Fouad Boussouf mit einer österreichischen Erstaufführung des Stückes „Fêu“ zu Gast beim „Bregenzer Frühling“ (Foto: Antoine Friboulet)
Anita Grüneis · 19. Mai 2018 · Musik

Schlossmediale Werdenberg: Ein Treffen der musikalischen Avantgarde

Wenn Pfingsten, das liebliche Fest, naht, dann ist Schlossmediale-Zeit in Werdenberg. Rings um den Schlosshügel grünen und blühen Feld und Wald und Weinberg, in Büschen und Hecken regt sich das wilde Leben. „Wild“ ist denn auch das Motto dieser 7. Schlossmediale. Die Eröffnung war geprägt von ungewöhnlichen Klängen und Lauten, von Musik aus alten Zeiten, temperamentvoll präsentiert von jungen Musizierenden. Dieses Festival wird jedes Jahr mehr zum Treffen der musikalischen Avantgarde in der Region.  

Die Räume in Schloss Werdenberg sind kalt, das „Wilde möge das Schloss innen erwärmen“, wünschte sich Katrin Glaus, die Präsidentin des Vereins Schloss Werdenberg in ihrer Eröffnungsrede. Sie sprach weiter davon, dass die Mediale mit ihren ungewöhnlichen Programmen so manche Besucher erschreckt, von allen die Bereitschaft zum neuen Hören fordert und damit das Publikum fördert. Gerade diese Andersartigkeit des Festivals komme gut an, meinte die Intendantin der Schlossmediale, Mirella Weingarten. Außerdem sei die Zusammenarbeit mit der „Klangwelt Toggenburg“ und der Triennale „Bad Ragartz“ eine große Bereicherung. 

Ein Wandelkonzert durch das Schloss

Wie jedes Jahr wanderte das Publikum beim Eröffnungskonzert mit den jeweiligen Musikern vom Eingang des Schlosses bis zum Dachstock. Empfangen wurden die Zuhörerinnen und Zuhörer an der Eingangstreppe von David Moss und seinem „Wild Welcome“. Da stand er, der 69jährige Musiker, neben der Skulptur „Whip the Wind“ von Patricia Lambertus, einer Stipendiatin der diesjährigen Schlossmediale. Ihre silhouettierte Figur zeigt ein wildes Wesen im Lammfell, neben der Moss von wilden Leuten erzählte, geheimnisvoll und lautmalerisch. Der Körper dieses Schlagzeugers und Sängers ist ein Instrument, bei ihm musizieren Stimmbänder und Hände nebeneinander. „Singen ist wie Trommeln“, sagte er einmal und produzierte nie gehörte Klänge. Er wisperte, fauchte, schrie, gurgelte, murmelte, stöhnte und sang – es ist seine „Physical Arts“ – der Body als Performance.

Von klingenden Staubsaugern 

Einen Stock höher begrüßte Matthias Loibner mit seiner Drehleier die Gäste. Ihm zu Füßen lag die Installation „Balgerei“ von Urban Mäder und Peter Allamand - acht Akkordeons, die mit acht Staubsaugern verbunden sind. Die Staubsauger pumpten wie Beatmungsmaschinen Luft in die Instrumente, die dann Töne von sich gaben. Zu dieser wilden Horde passte die Musik von Matthias Loibner, der seine Drehleier mit Elektronik verbunden hatte, die Klänge damit verzerrte und wahre Abenteuerreisen unternahm. Das knarzte und kratzte und dröhnte und summte, dass es eine Pracht war. 

Melancholie im Birkenwald 

Noch einen Stock höher fand sich das Publikum in einem Birkenwald wieder, in dem sich Hirsche und Rehe auf Moos präsentierten, aber auch die Zauberfidel von Bjarte Eike zu hören war. Magisch und melancholisch erklang sie inmitten der tiefen Schatten der Baumstämme. Weiter zog das wilde Volk, gemeinsam mit David Moss, der seine Kunst noch einmal zum Besten gab. Er interpretierte gemeinsam mit Heike Gneiting am Klavier und Jan Schlichte am Schlagzeug das Stück „Surrogate“ von Heiner Goebbels, dem diesjährigen „Künstler im Fokus“. Zu Beginn eher hämmernd und gemäßigt, baute sich die Musik mehr und mehr auf, bis David Moss einsetzte und fragte: „She has been running. What for?“ Und dann erzählte er plötzlich von Italien und einer Katze auf einer Steinmauer und wieder tat er dies so faszinierend mit seinem ganzen Körper, dass so manchem der Mund offenstehen blieb vor Staunen.

400 Jahre sind keine Zeit

Den Schlusspunkt setzten die neun norwegischen „Barokksolistene“ im Dachstuhl des Schlosses, sie spielten mit alten Instrumenten Musik von Henry Purcell. Doch was heißt spielen: Sie lebten diese Musik, sangen sie aus vollem Herzen, tanzten mit wahrer Lust und versetzten ihr Publikum in einen Freudentaumel. Der britische Komponist Purcell lebte von 1659 bis 1695, seine Musik aber war bei diesen wunderbaren Solisten frischer denn je. „Musik ist die Stimme der Natur“, so sang der Countertenor Henry Purcell einst selbst. Für diese Barokksolistene ist Purcells Musik wild und ungestüm, zart und behutsam, virtuos und unglaublich kraftvoll. Was für ein Auftakt für eine wilde Zeit im Schloss Werdenberg.

Die „Barokksolistene“ sind am 19. Mai um 20 Uhr noch einmal zu erleben mit ihrer „Alehouse Session“.