Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Peter Füssl · 07. Nov 2013 · Musik

Seelenmusik – Standing Ovations für Ludovico Einaudi im Kulturhaus Dornbirn

Ludovico Superstar! Spätestens seit seiner Filmmusik für den Kinohit „Ziemlich beste Freunde“ erfreut sich der 58-jährige Turiner Komponist und Musiker Ludocivo Einaudi weltweit einer frenetischen Fangemeinde. Im Rahmen seiner Europa-Tournee gastierte er mit seinem Ensemble zwischen Auftritten in Dublin und Mailand, Paris und London gestern Abend im ausverkauften Dornbirner Kulturhaus, wo er nach einem zweistündigen Programm mit Standing Ovations verabschiedet wurde.

Höchste Perfektion

Das mit Violinen, Bratschen, Gitarren, Celli, Bass, Electronics, Kalimba und diversem Schlagwerk ausgerüstete zehnköpfige Ensemble folgte dem Meister am Piano mit höchster Präzision durch diesen irgendwo zwischen Minimal Music und Spätromantik, italienischer Folklore und zeitgenössischer Kammermusik angesiedelten Soundtrack zu einem imaginären Film. Hier bleibt zwei Stunden lang nichts dem Zufall überlassen, keine Note ist improvisiert, alles folgt einer perfekten Dramaturgie. Anders als etwa bei der unterkühlten Ästhetik von Nik Bärtschs „Ronin“ führt dies bei Einaudi allerdings zu keinerlei Einbußen auf der Gefühlsebene. Und genau dort spielt sich das Phänomen Einaudi ab.

Spektakulär unspektakulär

Ludovico Einaudis Kompositionen wirken über weite Strecken ziemlich einfach gestrickt und fordern den erstklassigen Musikern keine großartigen solistischen Leistungen ab. Die zumeist einfachen Melodien unterscheiden sich oft nur wenig voneinander, eröffnen aber meditative Ebenen und entwickeln einen tranceartigen Sog, dem man sich kaum entziehen kann. Es ist eine Art universeller Seelenmusik, deren Wärme offenbar (beinahe) jeden irgendwie und irgendwo im tiefsten Innersten anspricht und die eher durch ihre emotionale Kraft als durch Virtuosität überzeugt. Über weite Strecken wirkt das musikalische Geschehen wohltuend einlullend, um sich dann sehr gezielt und selten, dafür dramatisch höchst wirkungsvoll zu entladen – und dann neuerlich in ein weiteres lyrisch-melancholische Stimmungsbild überzugehen. Alles, auch Ludovico Einaudis halbstündige Solopräsentation, erscheint spektakulär unspektakulär, einfach und höchst raffiniert zugleich. Das auf der emotionalen Ebene angesiedelte musikalische Erlebnis wird durch sparsam, aber perfekt eingesetzte Beleuchtungseffekte – zumeist sich im harten Scheinwerferlicht drehende Nebelsäulen – zusätzlich verstärkt. Und sollte auch mal der Intellekt Esoterik- oder Kitsch-Alarm ausrufen, etwa wenn die Lichtregie einen stilisierten Sternenhimmel über die Bühne zaubert, dann wirkt der Zauber auf der Gefühlsebene dennoch ungebrochen weiter. Zu schön sind diese Harmonien und das Gefühl der Geborgenheit in der Musik einer archaischen Traumwelt, die normalerweise nicht so leicht zugänglich ist, als dass man sich vom Verstand so einfach zu kritischer Vernunft rufen ließe.