Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Thorsten Bayer · 01. Mär 2017 · Musik

Schluss mit lustig

Einen ungewöhnlichen und heftigen Ausklang der Karnevalssaison erlebte gestern Abend das Publikum im Spielboden. Mit Russian Circles und Cloakroom waren Bands aus dem Mittleren Westen der USA nach Dornbirn gekommen, die epischen Post-Metal und Rock im Gepäck hatten. Schlager-Tralala zum Mitschunkeln gab es an diesem Abend anderswo, hier waren düstere Gitarrenklänge Trumpf.

Cloakroom aus Indiana eröffnen den Abend. Sänger und Gitarrist Martin Doyle, Brian Busch (Drums) und Bassist Bobby Markos haben vor zwei Jahren ihr Debütalbum „Further Out“ herausgebracht. Im Großen Saal des Spielbodens schlurft das Trio gegen 20.10 Uhr auf die Bühne. Mit seiner Optik, vor allem dem Pulli, dessen Kapuze er erst bei den letzten Stücken abnimmt, erinnert Doyle ein bisschen an einen Physikstudenten im 17. Semester. Die drei kombinieren rohe Riffs und flehentlichen Gesang, klingen gleichermaßen verschroben und wuchtig. Das erste Stück könnte auch von den Pixies sein, nur dass Cloakroom deutlich mehr Verzerrung einsetzt.

Wann immer die Band aus ihrem etwas monoton schleppenden Grundbeat ausbricht, ist sie wirklich gut – etwas sperrig zwar, doch sie lässt erahnen, dass sich die nötige Eingewöhnungsphase lohnt. An ein, zwei Stellen wirkt es, als würden Doyle und Markos eher neben- als miteinander spielen. Macht nichts; Rafffinesse ist nicht ihr Spezialgebiet und soll es wohl auch nicht sein. 

Verschachtelte Strukturen und ordentlich Wumms


Ganz anders sieht das bei der Hauptband aus, Russian Circles aus Chicago. Schon nach wenigen Takten steht fest: Hier sind sehr viel feinere Klingen am Werk. Das gilt vor allem für Drummer Dave Turncrantz, der mit seinem Tempo und seiner Sicherheit bei den unzähligen Breaks beeindruckt. Mit seinen Kollegen Mike Sullivan (Gitarre) und Brian Cook am Bass lässt er es meist zunächst gemütlich angehen, dann nehmen die epischen Songs langsam, aber sicher Fahrt auf. „Gesang vermisst man hier keine Sekunde, vielmehr wäre eine Stimme inmitten dieser musikalischen Stromschnellen hoffnungslos verloren. Das variable Gitarrenspiel Mike Sullivans bietet Angriffsflächen genug, um Melodien en masse zu erhaschen“, ist dem Online-Magazin laut.de zu entnehmen. Da haben die Kollegen aus Konstanz absolut recht. Ob die Künstler vor allem ihr neues, sechstes Album „Guidance“ vorstellen oder den Schwerpunkt auf frühere Werke aus ihrer 13-jährigen Bandgeschichte legen, bleibt ihr Geheimnis. Gesang gehört nicht zum Konzept, zumindest kurze Ansprachen ans Publikum tun es offensichtlich auch nicht.

Präzision


Konsequent sind die Musiker. Das gilt vor allem für ihre exakt ausgearbeiteten Stücke, die sie Schicht für Schicht aufbauen, ohne die Geduld der Zuhörer zu überstrapazieren. Dennoch hätte inmitten all der ausufernden Songs ein gelegentliches rotziges Zweieinhalb-Minuten-Stück in schönster Punktradition gut getan. In ihrer Karriere bleiben sie ihrer Linie stets treu. Ihnen geht es laut ihrer Homepage weder um Experimente noch darum, mit einer radikalen Umorientierung ihre Zielgruppe zu erweitern. „Instead, Russian Circles use Guidance to continue examining the polarity of quiet and loud, complexity and simpilcity, ugliness and beauty“.

Wenn einem die Band nicht so zusagt, liegt das am speziellen Genre, keinesfalls an der unübersehbaren Klasse, die jedes Mitglied auf seinem Instrument mitbringt. Nach ihrer Europatour, die sie heute Abend nach Bologna führt, sind die drei im April und Mai in den USA unterwegs. Dort werden sie mit großen Branchenkollegen auf der Bühne stehen: Mastodon und Eagles of Death Metal. Letztere ist der breitere Öffentlichkeit spätestens seit dem schrecklichen Angriff auf die Pariser Konzerthalle „Bataclan“ im November 2015 ein Begriff. Die Band entkam damals dem Terroranschlag unverletzt.