"Rickerl – Musik is höchstens a Hobby" derzeit in den Vorarlberger Kinos (Foto: 2010 Entertainment / Giganten Film)
Fritz Jurmann · 04. Feb 2017 · Musik

Spannender Auftakt zu den „Montforter Zwischentönen“: Der „HUGO“ geht diesmal nach Nürnberg

„Eigentlich hätten alle gezeigten Arbeiten heute einen ‚HUGO‘ verdient. Das Niveau der fünf internationalen Teams war im Durchschnitt um eine Stufe höher als im Vorjahr“, resümierte Jurymitglied Wolfgang Burtscher bei der Preisverleihung des Konzertdramaturgie-Wettbewerbes am Freitag in der vom Publikum gestürmten Dachgalerie des Feldkircher Montforthauses. Nach einem ebenso spannenden wie kurzweiligen dreieinhalbstündigen Marathon ging der begehrte „HUGO“ im dritten Jahr an das „Ensemble fraktale“ von der Musikhochschule Nürnberg, nachdem in den beiden Vorjahren jeweils Gruppen aus dem Landeskonservatorium Feldkirch die Nase vorn hatten. Das ausgezeichnete und mit 2.500 Euro dotierte Siegerprojekt wird am 22. Juni uraufgeführt.

Der in Europa einzigartige Wettbewerb hat sich inzwischen als Fixpunkt der „Montforter Zwischentöne“ etabliert und das Ansehen des Festivals als innovativen Impulsgeber im Kulturleben des Landes weiter zementiert. Diese Ausscheidung bildete heuer, nach einer knappen Programmpräsentation auf den diesjährigen ersten Schwerpunkt „entscheiden!“ als traditionellen „Gruß aus der Küche“, den gelungenen Auftakt zum dritten Festivaljahr. Den Teilnehmern vorgegeben war diesmal das Thema des Sommer-Schwerpunktes „träumen“, das der Location des Alten Hallenbads als Ort der Uraufführung angepasst sein und diesen Raum auch einbeziehen und interpretieren sollte.

Neue, innovative Konzertformate

Grundsätzlich geht es dabei, wie auch in einem vorangegangenen Workshop thematisiert, um die Entwicklung innovativer Konzertformate und Ideen zur Konzertdramaturgie mit einer verstärkten Einbeziehung des Publikums in neuen Darbietungsformen. Dies wurde zunächst im Dezember in einem Workshop thematisiert und in entsprechenden Exposés ausgearbeitet, aus denen eine Vorjury dann die Teilnehmer für die eigentliche Entscheidung auswählte.  

Die Form der Abwicklung unter der fachkundigen und launigen Moderation von „Zwischentöne“-Kurator Hans-Joachim Gögl unterschied sich wohltuend von der oft unerträglich seichten und nichtssagenden Beurteilung von Talenten in den derzeit grassierenden TV-Castingshows. Dafür sorgte allein die prominente und auch durch krankheitsbedingte Ausfälle nicht beeinträchtige Besetzung der Jury mit dem zweiten „Zwischentöne“-Kurator Folkert Uhde, Annekathrin Klein von der Musikhochschule Basel, Sarah Wedl-Wilson, Vizedirektorin der Universität Mozarteum Salzburg, und Wolfgang Burtscher als Obmann des Kulturkreises Montforthaus. Da wurde in einem spontanen Feedback unmittelbar nach der jeweiligen Darbietung viel von den eingereichten und dargebotenen Konzepten  kritisch hinterfragt, zündende Ideen aber auch begeistert gelobt, immer aber auch auf deren praktische Machbarkeit und Umsetzbarkeit im allein akustisch nicht einfachen Alten Hallenbad abgeklopft. Daraus entwickelten sich manch spannende Diskurse.

„Appetizer“ geben Einblicke

Jedes der fünf Teams hatte nun 20 Minuten Zeit, in einem gerafften Überblick als einer Art „Appetizer“ einen Einblick in sein Projekt zu geben und damit dessen Attraktivität und Glaubwürdigkeit im Hinblick auf eine spätere einstündige Gesamtaufführung zu beweisen. Und es war ganz generell erstaunlich, welche Kreativität bei diesen jungen Musikern, Sängern, Videokünstlern und Soundbastlern da zutage trat, welch oft verblüffenden Ideen eingebracht wurden und welcher Ausdrucksmittel und Formen man sich dabei bediente, vom klassischen Liederabend über viel zeitgenössische Musik, aufregende Video-Installationen bis zu wirklichen Interaktionen mit dem Publikum.   

