Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Silvia Thurner · 24. Jun 2015 · Musik

Poesievoller Blick nach innen – Elisabeth Kulman bot bei der Schubertiade eine erlesene Liedauswahl und zog die Zuhörenden in ihren Bann

Nachdem die Mezzosopranistin Elisabeth Kulman im vergangenen Jahr bei der Schubertiade Schwarzenberg debütiert hatte, warteten viele auf einen Soloabend der vielschichtigen Sängerin. Das Warten hat sich gelohnt. Im Angelika Kauffmann-Saal führte die Sängerin die Zuhörenden in das romantische Empfinden rund um den Tod, die Todessehnsucht und den Schmerz des Abschieds ein. Natur- sowie Wiegenlieder bildeten einen weiteren Anker. Eine große innere Ruhe ausstrahlend und mit einer tiefsinnig timbrierten Stimme belebte Elisabeth Kulman die Lieder. Sowohl bekannten als auch vergessenen Werken verlieh sie einen gebührenden Stellenwert innerhalb des abgerundeten Ganzen. Der Pianist Eduard Kutrowatz fand erst allmählich jene Ausgeglichenheit, die ihm die Klavierparts abverlangten.

Die Art wie Elisabeth Kulman die Schubertlieder deutete, war individuell, höchst spannend und genau meinem Stilgefühl entsprechend. Sie führte ihre Stimme mit einem natürlichen Duktus und setzte ein Vibrato nur dann ein, wenn es dem Text oder der Melodielinie diente. Wunderbar klar und textdeutlich formte sie die Vokale und nuancierte die Klangfarben sowohl in der strahlenden Höhe als auch in der sonoren Tiefe. Ihren großen Gestaltungsspielraum schöpfte Kulman durchdacht und mit viel Emotion aus. Selbst im Pianissimo variierte sie ihre Stimme und unterstrich damit den Aussagegehalt. Die Bühnenpräsenz der ernst wirkenden Sängerin und die eindringlichen Liedinhalte verdichteten die Atmosphäre im Saal.

Vom Tod Helmut Lohners haben wohl viele Besucherinnen und Besucher erst im Konzertsaal erfahren. Ihm widmete Elisabeth Kulman die Lieddeutung „Willkommen und Abschied“ (D767). Schön peilte sie den Höhepunkt an und führte den musikalischen Fluss zur Apotheose.

Hohe Kunst


Über jedes einzelne Lied und die Werkdeutungen ließe sich viel sagen. An dieser Stelle müssen einige Anmerkungen genügen. Die Miniatur „Am Grabe Anselmos“ (D504) deutete Elisabeth Kulman durch die schlichte Textbetonung intensiv. In einem Pianissimo und einer Tongebung, die schlüssiger nicht sein könnten, erklang das „Wiegenlied“ (D498). Das berühmte Lied „Nacht und Träume“ (D827) entfaltete Elisabeth Kulman poesievoll und glaubhaft. In den beiden Balladen „Der Tod und das Mädchen“ (D531) und „Der Zwerg“ (D771) verdichtete sich das dramatische Geschehen durch die stimmliche Rollenaufteilung. Überdies war „Meeres Stille“ (D216) eine wirkungsvolle Einleitung in die Stimmung des verzweifelten Zwergs.

Der Partner am Klavier


Während Elisabeth Kulman von Beginn an eine große Bühnenpräsenz und Sicherheit ausstrahlte, gelang dies Eduard Kutrowatz am Klavier erst allmählich. Viel zu laut und polternd erklang der Klavierpart beispielsweise in den Liedern „Am Bach im Frühling“ (D361) und „Auf dem Wasser zu singen“ (D774). Auch in „Des Mädchens Klage“ (D191) wirkte die aufbrausende Klaviergestaltung allzu dominant.

Beobachtungen


In das Konzertprogramm waren unbekannte und frühe Schubertlieder eingebettet. Auch diese Lieder boten Anreize zum Weiterdenken, und es gab Entwicklungslinien in Schuberts kompositorischer Arbeit zu entdecken. Eigenartig „unrund“ wirkte beispielsweise die Rhythmik im Verhältnis zum Text und zur melodischen Linienführung in „Florio“ (D825/2). Der Einsatz ungewöhnlicher Tonsprünge im Lied „Die Nacht“ (D358) lenkten die Aufmerksamkeit auf sich. Auffallend wirkten überdies die illustrativen Bilder, die in „Der Jüngling auf dem Hügel" (D702) oder im „Geistertanz“ (D116) im Klavierpart zu hören waren.