Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Fritz Jurmann · 10. Feb 2011 · Musik

Trotz Diskussionen um Wehrpflicht und Kasernen: Unsere Militärmusik ist top aufgestellt!

Es sollte am Montag im Wolfurter Cubus eigentlich ein bloßer Routineakt werden: Generalversammlung des Fördervereins der Militärmusik Vorarlberg mit den üblichen Rechenschaftsberichten und dem anschließenden traditionellen Konzert. „Ohne besondere Vorkommnisse“, wie das im militärischen Jargon so schön heißt. Doch da war in den vergangenen Wochen mit zunehmender Brisanz die Debatte um die Wehrpflicht in Österreich losgebrochen, kamen zuletzt Meldungen über geplante Kasernenschließungen auch in Vorarlberg – und plötzlich war jener längst als entschlummert geglaubte Kampfgeist beim Förderverein wieder da, der vor fünf Jahren immerhin zur Existenzsicherung der Militärmusik Vorarlberg geführt hatte. Ein durchaus spannender Abend war also zu erwarten, auch im künstlerischen Bereich. Denn der im vergangenen Mai neu bestellte Bregenzer Militärkapellmeister Wolfram Öller präsentierte dabei sein erstes eigenes Konzertprogramm.

Gerade fünf Jahre sind es her, seitdem dieser Förderverein nach harten politischen Auseinandersetzungen zusammen mit engagierten Landespolitikern den Fortbestand der damals aus finanziellen Gründen kurz vor ihrer Auflösung stehenden Militärmusik Vorarlberg erreichen konnte. Damit war eine der wesentlichsten Zielsetzungen dieses Vereins erreicht worden, der in den folgenden Jahren ein vergleichsweise ruhiges Leben führte. Nun aber ist erneut „Feuer am Dach“. Vor allem das Gerücht um bevorstehende Kasernenschließungen, durch laufende Dementis nur noch schlimmer gemacht, ließ die Verantwortlichen erneut auf den Plan treten. Denn eine Militärmusik ohne Nachwuchs durch neue Präsenzdiener und ohne eigene  Kasernenunterkunft wäre wohl von vornherein zum Scheitern verurteilt, und dem will man zuvorkommen.

Ein Rossstall als neues Probelokal?

Obmann Wolfram Baldauf trat zunächst sogar die Flucht nach vorne an und präsentierte anstelle von Auflösungsgedanken Pläne für den Ausbau des ehemaligen Rossstalls in der Bregenzer Bilgerikaserne zu einem neuen Probelokal für die Militärmusik und andere musikalische Gruppierungen. Dieser Rossstall ist ein Relikt aus früherer Zeit, als bei Ausrückungen noch traditionsgemäß ein Pony den Wagen mit der großen Trommel gezogen hat. Heute muss der Trommler sein Instrument selber schleppen.
Zur brisanten Thematik selbst gab er jüngste Informationen weiter: Sollte die Wehrpflicht wirklich abgeschafft werden, würden maximal vier der neun derzeitigen Militärkapellen erhalten bleiben – Vorarlberg wäre sicher nicht dabei. Wenn es darüber zu einer Volksabstimmung käme, würde der Verein aktiv werden und für eine Beibehaltung der Wehrpflicht werben. Schließlich präsentierte Baldauf, nach sieben vorgelegten Modellen von Verteidigungsminister Norbert Darabos, ein achtes, das einen zwar verpflichtenden „Bürgerdienst“ vorsieht, der aber nicht unbedingt beim Bundesheer abgeleistet werden muss, sondern nach freier Wahl auch bei anderen Rettungs- oder Hilfsorganisationen in Österreich. Sicherheitslandesrat Erich Schwärzler verlangte in einer Wortmeldung für die Zukunft klare Ausrichtungen und Vorgaben der Politik, deren Aufgabe es sei, diese Problematik sauber aufzuarbeiten und für die Zukunft Strukturen zu schaffen, in der auch die lokalen Militärkapellen als Kultureinrichtungen der Länder ihren Platz haben.

