Neu in den Kinos: "Die Unschuld" (Foto: Wild Bunch Germany/Plaion Pictures)
Fritz Jurmann · 16. Nov 2017 · Musik

Programm der Bregenzer Festspiele 2018 mit großen Namen – Trotz Vielfalt auch Engagement für Neues

Das Podium ist wie immer, wenn die Bregenzer Festspiele zu einer Pressekonferenz laden, schon für sich eine Inszenierung. Diesmal finden sich am späten Donnerstagvormittag zur Programm-Präsentation für die Saison 2018 auf der Hinterbühne des Festspielhauses dicke weiße brennende Kerzen, am Boden ausgeschüttete Golddukaten und verstaubte Bücher. Es sind Indizien für die Atmosphäre aus kirchlicher Korruption und menschlicher Gewalt, in der die in der Renaissance angesiedelte, mit Spannung erwartete Hausoper „Beatrice Cenci“ von Berthold Goldschmidt spielen wird.

Frauenschicksale als roter Programmfaden

Behandelt wird darin eines von weiteren Frauenschicksalen, wie sie sich, so Intendantin Elisabeth Sobotka, eigentlich zunächst ungeplant beim Erstellen des Detailprogramms für nächstes Jahr Stück für Stück ergeben haben. Es sind Frauenfiguren unterschiedlicher Prägung wie „Carmen“ auf der Seebühne, „Maria de Buenos Aires“ in Piazzollas Tangooper, die Schriftstellerin Alfonsina Storni in „Musik und Poesie“ und die Rosina in Rossinis „Barbier von Sevilla“. Alle sind sie gesellschaftlicher oder anderer Macht ausgeliefert, die sie nicht selbst aufbrechen können. Die sich daraus ergebenden Konflikte unterstreichen als Programmlinie die Zusammenhänge der einzelnen Musiktheater-Produktionen untereinander.

In der von Pressesprecher Axel Renner moderierten Präsentation werden auch große Namen genannt wie Karl Markovics und Brigitte Fassbaender als Regisseure, der Bregenzerwälder Alexander Moosbrugger als Komponist einer kommenden Opern-Uraufführung oder der erstmals in Bregenz tätige Pianist Pierre-Laurent Aimard als Solist. Festspielpräsident Hans-Peter Metzler meint, man sei gestärkt durch den künstlerischen und kommerziellen Erfolg der letztjährigen Saison und könne für die 73. Festspiele ein breites Programm anbieten, das imstande sei, hohe Erwartungen zu erfüllen. Basierend auf der „Bregenzer Dramaturgie“ am See und im Haus braucht es keine grundsätzlichen Strukturveränderungen und schon gar keine Revolution, weil das Gesamtpaket stimmt und gut ankommt, so Metzler. Trotzdem sind auch in diesem Programm natürlich Innovationen zu finden, dank derer die Weiterentwicklung des Musiktheaters bei diesem Festival gesichert ist.

„Carmen“ auch im zweiten Jahr ein Verkaufsschlager

Grundpfeiler jeder Planung ist auch diesmal das „Spiel auf dem See“ mit Bizets Oper „Carmen“, die im Vorjahr mit über 193.000 Besuchern in durchwegs ausverkauften 28 Vorstellungen beim Publikum eingeschlagen hat. Für 2018 hat man die zunächst angesetzte Anzahl der Vorstellungen schon bald erneut auf 28 erhöht, derzeit sind laut dem kaufmännischen Direktor Michael Diem bereits 40 Prozent der rund 200.000 aufgelegten Karten abgesetzt. Das war zuletzt bei der zweiten „Zauberflöte“ der Fall, das Interesse an „Carmen“ ist also auch im zweiten Jahr ungebrochen groß.

Dass auch die drei alternativen Besetzungen der Titelrolle offenbar ihren Spaß daran hatten, nach dem Regiekonzept von Kasper Holten nicht erstochen, sondern Abend für Abend auf offener Bühne im Bodensee ertränkt zu werden, zeigt die Tatsache, dass sich alle für eine weitere Saison verpflichten ließen, allen voran die von Presse und Publikum wegen ihrer leidenschaftlichen Darstellung besonders geliebte Französin Gaelle Arquez. Für die insgesamt 80 Veranstaltungen des Festivals wurden 224.000 Tickets aufgelegt.

Hausoper mit Belcanto in romantischer Tradition

Eröffnet werden die Festspiele 2018 am 18. Juli mit der österreichischen Erstaufführung der Oper „Beatrice Cenci“ des aus Hamburg stammenden Komponisten Berthold Goldschmidt (1903-1996). Das Werk wurde 1950 vollendet, aber erst 1988 in London uraufgeführt, ist also relativ neu und steht laut Elisabeth Sobotka in der Tradition der großen romantischen Opern mit einem „glühenden Stoff“ aus der Renaissance und tollen Gesangspartien im Belcantobereich.

