Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Silvia Thurner · 13. Jun 2010 · Musik

Viel vorgenommen, wenig erreicht - das Ensemble „Accroche Note“ erfüllte die Erwartungen beim Feldkirch Festival nicht

Das Ensemble „Accroche Note“ aus Straßburg gastierte beim Feldkirch Festival mit einem bunten Programm. Werke russischer Komponisten, die unterschiedlichen kompositorischen Orientierungen folgten, wurden aufgeführt, doch die Überlegungen zur Programmgestaltung, die Werkauswahl sowie die nicht unbedingt überzeugende Spielart des Ensembles ergaben insgesamt einen wenig positiven Eindruck. Nicht einmal das Kabarett „La vie en rouge“ von Edison Denisow konnte überzeugen. Einzig die Uraufführung „Five pictures of invisibility“ erregte Aufmerksamkeit.

Einleitend musizierten Armand Angster an der Klarinette, Markus Bellheim am Klavier sowie Emmanuel Séjourné an den Perkussioninstrumenten die „Ode à Che Guevara“ von Edison Denisow. Der Komponist hatte das Werk 1968 in Gedenken an den marxistischen Politiker und Autor Che Guevara komponiert. Auf das Wesentliche konzentriert gab die Klarinette einen Gedanken vor, den das Klavier und perkussionistische Schläge zusätzlich verstärkten. Die ausgebreiteten Tonbänder wurden anschließend zerstückelt und in sich ergänzende Floskeln aufgeteilt. Die Klarinette spielte mit ruhiger Gelassenheit, bis am Schluss Gewichtungen mit Tonaggregaten geschaffen wurden, die den Klangfluss in die Tiefe zogen.

Überzeugende Uraufführung

Der russische Komponist Yuri Kasparow hatte im Auftrag des Feldkirch Festivals „Five pictures of invisibility“ komponiert. Klanglich wirkte das neue Werk mit seinen heterogenen fünf Teilen farbenreich und gut ausbalanciert. Der formale Zusammenhalt erschloss sich nicht auf Anhieb, regte aber zu weiteren Gedanken über das Werk an. Alle fünf Teile wurden mit einer kompositorischen Idee verbunden, die jedoch nie vordergründig zu Tage trat. So entwickelte sich das Werk ausgehend von stehenden Klängen und in sich bewegten Klangflächen. Eine perkussive Entwicklung, die das Werk belebte, wurde im dritten „picture“ in Gang gesetzt. In sich verzahnte melodische Fragmente erklangen, bis diese wirkungsvoll zum Stillstand gebracht wurden. Anschließend lösten sich die konkreten Tonhöhen und daraus entwickelte Tongruppen in Tonqualitäten mit hohem Geräuschanteil auf. Der abschließende Teil setzte eine Klammer zum Beginn, endete mit schwebenden Klängen und einem überraschenden Schluss.

Langatmige Werke

Die „Romanzen-Suite“, op. 128 von Dimitri Schostakowitsch deutete das Ensemble zusammen mit der Sopranistin Françoise Kubler. Leider waren die auf russisch gesungenen Texte von Alexander Bloch im Programmheft nicht abgedruckt. So wurde aus dieser Darbietung eine Geduldsprobe, langatmig und nicht wirklich gut interpretiert. Ebenso fehl am Platz wirkten Reinhold Glières „Pièces“, opus 39, die Nathanaelle Marie (Violine) und Christophe Beau (Violoncello) spielten. Der überlange Konzertteil wurde abgerundet mit „Vier russische Lieder“ von Igor Strawinsky, die humorvoll gesetzt waren. Françoise Kubler gestaltete den Gesangspart variantenreich und ihre Stimme wirkte abschnittweise gelenkig, jedoch in der Höhe gepresst.

Kabarett mit fragwürdigem Schluss

Der zweite Teil fand in der Lounge statt. Dort führte das Ensemble „Accroche Note“ Edison Denisows Kabarett „La vie en rouge“ in französischer Sprache auf. Wie viele ZuhörerInnen das vielschichtig, ironisch und bissig konzipierte Gedicht von Boris Vian mitverfolgen konnten, kann ich nicht beurteilen. Jedenfalls fanden es die Organisatoren nicht der Mühe Wert, die Übersetzung der Texte zu projizieren. Überdies musste diese Aufführung ganz ohne szenische oder zumindest beleuchtungstechnische Raffinessen auskommen, die sonst von Philippe Arlaud für das Feldkirch Festival propagiert werden. Dieses Stück interpretierten die Ensemblemitglieder (ergänzt durch die Flötistin Ayako Okubo) auf hohem Niveau. So kamen die engen musikalischen Verbindungen, mit denen der Komponist den Text kompositorisch ausgestaltet hat, transparent zur Geltung. Auch Françoise Kubler formte ihren Part gut aus. Aus unerfindlichen Gründen vertauschte das Ensemble jedoch die Abfolge der beiden letzten Lieder und nahm dem Werk dadurch die Pointe. In der Vorlage bleibt nämlich offen, ob der Protagonist nun tatsächlich Selbstmord begeht oder nicht. Im Gegenteil, die Conclusio lautet: „Warum lebe ich, weil es schön ist“. „Acchroche Note“ endete mit dem von ihnen gewählten Schluss „letzter Sprung, nur noch ein großer Kreis im Wasser...“ und implizierte damit ein tragisches Ende der Geschichte.