„Kaffee und Zucker?“ Dokumentartheater im TAK in Liechtenstein © Pablo Hassmann
Thorsten Bayer · 19. Mär 2017 · Musik

Räudiger Bluesrock von Cari Cari und Garishs Indie-Pop für Fortgeschrittene begeisterten am Spielboden Dornbirn

„Nur wer sich ändert, bleibt sich treu“, sagte einmal Wolf Biermann. An Garish wird der deutsche Liedermacher dabei höchstwahrscheinlich nicht gedacht haben. Und doch bringt das Zitat den Auftritt der Burgenländer am Samstagabend auf den Punkt: Die Themen und die musikalische Umsetzung ihres neuen Albums „Komm schwarzer Kater“ haben sich hör- und spürbar geändert. Dennoch bleiben sie auch mit dem neuen Material unverkennbar Garish und damit eine Band, deren Live-Qualitäten weiterhin schwer zu übertreffen ist. Cari Cari, die erste Formation des Abends, wusste ebenso zu überzeugen.

Die beiden Wiener Stephanie Widmer und Alexander Köck sind zusammen Cari Cari. Als Live-Unterstützung haben sie einen weiteren Musiker mitgebracht, der bei einigen Songs hinter dem Drumset Platz nimmt. Die meiste Zeit aber machen die Musiker nur zu zweit Alarm – und zwar gewaltigen. Köcks Gitarrenriffs klingen, als hätte er das Jack-White-Kolleg mit Auszeichnung abgeschlossen. „Bei der Bandgründung vor fünf Jahren hatten wir das klare Ziel, in einem Quentin-Tarantino-Film aufzutreten“, sagt er. Da ist es nur folgerichtig, den Regisseur in einem Song direkt anzusprechen. „Dear Mr. Tarantino“ klingt tatsächlich so, als könne er auf dem Soundtrack von „Pulp Fiction“ oder „Kill Bill“ zu hören sein. Etwas sparsamere Licht-Effekte und Elvis-Hüftschwünge hätten nicht geschadet, dennoch bleibt unter dem Strich ein erlebenswerter Auftritt – und eine ungewöhnliche, mutige und gute Kombination mit dem folgenden Headliner des Abends.

„Seltsamer Weltzustand“

 „Knallig, knallbunt“ bedeutet der Begriff „Garish“ übersetzt. Von diesen Attributen ist die 1997 gegründete Band heute ein ganzes Stück entfernt. Nun dominieren dunklere, wenngleich nicht deprimierende Töne. Auf ihrem im Februar erschienenen Studioalbum Nr. 7 „Komm schwarzer Kater“ wendet sich der Sänger und Texter Thomas Jarmer mehr der Politik zu. Zwischenmenschliche Beziehungen sind nicht mehr das wichtigste Thema. Stattdessen geht Jarmer der Frage nach: „Was tut dieser seltsame Weltzustand mit seinen absurden Auswirkungen mit mir in Inneren?“ Songs wie „Unter Strom“, mit dem die Band das Konzert eröffnet, oder „Menschenfresserwalzer“ loten diesen Konflikt aus. Bei „Apollo“, im Studio mit Fatima Spar aufgenommen, springt am Spielboden Stephanie Widmer als Duett-Partnerin ein.

Neue Schwerpunkte

Gitarren treten bei den neuen Songs in den Hintergrund. Das liegt nicht nur am Ausstieg des Gitarristen Christoph Jarmer (Thomas’ Bruder), der nach dem 2014er-Album „Trumpf“ Garish verließ, um sich auf seine Solo-Karriere als „Esteban’s“ zu konzentrieren. Keyboards spielten bei den Aufnahmen eine größere Rolle als zuvor, ebenso das Experimentieren im Studio. Dabei unterstützte ein neuer Produzent die vier Ausnahmemusiker: Stefan Deisenberger, der unter anderem Keyboarder der Indie-Band „Naked Lunch“ ist. Live gelingt Thomas Jarmer, Julian Schneeberger (Gitarre), Kurt Grath am Bass und Schlagzeuger Markus Perner das Kunststück, die neuen Stücke fast bruchlos in ihren Gesamtauftritt einzugliedern und „typisch Garish“ werden zu lassen. Keine leichte Aufgabe, denn die Gegensätze könnten teilweise kaum größer sein: hier das politische „Apollo“, dessen metallisch anmutende Keyboardklinge Kraftwerk zur Ehre gereicht hätten, dort lyrisch-leichte Hymnen wie „Dann fass ich mir ein Herz“ oder „Auf den Dächern“. „Songs aus der guten alten Backhendl-Zeit“, wie Jarmer sagt. Bei diesen Songs erhält Schneeberger die seltene Gelegenheit, seine Extraklasse an der Gitarre zu zeigen.
Ob alt oder neu: Immer hat der Zuhörer den Eindruck, gewachsene Songs einer gewachsenen Band zu erleben. „32 Grad“ mag direkter ins Herz gehen als das neue „Matador“. Oder liegt es bloß daran, dass die Hits vom neuen „Trumpf“-Album eben schon drei Jahre Zeit hatten, sich in den Gehörgängen einzunisten? Mit Blick auf den Titel des neuen Albums „Komm schwarzer Kater“ witzelt Jarmer einmal, bei dieser Tournee sei alles für die Katz. Das Gegenteil war an diesem Abend der Fall.