Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Silvia Thurner · 13. Nov 2017 · Musik

Unterschiedlichste musikalische Standpunkte – „Texte und Töne 2017“ war abwechslungsreich und fand viel Publikumszuspruch

Das bereits traditionelle Festival „Texte und Töne“ im Funkhaus Dornbirn ging dieses Jahr mit einem abwechslungsreichen Programm sowie neun Uraufführungen - unter anderem von Gerda Poppa, Marcus Nigsch, Johannes Bär und Thomas Thurnher - sehr erfolgreich über die Bühne. Das „ensemble plus“ unter der Leitung von Christoph Renhart mit den Solistinnen Klaudia Tandl und Sabine Winter sowie das „Symphonieorchester Vorarlberg“ mit Kai Röhrig am Pult musizierten engagiert und mit einer bewundernswert ausbalancierten Klangkultur. Überdies zogen der Akkordeonist Goran Kovacevic und der Bassbariton Clemens Joswig mit ihren Darbietungen die Aufmerksamkeit auf sich. Der Landesintendant Markus Klement ließ sich bei der Veranstaltung zwar nicht blicken, trotzdem waren sein Kulturverständnis und seine Personalpolitik sowohl bei Künstlern als auch bei den Festivalbesuchern ein Thema.

Der Wechsel zwischen Wort und Musik, Moderationen, Podiumsdiskussion und Pausen, die zum regen Austausch genutzt wurden, boten beste Voraussetzungen für ein intensives Wochenende mit zeitgenössischer Musik und Literatur aus Vorarlberg und anderswo. Unterschiedlichste kompositorische Standpunkte waren zu erleben und wurden zur Diskussion gestellt. Bettina Barnay und Jasmin Ölz führten kompetent und sympathisch durch die Programme. Mit dem musikalischen Gruß des befreundeten russischen Komponisten Alexander Ryndin eröffnete das „ensemble plus“ das Festival.

Austausch in angenehmer Atmosphäre

Eine besondere Qualität von „Texte und Töne“ besteht darin, dass fast alle Komponistinnen und Komponisten auch persönlich vor Ort sind, in ihre Werke einführen und für Gespräche zur Verfügung stehen. Die unkomplizierte Atmosphäre und das engagierte Zusammenwirken von allen Beteiligten sprachen die Zuhörenden bereits in den vergangenen Jahren an. Bei der aktuellen Ausgabe war der Publikumszuspruch nun besonders hoch.

Den ersten musikalischen Höhepunkt bildete die Uraufführung des Werkes „Experiences“, das Gerda Poppa im Auftrag des „ensemble plus“ komponiert hat. Das in vier Abschnitte gegliederte Werk entfalteten die dreizehn Musikerinnen und Musiker unter der Leitung von Christoph Renhart mit einem energischen Ausdruck. Zuerst erklangen archaische Tonskalen, versetzt mit perkussiven Unterstreichungen. Im zweiten Abschnitt kristallisierten sich die zugrunde liegenden melodischen Ideen heraus, die dann in einem ungestümen Teil einander gegenüber gestellt wurden und schließlich in kommunikative musikalische Gesten mündeten. Die impulsive Komposition beinhaltete zahlreiche Schlaginstrumente. Wohl deshalb wirkte die Musik im Publikumsstudio des Funkhauses mitunter etwas „eingeengt“.

Künstler reagierten auf Kulturabbau

Ein Markenzeichen von „Texte und Töne“ sind die gemeinsamen Auftritte von Autorinnen und Musikern. Petra Nachbaurs Erzählung „Lele“ begleitete Simon Frick an der E-Geige. Die zuerst unterschwelligen und dann exponierten Gefühlsebenen, die durch die Beschränkung auf die Vokale „U“ und „E“ eine besondere Farbe erhielten, wurden dadurch hervorragend unterstrichen. Wolfgang Mörth und Peter Herbert thematisierten den Kultur- und Personalabbau, den der Intendant Markus Klement im ORF Landesstudio vornimmt. Mit ihrer satirischen Stellungnahme sprachen sie wohl den allermeisten Anwesenden aus der Seele. Durch seine Abwesenheit bestätigte Markus Klement aufs Neue sein fehlendes Interesse und Verständnis für die zeitgenössische Literatur und Musik. Auch Johannes Bär und Matthew Smith sowie Ossi Weber und weitere Bandkollegen entgegneten dem vorauseilenden Gehorsam des Intendanten seinen Vorgesetzten in Wien gegenüber. Mit der kraftvollen Nummer „Funkhouse“ dankten sie dezidiert den (noch) tätigen Redakteurinnen und Redakteuren sowie Tonmeistern der Kulturabteilung.

