Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Silvia Thurner · 29. Jul 2014 · Musik

Totengedenken, Mahnmal und Friedensappell in einem – Die bewegende Werkdeutung von Benjamin Brittens „War Requiem“ bei den Bregenzer Festspielen wird im Gedächtnis bleiben

Den Gedenktag zum Beginn des 1. Weltkriegs vor genau 100 Jahren widmeten die Bregenzer Festspiele all jenen, die in Kriegen gelitten haben und leiden. Keine andere Komposition scheint dazu passender als Benjamin Brittens "War Requiem", op. 66. Die Wiener Symphoniker, der Prager Philharmonische Chor, der Bregenzer Festspielchor, die Wiltener Sängerknaben, die Sopranistin Oksana Dyka, der Tenor Allan Clayton und der Bariton Michael Volle stellten sich unter der Leitung von Philippe Jordan in den Dienst der Musik und boten eine intensive Interpretation, die das Publikum in konzentrierter Ruhe miterlebte.

Benjamin Britten schuf im Jahr 1962 sein wohl bedeutendstes Werk, das „War Requiem". Sehr selten ist es in den Konzertsälen zu hören. Allein deshalb gebührt dem Intendanten David Pountney ein Dank, dass er diese wichtige Komposition auf das Programm gesetzt hat. Riesig war die Besetzung mit einem etwa hundertköpfigen gemischten Chor, einem groß besetzten Orchesterapparat und in diesen integriert ein weiteres Kammerensemble.

Ein junger Dirigent mit strenger Ausstrahlung


Ab Herbst ist der Schweizer Philippe Jordan neuer Chefdirigent der Wiener Symphoniker und deshalb galt auch ihm ein besonderes Augenmerk. Am Pult wirkte der aufstrebende Dirigent etwas steif, aber hoch konzentriert. Er leitete die Musiker mit straffer Schlagtechnik und lotete vor allem die Pianostellen mit einer gut ausbalancierten Klangkultur aus. Dem Chor bot das Orchester breiten Raum zur Entfaltung und dieser wurde auch beziehungsreich genutzt.

Chöre mit intensiver Strahlkraft


Der  Prager Philharmonische Chor (Einstudierung: Lukas Vasilek) und der Bregenzer Festspielchor (Einstudierung: Benjamin Lack) zogen die Zuhörerinnen und Zuhörer von Beginn an in ihren Bann. Auch die Wiltener Sängerknaben (Einstudierung: Johannes Stecher) füllten ihren Part hinter der Bühne hervorragend aus. Wispernd und im parlando intonierten die Sänger das „Requiem aeternam", sangen ihre Parts mit äußerster Sorgfalt im Hinblick auf die Artikulation und die Dynamik und auf diese Weise erreichten sie eine Intensität, die wahrscheinlich allen ZuhörerInnen im Festspielhaus unter die Haut ging. Durch die Klarheit der Darbietung entwickelten charakteristische Tonschritte, chromatische Bewegungsverläufe, die Wechselgesänge mit der Sopranistin und die reflektierenden Passagen im „Dies Irae" eine große Wirkung. Höhepunkt war die zugespitzt formulierte, eher verzweifelt als verherrlichend dargebotene Passage „Hosanna in excelsis“, die mit eruptiver Energie in den Raum gestellt wurde. Eine besondere Kraft verströmte auch die zuerst nur als innere Unruhe empfundene Zurückhaltung im „Libera me" und die Steigerung mit Trommel und punktierten Rhythmen, mächtig unterstrichen durch das bebende Orchester. Einen besonderen Glanz verströmten die harmonischen Aufhellungen im Finale.

Aussagekräftige Solisten


Die Solistenpartien waren mit der ukrainischen Sopranistin Oksana Dyka, dem Tenor Allan Clayton und dem Bariton Michael Volle prominent besetzt. Oksana Dyka überzeugte vor allem mit ihrer voluminösen Höhe, die es ihr ermöglichte, ihre Stimme auch über den Tuttiklang zu erheben. Allan Clayton füllte die zwischen die liturgischen Teile eingeflochtenen Gedichte von Wilfred Owens mit wunderbarem Einfühlungsvermögen und klarer Stimmführung aus. Michael Volle ergänzte die Tenorpartien stimmlich sehr gut und überzeugte durch sein ebenmäßiges Timbre.

Auf diesem herausragenden Niveau erlebten die Zuhörer ein eindrückliches „Gedenkkonzert“, das mit einer lange andauernden Stille nach dem letzten Ton seinen Abschluss fand.