Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Fritz Jurmann · 28. Mai 2012 · Musik

Sensationelle Entdeckung bei der Schubertiade: Der 25-jährige Schweizer Tenor Mauro Peter zeigt in Schuberts Zyklus „Die schöne Müllerin“ bereits internationales Format

Da ist bereits alles vorhanden an künstlerischer Reife, Stimmschönheit und überlegener Gestaltungskraft, was der sympathische, gut aussehende Schweizer Mauro Peter mit seinen 25 Jahren als lyrischer Tenor im Liedfach zu bieten hat – internationales Format! Entsprechend stürmisch gefeiert vom Publikum wurde am Samstag sein sensationelles Schubertiade-Debüt mit Schuberts Liederzyklus „Die schöne Müllerin“ im Rahmen der neuen Reihe „Referenzen“ im vollbesetzten Markus-Sittikus-Saal von Hohenems.

Gerd Nachbauer hat erstmals im großen Schubertiade-Interview in der April-Ausgabe der KULTUR die Einrichtung dieser eigenen, vierteiligen Reihe im Rahmen seines Hohenemser Festivals bekannt gegeben, die Meisterschülern namhafter Künstler, aber auch Talenten aus der Region Vorarlberg ein Podium bieten soll, von der gebotenen Qualität aber über den viel strapazierten Begriff „junge Talente“ natürlich weit hinausreicht. Er institutionalisierte damit gewissermaßen eine Aufgabe, der er sich seit Beginn der Schubertiade 1976 stellt. Denn das Festival war schon in der Vergangenheit stets ein Sprungbrett für junge Künstler, die hier oft erstmals vor internationalem Publikum auftraten, noch bevor sich ihnen die großen Konzertsäle in Wien, Salzburg oder Zürich auftaten.

Die Nase vorn bei jungen Künstlern


Nachbauer hat eben, wie man landläufig sagt, den guten Riecher für die Entdeckung junger Künstler, die schon in frühen Jahren über die erwarteten außergewöhnlichen Fähigkeiten verfügen. Zu ihnen zählt auch der 1987 in Luzern geborene Tenor Mauro Peter, der als Mitglied der Luzerner Singknaben begann. Inzwischen hat er zahlreiche kleinere Auftritte im Konzertsaal und auf der Opernbühne absolviert, erhielt auch bereits Auszeichnungen, ist aber auf dem internationalen Parkett noch ein Nobody. Das wird sich spätestens nächstes Jahr ändern, wenn er zusammen mit Weltklasse-Dirigent Christian Thielemann bei den Salzburger Osterfestspielen debütiert, beim Beethovenfest in Bonn, mit den Bamberger Symphonikern oder in Tokio auftritt.

Ausbildung in der Talenteschmiede von Helmut Deutsch


Entscheidend für seine derzeitige Leistungsfähigkeit sind zweifellos jene Unterweisungen, die er in der Liedklasse des seit Jahrzehnten bei der Schubertiade geschätzten Wiener Pianisten und Klavierbegleiters Helmut Deutsch erhalten hat. Diese Einrichtung gilt in Fachkreisen als hervorragende Talenteschmiede, wie sich bereits mehrfach bewiesen hat, von der ein direkter Weg auch zur Schubertiade führte.
Natürlich, so wie diesmal, auch mit Altmeister Deutsch himself am Steinway, ebenso perfekt diesen Zyklus farbenreich ausgestaltend wie mit dem Sänger mitatmend in einer spürbar großen geistigen Übereinstimmung. Trotz dieser tatkräftigen und mentalen Unterstützung wird eine einstündige „Müllerin“ bei der Schubertiade zur enormen Belastungsprobe für das Nervenkostüm eines jungen Sängers. Mauro Peter lächelt denn auch in den ersten, hoffnungsfrohen Liedern sein Lampenfieber tapfer weg, kann aber getrost auf das erreichte Niveau und seine künstlerische Intelligenz zählen und geht voll Neugierde und Mut diese gewaltige Herausforderung an.

Mini-Eifersuchtsdrama als dramaturgischer Höhepunkt


In der „Danksagung an den Bach“ zeigt er erstmals unangestrengte, bewegliche Höhe und den bruchlosen stimmlichen Registerwechsel zur dunkel getönten Mittellage, erzeugt Spannung in einer atemlosen „Ungeduld“, trumpft auf mit einem trotzigen „Mein!“, das keine Widerrede duldet. Auch das Mini-Eifersuchtsdrama als dramaturgischer Höhepunkt in den Liedern „Der Jäger“ und „Eifersucht und Stolz“ bewältigt er kraftvoll und mit bewundernswertem Stimmvolumen, in „Die liebe Farbe“ zeigt er große Legatokultur. Und wird dabei zusehends eins mit Schuberts Müllerburschen und dessen Seelenpein über die Unerreichbarkeit der Geliebten. Ohne übertriebene Mimik und Gestik, nur aus einer immer dichter werdenden Gestaltungskraft der Lieder heraus, versteht Mauro Peter den großen Bogen sehr differenziert bis zur letalen Erlösung im Bach zu spannen, in einem ergreifenden „Des Baches Wiegenlied“. Eine tolle Entdeckung mit einer reifen Leistung. Und der sichere Beginn einer großen Karriere!

Gerd Nachbauer räumt mit Legendenbildung auf


Bei einer vorangegangenen Führung durch das nahe liegende Franz-Schubert-Museum für Mitglieder des Vereins der Freunde und Förderer der Schubertiade räumte Festivalchef Gerd Nachbauer als genauer Kenner der historischen Details anhand von Dokumenten mit der wohl unausrottbaren Legendenbildung auf, Schubert habe seine „Müllerin“ romantisch im Wald vor einer klappernden Mühle komponiert. In Wirklichkeit entstand dieser Zyklus in einer von tiefster Schwermut geprägten Lebensphase 1823 stückweise in einem Spital, wo der an Syphilis erkrankte Komponist damals lag. Zu Lebzeiten des Komponisten erklang „Die schöne Müllerin“ nur in Teilen, die erste komplette Aufführung des Zyklus erfolgte 1856 in Wien durch Julius Stockhausen.

Die Reihe „Referenzen“ der Schubertiade wird am Samstag, 2. Juni, 20 Uhr, im Markus-Sittikus-Saal Hohenems fortgeführt mit einem jungen Künstler aus unserer Region. Der iranisch-stämmige Cellist Kian Soltani spielt zusammen mit Riccardo Bovino am Klavier Werke von Schumann, Schubert und Brahms.

Das Franz-Schubert-Museum in der Nähe der Pfarrkirche St. Karl in Hohenems ist bis 14. Oktober jeweils sonn- und feiertags von 14.00 bis 18.00 Uhr geöffnet.