Beachtliches Niveau und höchste Klangkultur

Die Militärmusik, samt Aushilfen aus Tirol und ziviler weiblicher Aufstockung an Harfe und Kontrabass in einer Stärke von massiven 62 MusikerInnen angetreten, ließ sich von solch drohenden Gewitterwolken nicht aus der Fassung bringen und lieferte im anschließenden Konzert auf beachtlichem Niveau und mit höchster Klangkultur selbst das beste Argument für ihre Beibehaltung. Der Abend war mit dem ersten eigenständigen Programm auch der glänzende Einstand für den knapp 30-jährigen neuen Bregenzer Militärkapellmeister Leutnant Wolfram Öller, der dieses Amt im Mai von seinem Tiroler Interims-Vorgänger Hannes Apfolterer übernommen hatte und damit heute der jüngste Militärkapellmeister Österreichs ist.
Öller hat in diesem knappen Jahr gute Arbeit geleistet, konnte rasch eine Basis des gemeinsamen Wollens aufbauen. Ein Temperamentbündel ist er nach wie vor nicht, seine Dirigierweise und sein Gehabe sind von bedächtiger Kontrolliertheit, ganz auf Sicherheit bedacht. Doch damit inszeniert er nicht sich selbst so wie andere, sondern lässt der Musik und den MusikerInnen den nötigen Raum zur Entfaltung. Seine Märsche haben ein angenehmes, nie überhastetes Tempo, und auch Waldteufels Walzer „Estudiantina“ klingt nun weit eleganter und geschmeidiger als noch der Wiener Walzer beim Einstandskonzert. In einem Medley aus dem Soundtrack zum Film „Indiana Jones“ lässt er in einem tollen Arrangement Hollywood in Breitwand melodiös-exotisch groß aufblühen, gerät dabei aber nie in Gefahr, mit seiner riesigen Besetzung in extremer Lautstärke feine Farben und Schattierungen niederzudröhnen.

Ein Bariton und ein „Holstuonar“ als Solisten

Dazu hat sich Öller für diesen Abend auch zwei attraktive Solisten ins Boot geholt. Man hat schon ewig im Land keinen Sänger mehr unverstärkt zusammen mit einer Blasmusik gehört. Der aus Amstetten stammende Bariton und Pädagoge Thomas Fellner, den man aus der Konzertszene im Land kennt, beweist in zwei Arien aus Mozartopern nicht nur die stimmliche Kraft, um gegen das machtvolle Gebläse im Hintergrund anzukommen, sondern zeigt dabei auch viel Spielfreude und Ausdruck. Dass in der deutlich reduzierten Besetzung bei Mozart auch die Saxophone zum Einsatz kommen, ist freilich eine Sünde wider den Geist.
Und dann ist da noch der Trompeter Bartholomäus Natter im Rang eines Zugsführers aus den eigenen Reihen. Er macht derzeit das Masterstudium in Salzburg und hat zuletzt als Mitglied des „Holstuonarmusigbigbandclubs“, kurz HMBC, ungeahnte Popularität erlangt. Die Reise geht diesmal aber nicht „Vo Mello bis ge Schoppornou“, sondern nach Armenien, wo der Komponist Alexander Arutjunjan bereits 1950 ein folkloristisch gefärbtes Trompetenkonzert ersonnen hat, das inzwischen zum brillant virtuosen Standardwerk geworden ist. Natter gibt dem Affen Zucker, ohne jeden Respekt vor halsbrecherischen Klangkaskaden, fasziniert durch spielerische Leichtigkeit, hohe Musikalität und saubere Intonation. Der Saal tobt. Und die Militärmusik unter Wolfram Öller setzt gleich noch eins drauf: „Hard to say I’m sorry“ von "Chicago" als laute, rockige Zugabe und möglicherweise auch als leise Anspielung auf die derzeit bestehende Situation.