Dafür ließ sich auch der bereits im Vorjahr bei Jaroslav Srnkas „Make no noise“ in Bregenz tätige Regisseur Johannes Erath begeistern und erzählt begeistert von seinen Eindrücken dieses spannenden Spiels aus Grausamkeit und Kerzenlicht, bei dem am Schluss ein Requiem steht. Dabei geht es ihm nicht um Kirchenkritik, sondern um das Hinterfragen korrupter Systeme.

Opernerstling von Thomas Larcher

Als zeitgenössische Opern-Uraufführung steht das seit fünf Jahren geplante Werk „Das Jagdgewehr“ mit der Musik von Thomas Larcher auf dem Programm. Es ist die erste Opernarbeit des Tiroler Pianisten und Komponisten, und auch für den Regisseur wird es seine erste Operninszenierung sein. Es ist Karl Markovics, vielen aus dem Unterhaltungs-TV als „Stockinger“ in der Hundeserie „Kommissar Rex“ mit Tobias Moretti oder mehr noch durch seinen sensationellen Film „Die Fälscher“ bekannt geworden.

Auch er will sich „auf dieses Abenteuer einlassen“, lobt die Kompetenz, mit der in Bregenz die Vorarbeiten dazu gelaufen sind und hat schon ganz konkrete Vorstellungen: „Das Stück basiert auf einer Briefnovelle des japanischen Dichters Yasushi Inoue und ist damit ein extrem undramatischer Stoff, bei dem man sich auch in der Inszenierung zurücknehmen muss.“ Dabei werden u. a. die beiden von der Schubertiade bekannten Gesangsstars Mark Padmore und André Schuen zu hören sein.

Dirigent Karl Böhm als Puppe

Auch das im Vorjahr wiederbelebte Schauspiel wird 2018 seine Fortsetzung erfahren. Mit „Böhm“ steht der große, aus Graz stammende Dirigent Karl Böhm, der 1980 kurz vor seinem Tod noch das Eröffnungskonzert des Bregenzer Festspielhauses dirigierte, im Mittelpunkt eines Schauspiels von Paulus Hochgatterer, das als Gastspiel des Schauspielhauses Graz am Kornmarkt gezeigt wird. Das Leben des als Sympathisant der NS-Diktatur nicht unumstrittenen Maestros wird von dem auch bei uns durch seine „Staatsoperette“ bekannten Regisseur und Puppenspieler Nikolaus Habjan in Szene gesetzt.

Und auch das Opernstudio, also die „junge Oper“, gibt es wieder am Kornmarkt. Nach Abschluss des großteils höchst erfolgreichen dreiteiligen Mozart-Da Ponte-Zyklus greift man nun auf Rossinis Belcanto-Knüller „Der Barbier von Sevilla“ zurück und hat dafür die bereits in den Vorjahren als Gesangspädagogin einer Meisterklasse im Vorfeld tätig gewesene Kammersängerin Brigitte Fassbaender als Regisseurin gewinnen können. Erst vor kurzem wurde sie für ihr Lebenswerk mit einem „ECHO Klassik“ ausgezeichnet.

Bregenzerwälder Alexander Moosbrugger erhält Opernauftrag

Nachdem das erste Opernatelier, bei dem sich über drei Jahre hinweg das Entstehen einer Oper verfolgen lässt, heuer mit „To the Lighthouse“ ausgelaufen ist, wird dieser Zyklus mit einem Opernauftrag an den aus Schoppernau stammenden Alexander Moosbrugger (45) fortgeführt. Nach seinen Anfängen im Land hat er seit 2001 von Berlin aus eine viel beachtete internationale Komponistenkarriere gestartet. Am 4. April wird er im Kunsthaus Bregenz als Kooperationspartner der Festspiele erstmals Einblick in das noch namenlose Werk geben, die Uraufführung ist für 2020 geplant.

Auch die Orchesterkonzerte der Wiener Symphoniker und des Symphonieorchesters Vorarlberg bringen beziehungsvolle Programme, eine Symphonie von Thomas Larcher zur österreichischen Erstaufführung und einen großen Solistennamen erstmals nach Bregenz. Der Franzose Pierre-Laurent Aimard gilt in Fachkreisen als Pianistenlegende und wird das unglaublich schwierige Klavierkonzert „für die linke Hand“ interpretieren, das Maurice Ravel für den einarmigen Pianisten Paul Wittgenstein geschrieben hat. Die Reihe „Musik & Poesie“, die Tangooper „Maria de Buenos Aires“ von Piazzolla, die vom Bregenzer Festspielchor zum 70-Jahr-Jubiläum gestaltete Festmesse, eine Blasorchester-Matinee zum Abschluss des Camps, das Cross Culture-Programm und eine bereits angekündigte Vorproduktion für Kinder, „Carmen im Zirkus“, vervollständigen das Programm.

Bregenzer Festspiele: 18. Juli – 19. August 2018
Tickets und Infos unter 0 55 74/40 76 und www.bregenzerfestspiele.com