Neu in den Kinos: "Die Unschuld" (Foto: Wild Bunch Germany/Plaion Pictures)
Silvia Thurner · 25. Feb 2018 · Musik

Spielerisches und Doppelbödiges – Lahav Shani und die Wiener Symphoniker zelebrierten Licht- und Schattenseiten in der Musik

Zum traditionellen Konzert im Rahmen der Bregenzer Meisterkonzerte brachten die Wiener Symphoniker mit ihrem ersten Gastdirigenten Lahav Shani spannende Werkdeutungen von Mozart und Prokofjew mit ins Festspielhaus. Aus den Reihen des Orchesters stammte der Solist des G-Dur Flötenkonzertes von W.A. Mozart. Erwin Klambauer spielte seinen Part mit einem warmen Ton und wurde dabei von seinen Orchesterkollegen hervorragend getragen. Eine Klasse für sich war der erst 29-jährige Lahav Shani am Dirigentenpult. Zusammen mit dem Orchester kristallisierte er insbesondere aus Prokofjews fünfter Symphonie die ureigene musikalische Kraft und Aussage heraus.

Das Flötenkonzert von Wolfgang Amadeus Mozart ist ein stimmungsvolles und lyrisches Werk, das die besonderen Klangeigenschaften des Instruments gut zur Geltung bringt. Erwin Klambauer unterstrich in seiner Interpretation das feinsinnig verspielte Moment der Musik und füllte den Solopart mit einem nuanciert gestalteten Ton über alle Register hinweg. Sein variantenreiches Spiel mit dynamischen Kontrasten betonte die Rhetorik in der Musik, so dass sich zwischen dem Solisten und den Orchestermusikern anregende Frage- und Antwortspiele entwickelten. Aufmerksamkeit lenkte auch die beredte Kadenz im Eröffnungssatz auf sich. Auf seiner Flöte singend zelebrierte Erwin Klambauer den langsamen Satz, der eine sinnliche Ruhe verströmte. Das Finale bot mit der galanten Spielart beste Unterhaltung.

Nicht von Beginn an fanden die Wiener Symphoniker unter der Leitung von Lahav Shani den gemeinsamen Atem. Die Eingangspassage in der Ouvertüre zu Mozarts „Le nozze di Figaro“ (KV 492) wirkte zuerst eher wenig prägnant. Doch bald setzte sich in den wirbelnden Motivketten und in den modulierenden Akkorden die Impulskraft durch und so entfalteten die Wiener Symphoniker in einem gemäßigten Tempo eine beschwingte Werkdeutung.

Musik und Politik

Die zweite Konzerthälfte hatte es in sich, denn die fünfte Symphonie von Sergej Prokofjew interpretierten Lahav Shani und die Wiener Symphoniker dramatisch. Insbesondere die Doppelbödigkeit der musikalischen Inhalte kam voll zur Geltung. Prokofjew selbst sagte zu diesem Werk, dass die Musik den freien, glücklichen Menschen, seine Kraft, seine Großherzigkeit und die Reinheit seines Geistes besinge. Doch in dieser Symphonie stecken noch andere, tiefgründige Botschaften, dies war auch in dieser Werkdeutung erfahrbar.

In einem erzählenden Duktus führte Lahav Shani den musikalischen Fluss zu zahlreichen Höhepunkten. Hymnisch gesteigerten Abschnitten folgten oft „ernüchternde“ Passagen, in denen sich die Motive und Gesten aufzulösen schienen. Gewaltige perkussive Klangballungen mündeten in nachdenklich reflektierenden Flächen. In dieser Art geformte Passagen gaben Anlass zum Weiterdenken. Vor allem, wenn man bedenkt, dass Prokofjew seine Fünfte im Jahr 1944 komponiert hat, ein paar Jahre nachdem er aus Paris wieder in die Sowjetunion in das Klima des „Sozialistischen Realismus“ unter Stalin zurückgekehrt war.

Körperhaftes musikalisches Gestalten

Lahav Shani dirigierte das riesige Orchester ohne Partitur und war stets ganz nahe bei den Musikern und mitten drinnen im dichten musikalischen Geschehen. Seine körperliche Ausdruckskraft wirkte bewundernswert stringent. Dem dramatischen Geschehen stellten die Musikerinnen und Musiker den Sarkasmus und die dem Werk innewohnende Doppelbödigkeit hervorragend gegenüber. Im Allegro marcato kam dies im treibenden Duktus zum Ausdruck und wurde durch die spitzigen Artikulationen besonders hervorgehoben.

Wie die Faust auf’s Auge

Wohl, um dem Publikum eine Freude zu bereiten, dankten die Wiener Symphoniker und Lahav Shani mit zwei Strauß-Polkas. Doch unpassender hätten diese Zugaben – zumindest meiner Wahrnehmung nach - nicht wirken können, denn sie „zerschlugen“ förmlich die vorhin so eindrücklich in den Raum gestellte Symphonie. Wenn die Lust auf Polka, Galopp und Wiener Walzer für alle Beteiligten tatsächlich so groß ist, wie es beim Konzert im Bregenzer Festspielhaus den Anschein hatte, wäre es konsequent, dieses Genre von vornherein in das Konzertprogramm mit einzubeziehen.