Den undankbaren ersten Auftritt absolvierte das vierköpfige „Shatter Collective“ der erstmals bei diesem Bewerb vertretenen Musikhochschule Basel mit seinem Projekt „Traumwandeln“. Da wurde mit eigener Musik des 21. Jahrhunderts, mit Wortspielen, Geräuschen, zugespielten Samples und einer per Video als Labyrinth gestalteten graphischen Partitur gearbeitet und Leute aus dem Publikum animiert, als Bläser auf gelöcherten Papierstreifen mitzumachen. „Eine Hammer-Darbietung“ konstatierte danach Juror Folkert Uhde und lobte die starke Dramaturgie in der Präsentation und die witzige Kombination zwischen Video und Livedarbietung. Überhaupt könnte sich die Jury diese tolle Idee gut umgesetzt sogar als „Open Day“ im Hallenbad als Ort der Begegnung vorstellen und vergab einen Anerkennungspreis von 500 Euro.

Minutiöse Konzertschilderung

Die späteren Gewinner aus Nürnberg, das achtköpfige „Ensemble fraktale“, überzeugten Jury und Zuhörer mit ihrem innovativen und interdisziplinären Konzept gleichermaßen. „Morpheus Metamorphosen“ ist eine minutiöse Schilderung der Situation vor, nach und während eines Konzertes, mit einer interessanten Komposition des E-Gitarristen Dominik Vogl und mit erotischem Touch umgesetzt durch die Tänzerin Bettina Berger. In den Regieanweisungen für Musiker, Licht und Ton fehlte auch nicht die nötige Selbstironie. Dadurch soll der Zuschauer eine Sensibilisierung seiner eigenen Wahrnehmung miterleben. „Tolle, spannende Leistung aus Kreativität, Einfallsreichtum und Sinnlichkeit, die das Publikum erreicht hat“, bewertete die Jury diese „sichere Bank fürs Hallenbad.“

Ein „Liederabend“ ist im Hallenbad nicht erwünscht

Weniger Glück hatte der Salzburger Beitrag „tagträumen“. Die deutsche Sopranistin Elisabeth de Roo sang mit Begleitung eines verstimmten Klaviers vom Band Lieder der Romantik von Schubert bis Strauss, dazu hatte ihre Freundin, die Videokünstlerin Sarah Oswald, das Hallenbad im wabernden Nebel und mit blubbernden Wassergeräuschen eingefangen. Juror Wolfgang Burtscher wies darauf hin, dass bei der vorgesehenen 60-minütigen Performance die starke Gefahr der Ablenkung des Publikums von der hervorragend gemeisterten Sangeskunst durch die Videokunst bestehen würde.

Dagegen erhielt auch der zweite Beitrag aus Basel mit dem Ensemble „Georges“ einen Anerkennungspreis von 500 Euro für das Projekt „Luzidität“, also „Wachheit“ und damit dem Gegenteil von Traum. Nach ihren Vorstellungen sollte das Publikum vor dem Konzert via Internet seine Träume melden, die dann in einer Art psychoanalytischem Effekt als Material verarbeitet würden. Originell, dass dabei auch der Namensgeber des Preises, der Minnesänger Hugo von Montfort (1357 – 1423), als erster Musiker Westösterreichs einbezogen wurde.

Leer ausgegangen ist diesmal das Landeskonservatorium Feldkirch mit seinem Projekt „Freischwimmer“ eines sechsköpfigen Blechbläser-Ensembles aus der Klasse von Herbert Walser-Breuss als Lokalmatadore gemeinsam mit zwei farbigen Vokalisten. Da wurde mit Surrealem, Sagenwelten und Alice im Wunderland vielleicht etwas zu viel hineinverpackt in zugegeben kompakte Bläserarrangements samt Videozuspielung vom verschneiten Hallenbad. Die Jury gestand immerhin: „Klasse musiziert – aber: Traum oder Albtraum?“            

Warum nicht auch ein Publikumspreis?

Die Preise an die einzelnen Teams übergab Montforthaus-Geschäftsführer Edgar Eller. Obwohl an Besetzung und Kompetenz der Jury bei diesem Wettbewerb  keinerlei Zweifel bestehen, gab es doch im begeistert mitfiebernden Publikum Leute, die gerne auch selber mitgevotet hätten. Vielleicht könnte man sich in Zukunft, ohne das Fachurteil der Jury zu beschneiden, eine Art zusätzlichen Publikumspreis vorstellen?

 

Nächste Veranstaltung der „Montforter Zwischentöne“:
Fr, 24.2., 20 Uhr, Montforthaus Feldkirch: „Wunschkonzert!“
Das Petersburger Atrium String Quartet spielt Beethoven, Brahms und Prokofjew, ein Wissenschaftler kommentiert, Michael Löbl moderiert