Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Peter Bader · 31. Okt 2011 · Musik

Tradition und ihre Brechung

Am Sonntagabend präsentierte das Duo David Helbock und Simon Frick in der gut besuchten Bludenzer Remise seine Debüt-CD „Diagonal“.

Die Präsentation der CD stand unter dem Motto: „Wo wir toben, ist oben“. Eine Feststellung von tiefer Wahrheit. Denn die beiden jungen Vollblutmusiker schienen sich in den zwei spannenden Sets wirklich phasenweise auf ihren Instrumenten regelrecht auszutoben. So wurde man am Sonntagabend Zeuge einer exzessiven Spielfreude, die von großer Leidenschaft und technischer Könnerschaft geprägt war. Die beiden Musiker bewältigten auswendig ein Programm von hoher Komplexität. Und dies scheinbar mühelos.

Wenn die Geige nach einer E-Gitarre klingt

Der 27-jährige David Helbock hat sich als Jazz-Pianist längst einen Namen gemacht; von seinem Partner, dem ebenfalls 27-jährigen Violinisten Simon Frick, wird man wohl noch sehr viel hören. Schon in der ersten Nummer, einer Eigenkomposition Fricks mit dem Titel „Herzberger“, wurden die musikalischen Absichten der beiden Musiker deutlich: Virtuosität gepaart mit Musikalität. Rhythmische Präzision. Präzision im Zusammenspiel. Interaktion. Interessante Melodiebögen und Harmonien. Unisono gespielte vertrackte Themen. Wilde Ekstase. Solistische Freiheit. Klangverfremdung durch elektronische Effekte. Letzteres oblag nicht nur Frick mit seiner fünfsaitigen E-Geige, die an diesem Abend dank der Effekt-Boards und des Fender-Combo-Gitarrenverstärkers stellenweise wie eine verzerrte Rock-Gitarre klang (etwa auch durch den eingesetzten Wah-Wah-Effekt), sondern wurde auch von Helbock praktiziert, der den Flügelklang durch allerlei elektronische Effekte und manuelle Präparierung der Flügelsaiten manipulierte.

Piano und Perkussion parallel

Helbock genügt es längst nicht mehr, einfach „nur“ ausgezeichnet Klavier zu spielen. So setzte er auch an diesem Abend wieder zahlreiche Perkussionsinstrumente ein, nicht nur mit den Händen, sondern auch mit dem linken Fuß (Bassdrum, Tamburin etc.). Und, als besondere akrobatische Einlage: Er bediente ein Effekt-Gerät auf dem Tischchen neben dem Flügel mit der großen Zehe des rechten Fußes. Dies etwa im Stück „13. Jänner“ aus seinem „Personal Realbook“. Frick überzeugte solistisch genauso wie als Sideman, der auf seiner E-Geige auch Bass-Figuren zupfte. Er setzte allerdings nicht nur seine E-Geige ein, sondern auch eine konventionelle akustische, diese war jedoch auch mit einem Pickup ausgerüstet.

Tradition und Innovation

Ein Ansatz dieser zwei jungen Musiker ist es wohl auch, Brechungen vorzunehmen. So hörte man in der Remise am Sonntagabend zwar auch viel Traditionelles, etwa die  zahlreichen, gekonnt gespielten Blues-Riffs im Stil Keith Jarretts. Diese Patterns wurden aber nie unreflektiert einfach so stehen gelassen, sondern durch den neuen – elektronischen – Kontext auf eine höhere Ebene angehoben.
Traditionelles wurde auch mit zwei Standards geboten: Einerseits wurde mit einer sensationellen Interpretation des Chick-Corea-Klassikers „Armando´s Rumba“ Coreas Duo mit dem Geiger Jean-Luc Ponty Tribut gezollt. Andererseits gab es mit „Lennie´s Pennies“ eine Reminiszenz an den großen Lennie Tristano. Hier konnte Helbock einmal mehr seine gnadenlos starke linke Hand vorführen. Nicht nur im virtuosen schnellen Begleit-Pattern, sondern auch in den Läufen im Zwei-Oktaven-Abstand der beiden Hände. Die Präzision im Zusammenspiel der beiden Musiker zeigte sich dabei nicht zuletzt im Unisono-Beginn in verwegenem Tempo und dem makellosen Schluss. Viel Applaus und zwei Zugaben: Der erwähnte Titel „Lennie´s Pennies“ und Simon Fricks berührende, stille Komposition „Nachtlied“.