Heterogene Werkzusammenstellung

Das Symphonieorchester Vorarlberg präsentierte neben der Komposition „verschlungen“ von Manuela Kerer auch die Uraufführung „Die Verbannung Tassilos“ von Herbert Grassl. Die oratorienartig angelegte, eindrückliche Komposition für Bariton und Orchester bezog sich auf eine Szene aus der Oper „Harisliz“. Darin sinniert der verzweifelte Tassilo über die Gründe seiner Verbannung. Im groß angelegten Vorspiel wurden die Zuhörenden mit plastischen Seufzermotiven und mittelalterlichen Motiven in die „Szene“ eingeführt. Den Part des Tassilo füllte der Bassbariton Clemens Joswig hervorragend aus. Er formte den Vokalpart textdeutlich. Besonders eindringlich kam die Schwere der Selbstreflexion in den tief gesetzten Passagen zur Geltung, in denen die Orchestermusiker mit einer bewundernswerten Pianokultur auf den Gesang reagierten.

Musikalische Imagination

Danach wurde von den Zuhörenden eine große Flexibilität erwartet, denn sogleich im Anschluss an die düstere „Opernszene“ erklang die Uraufführung des Konzertes „Leptir“ für Akkordeon und Orchester von Marcus Nigsch. Der Werktitel war zugleich musikalisches Programm des transparent gesetzten Werkes, denn „Leptir“ bedeutet Schmetterling. Die Themengestalten für dieses Akkordeonkonzert waren als locker kombinierbare musikalische Floskeln konzipiert. Sie verliehen der Musik Leichtigkeit und ergaben in klangfarblichen Zusammenstellungen jeweils unterschiedliche Bewegungsdichten. Marcus Nigsch ist ein Meister der musikalischen Imagination, auch dieses Werk ließ Bilder im Kopf entstehen und Landschaftsbeschreibungen implizierten die Reise eines Schmetterlings von Nord- nach Südamerika, selbstverständlich belebte der Tango den musikalischen Fluss.

Goran Kovacevic gestaltete den auf ihn zugeschnittenen Solopart höchst konzentriert und mit einer bewundernswerten Spieltechnik. Auch große Tonraumdistanzen und eng ineinander verschachtelte Passagen spielte er virtuos. Die vom Akkordeonpart ausgehenden Impulse nahmen die Orchestermusiker sehr präsent auf. Kai Röhrig leitete das SOV professionell und mit klarer Gestik.

Romantische und expressive Lieder

Zum Abschluss des Festivals erklang die Uraufführung des neuesten Werkes „An meinen Bruder“ von Thomas Thurnher nach einem Text von Willibald Feinig. Ton angebend für das lyrische Orchesterlied war ein Andante-Rhythmus, der den Duktus eines Spazierganges nahelegte. In seinem musikalischen Ausdruck folgte Thomas Thurnher einer romantischen Tonsprache, die Gegenwärtiges und Vergangenes der Textaussage musikalisch und mit unterschiedlichen Klangfarbenkombinationen versinnbildlichte. Die Sopranistin Sabine Winter verlieh der Musik einen expressiven Ausdruck und belebte damit die Werkdeutung maßgeblich.

Mit seinem Werk „Farben des Mohns“ stellte sich der musikalische Leiter Christoph Renhart auch als Komponist vor. Die Frage, was Musik mit einem Text machen kann, beantwortete er dabei mit plastischen musikalischen Mustern. Hervorragend formte die Mezzosopranistin Klaudia Tandl den Vokalpart aus und lenkte vor allem mit ihrem markanten Tonfall die Aufmerksamkeit auf sich. Abgerundet wurde das dichte Programm mit dem Duo für elektrische Bratsche und Violoncello „Unreality Smog“ von Simon Frick, der Uraufführung des Werkes „Morgengesänge“ von Christophe Looten sowie der Präsentation von neuen Hörspielen, die in Zusammenarbeit mit Literatur Vorarlberg entstanden sind.