalischen Diskurs. Leichfüßig, elegant und mit einer austarierten Pianokultur wurde das Adagio ausgeformt. Im Finale steigerte sich der Energiefluss zusätzlich, indem die thematische Hauptfigur mit wirbelnden Gesten variiert und ausgestaltet erklang. Lediglich die Hörner, mit ihren schwierigen Einsätzen in hohen Lagen und noch dazu im Piano hatten teilweise ihre Mühe, sich in den feinsinnigen Orchesterklang einzufügen. Den energiegeladenen Bewegungsfluss unterstrich die Kammersymphonie Berlin in Mozarts Sinfonie Nr. 29. Auch hier brachte die geistreiche Musizierhaltung des Orchesters die musikalischen Charakteristika jedes einzelnen Satzes hervorragend zur Geltung und bot ein unterhaltsames Hörvergnügen.

Aussage- und Ausdruckskraft

Jürgen Bruns gründete die Kammersymphonie Berlin im Jahr 1991 und ist seither ihr künstlerischer Leiter. Sein musikalischer Weitblick und seine elegante Ausdruckskraft machten erfahrbar, dass er ganz genau weiß, was er in den jeweiligen Werken zum Ausdruck bringen möchte. Mit klarer Gestik formten er und das Orchester die Musik höchst spannend, impulsiv und kontrastreich.