Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Silvia Thurner · 02. Okt 2016 · Musik

Unterschiedliches vielsagend zusammengeführt – das Konzert „Heimat lernen“ war ein inspirierendes Erlebnis

„Heimat lernen“ lautete das Motto eines vielschichtigen Konzertabends im Frauenmuseum in Hittisau. Klaus Christa hat im Rahmen der „pforte-Konzerte" Musiker aus aller Welt um sich geschart und gemeinsam mit Evelyn Fink, Karin-Regina Florey, Studierenden des Landeskonservatoriums, mit dem epos:quartett, Aydin und Hasan Balli, Moussa Cissokho sowie Hansjörg Gehring ein außergewöhnliches musikalisches Programm zusammengestellt, das viel Anklang gefunden hat. Hervorragend spielten die Musikerinnen und Musiker über Genregrenzen hinweg. Sie präsentierten Volksmusik und neue Musik, Klassik und ethnische Musik und stellten sie feinsinnig zueinander in Beziehung.

Der lange, aber kurzweilige Konzertabend „Heimat lernen“ war in vier Abschnitte unterteilt. Beim „Ankommen“ wurden die Konzertbesucherinnen und –besucher vor dem Frauenmuseum vom Kontrabassisten Hansjörg Gehring musikalisch begrüßt und beim Aufgang in den Konzertraum von Moussa Cissokho, der auf der Kora musizierte, in Empfang genommen.

Gute Werkzusammenstellungen

Die zahlreichen musikalischen Kunstrichtungen korrespondierten hervorragend miteinander. Zu Beginn stimmten Irma-Maria Troy und Mookho Rankhala (Violine) gemeinsam mit Hansjörg Gehring das Publikum mit dem „Russbacher“ aus Salzburg beschwingt ein. Den Geist dieser Musik trug auch das Streichquartett op. 77/1 von Joseph Haydn in sich, das das epos:quartett interpretierte. Die trockene Akustik im Frauenmuseum stellte besondere Anforderungen an Christine Busch, und Verena Sommer (Violine), Klaus Christa (Viola) und Francois Poly (Violoncello). Im Quartett musizierten sie sehr gut aufeinander abgestimmt, besonders in den piano geführten Passagen stellten sie ihre Meisterschaft bewundernswert unter Beweis. In Erinnerung blieben unter anderem auch die perkussiven Akzente, die im Menuett gesetzt wurden.

Vielsagende neue Kompositionen

Danach folgte unter dem Leitgedanken „(Fremde)Heimat“ eine weitere, in sich gut harmonierende Werkgruppe. Hansjörg Gehring präsentierte einen „Naturjodler“, den er mit Bordunklängen unterlegte. Das Werk „Idyll“ hat Michael Amann im Auftrag von Klaus Christa speziell für diesen Anlass komponiert. Ein Streichsextett unter der Leitung von Karin-Regina Florey (Violine) mit Raphael Höll (Vl), Mookho Rankhala und Zuko Samela (Va) sowie Reginald Teys und Laurenz Vanorek (Vc) spielte das Werk sehr ambitioniert und detailreich. Irisierende Klangflächen wurden zu Unisonolinien zusammengeführt, aus denen sich Dreiklänge herauskristallisierten. So entwickelte sich ein Spiel aus diffusen Klangfeldern und vertraut klingenden Klanggebilden. Spannung erhielt die Musik immer dann, wenn Bekanntes greifbar zu werden schien, sich die musikalischen Gestalten wieder verflüchtigten oder der musikalische Fluss zerbröckelte. Das gut proportionierte Werk fand viel Beifall.

Murat Üstün hat für seine „Suite für Streichquartett“ bereits bestehende Werke bearbeitet. Die drei Sätze entfalteten unterschiedliche Gemütsverfassungen, die Xenia Rubin und Miriam Christa (Violine) Elisa Kessler (Viola) und Hanna Bertel (Violoncello) mit viel Gespür für die Rhythmik und die unterschiedlichen musikalischen Charaktere darstellten. Bemerkenswert trat der Satz „Agit“ (Trauer) in Verbindung zum vierten Satz des Beethoven-Streichquartetts „La malinconia“. Unter dem Aspekt des „Heimat lernens“ war auch das Finale „Hängebrücke“ zu verstehen. Darin illustrierte ein Hoquetus wie exakt einzelne filigrane Glieder ineinander wirken müssen, damit ein starkes, fließendes Ganzes entstehen kann.

Auch Simon Frick hat sich im Auftrag von Klaus Christa kompositorisch Gedanken zum Thema Flucht gemacht und das Werk mit dem Titel „Reise in die  Desillusion – Vertonung einer Flucht“ für Streichsextett mit Congas geschaffen. Suchende Gesten und drei Tonwiederholungen lenkten die Aufmerksamkeit auf sich. Tastend wurde die Musik entwickelt und zu einer energischen Geste ausgebaut bis über einem aufgewühlten Klanggrund „verzerrte“ absinkende Phrasen einen ruhelosen Höhepunkt markierten. Kurzfristig ließ eine optimistische tänzerische Passage aufhorchen, die jedoch bald auseinander driftete. Wie mit Fragezeichen endete das mitteilsame Werk genau mit den drei Tonwiederholungen, die bereits am Beginn erklungen waren. Das Streichsextett rund um Karin-Regina Florey musizierte hervorragend und schälte die Inhalte transparent heraus.

Gute Vergleichsmöglichkeiten

In guter Korrespondenz miteinander spielten die Studierenden unter der Leitung von Karin-Regina Florey anschließend den ersten Satz aus dem Opus 18 von Johannes Brahms.
Weiters wendete sich das „epos:quartett“ Beethovens Streichquartett op. 18/6 zu. Das mit Esprit gespielte Werk bildete den Auftakt für Aydin Balli und Hasan Balli. Vater und Sohn musizierten auf der Saz und Darabuka. Ihre Musik fügte sich gut zu Beethovens Streichquartett. Feinsinnig war erlebbar, wie unterschiedlich die auf der Harmonik aufgebaute Musik Mitteleuropas und die auf Maqams beruhende Musik aus der Türkei wirken.

Aydin Balli und Moussa Cissokho zeigten mit ihren musikalischen Darbietungen aus der Türkei und aus dem Senegal, dass in diesen Kulturen die Musik, der Gesang und das Miteinander untrennbar miteinander verbunden sind. Freudig reagierte das Publikum auf die Einladung und machte mit. In ausgelassener Stimmung führten am Schluss Moussa Cissokho, Reginald Teys, Mookho Rankhala, Zuko Samela und Felix Huber (Trompete) die Konzertbesucher in den dritten Konzertteil, wo „sinnlich beschwingtes Tafeln mit Speis und Trank, Lieder und Tanzmusik“ geboten wurde. Wohl noch lange genossen auch die Besucher der „Langen Nacht der Museen“ die gute Stimmung im Frauenmuseum.

„Heimat lernen“ hatte mit dem bunten Reigen an Darbietungen einen guten Start, der in der nächsten „pforte“-Saison weiter geführt wird.