Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Silvia Thurner · 25. Nov 2016 · Musik

Musikalische Rollenverteilungen – Wolfram Schurigs zweites Violinkonzert wurde bei „wien modern“ erfolgreich uraufgeführt

Seit Jahren arbeitet der Komponist Wolfram Schurig mit der Geigerin Ivana Pristasova zusammen. Ihre große Bühnenpräsenz, Musikalität und spieltechnischen Fertigkeiten inspirierten Wolfram Schurig zu seinem zweiten Violinkonzert, das er Ivana Pristasova auf den Leib geschrieben hat. In diesem Werk versinnbildlichte Wolfram Schurig für ihn wichtige musikalische Denkarten, denn er ist fasziniert von der Theatralik in der Musik. Genau diese kristallisierte sich bei der Uraufführung mit dem Ensemble Phace im Rahmen von "wien modern" im Wiener Konzerthaus gut nachvollziehbar heraus.

Das für 19 Instrumente – Streicher, Holz- und Blechbläser, Harfe sowie Perkussion - besetzte Violinkonzert bot Wolfram Schurig die Möglichkeit, klanglich aus dem Vollen zu schöpfen und gleichzeitig sehr spezifische musikalische Achsen auszubilden. Die Violine stand naturgemäß im Mittelpunkt des musikalischen Geschehens, doch wichtige Bezugspunkte wurden überdies zur Harfe und zum wichtigsten Partner der Violine, zum Fagott, ausgebildet. Sehr genau austariert erklangen die musikalischen Motive, die meistens vom Soloinstrument ausgingen und jeweils vom Kollektiv weiter getragen wurden.

Mitten hinein ins Geschehen

Die Musik entwickelte, mit einer fallenden Geste beginnend, eine starke Sogwirkung, die in das feinsinnig verwobene Klanggeschehen hineinführte. In einem aufmerksamen Miteinander entfalteten die Ensemblemusiker einen eher homophon ausgebildeten Fluss, akzentuiert von einem rhythmisch strukturierenden Schlagwerk. Markante Passagen breiteten unter anderem auch „Auftritte“ von Instrumentalstimmen aus dem Orchesterkollektiv vor. Dies waren die aussagekräftigsten Passagen des 20-minütigen Werkes. Besonders in Erinnerung blieb dabei die spannungsgeladene Vorbereitung der Solopassage des Fagottes, das in eine Beziehung zum Soloinstrument trat. Sodann lenkten die Blechbläser die Aufmerksamkeit auf sich, bis später die Harfe eine bedeutende Rolle einnahm. Fulminant war der Schluss gestaltet, bei dem in einer gut proportionierten Steigerungsphase der Solopart in den Gesamtklang integriert wurde.

Herausragende Solistin

Die Musikerinnen und Musiker des Ensemble Phace unter der Leitung von Joseph Trafton spielten die vielschichtige Musik hervorragend, indem der Klangfluss stets transparent wirkte und die einzelnen Stimmen durchwegs Raum zur Entfaltung hatten. Allen voran beeindruckte Ivana Pristasova. Sie kennt Wolfram Schurigs Musik und traf mit ihrer energiegeladenen Spielart den Nerv der Musik hervorragend. Einesteils setzte sie zahlreiche Impulse, andernteils wirkte sie kommunikativ in Verbindung mit dem Ensemble.

Kontrastreiche Kompositionen

Flankiert wurde Wolfram Schurigs Violinkonzert von Kompositionen des Schweizer Komponisten Michael Jarrell sowie der Uraufführung des neuesten Werkes von Patrick Frank, der ebenfalls in der Schweiz lebt. Michael Jarrells Werk „Verästelungen“ bildet einen Teil des Zyklus „Assonance“ für Ensemble. Aus einer motivischen Keimzelle heraus entwickelten sich Trillerfigurationen, die sich mit einem nervösen Gestus entfalteten. Die immer neuen Gestalten boten zwar viel Abwechslung beim Hören, allerdings wurden eher wenig Zusammenhang stiftende Passagen ausgebildet, so dass die Gesamtanlage des Werkes sehr heterogen wirkte.
Patrick Frank hat in sein Werk „Siegel und Idee“ viele Inhalte verpackt. In der einleitenden instrumentalen Passage wurden konträr angelegte Felder einander als Gegenpole gegenüber gestellt. Der in die Musik einbezogene, vom Komponisten selbst vorgetragene Text, sollte eine Botschaft vermitteln. Doch der essayistische Charakter des kulturkritischen Textes schmälerte die musikalische Aussagekraft der Komposition insgesamt.
Aufs Neue haben die Musikerinnen und Musiker des Wiener Ensemble Phace ihre Meisterschaft und ihre Vielseitigkeit unter Beweis gestellt. Mit höchster Konzentration stellten sie sich in den Dienst der Musik. Klar in der Gestik und mit gutem Gespür für die individuellen Charaktere der drei so unterschiedlich angelegten Kompositionen leitete Joseph Trafton das Ensemble Phace. Das Publikum im voll besetzten Berio Saal des Wiener Konzerthauses applaudierte begeistert.


Tipp zum Nachhören:
Ein Mitschnitt des Konzerts wird am 29. November in der Sendung „Zeit-Ton“ ab 23:08 auf Radio Ö1 gesendet.