Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Silvia Thurner · 19. Nov 2017 · Musik

Mit Bild, Wort und Ton zu vielgestaltigen musikalischen Aussagen – vier neue Werke wurden bei den „Bludenzer Tagen zeitgemäßer Musik“ erstmals aufgeführt

Kompositionen mit Symbolkraft präsentierte das italienische Streichquartett „Quartetto Maurice" bei den „Bludenzer Tagen zeitgemäßer Musik“. Vier Uraufführungen von Yukiko Watanabe, Pia Palme, Joanna Bailie und Alexander Chernyshkov führten mittels Streichern, Objekten, elektromechanischen und elektronischen Instrumenten sowie Videoprojektionen die Zuhörenden in vielschichtig interpretierbare musikalische Welten. Nur schade, dass fehlende vermittelnde Gespräche und Informationen die Zuhörenden und ihre Wahrnehmungen mitunter in der Beliebigkeit stecken ließen.

Yukiko Watanabe komponierte im Auftrag der btzm das Werk „Die fortdauernden Städte“ für Streichquartett, persönliche Erinnerungsstücke der Objektspieler und Projektor. Die Geigerinnen Laura Bertolino, Aline Privitera, die Cellistin Georgia Privitera und der Bratschist Francesco Vernero intonierten die Musik von unterschiedlichen Positionen aus, ein Kazoo verlieh Tonlinien eine eigene Färbung. Tonfiguren mit kreisenden Bewegungen und Knackgeräuschen am Frosch des Bogens sowie zwitschernde Sounds bildeten die akustische Grundlage für die Videoprojektion. Assoziationen zu unterschiedlichen Zeitebenen wie beispielsweise Fotos und im Moment erklingende Musik sowie die Musikerin, die sich farblich in die projizierte Bildfläche eingliederte, ergaben spannende Bezugsfelder. Die Geste, als die Geigerin mit ihrem Instrument das Gesicht verdeckte, war mannigfaltig deutbar und versinnbildlichte die Zusammenführung von bildlicher und musikalischer Ebene.

Pia Palme steuerte mit ihrem Auftragswerk ein griffiges und gut nachvollziehbares Werk bei. Der Streichquartettklang mit stehenden und driftenden Klängen versinnbildlichte die wandernden Großaufnahmen einer Baumrinde hervorragend. Anreize boten überdies die Wahrnehmungsverhältnisse zwischen Bild und Musik und die Frage, zu welchen Zeiten das Bild oder die Musik eine eher dienende Funktion einnahm. Kräftige Sounds und filigrane Klangfloskeln, Nah- und Fernverhältnisse, polternde Rangiergeräusche und Sprachfetzen verliehen der Musik auch einen sozialkritischen Hintergrund.

Joanna Bailie kombinierte in „Radio-Kaleidoscope“ den Suchlauf eines Radios mit Kaleidoskop-Videos. Die rasche Bilderfolge machte das Mitverfolgen bald zur Qual für die Augen und die Wechsel zwischen dem Rauschen und den Sprach- bzw. musikalischen Floskeln erschöpften sich ebenso bald in Langeweile. Einzig die Wechselwirkungen zwischen Video, Zuspielung und live gespielten Klangfeldern des Streichquartetts und deren Überlagerungen zogen die Aufmerksamkeit auf sich. Selbstverständlich ließen sich auch in diese Komposition gesellschaftskritische Überlegungen hineininterpretieren.

Nicht selbstredende Werke

Obwohl alle Komponistinnen und der Komponist bei den Uraufführungen in der Remise Bludenz anwesend waren, hatte es die Intendantin Clara Iannotta versäumt, sie in Gesprächen vorzustellen, um damit den Zuhörenden Einblicke in die Gedankenwelt der Kompositionen zu geben. Schade um die vergebene Chance, denn das Verständnis aller Werkpräsentationen wäre um einiges größer.

Musiktheatralisch aufgebaut war Alexander Chernyshkovs Stück mit dem humorvollen Titel „In the spring we eat cucumbers“. Zuerst wetteiferten auf einem Tisch positionierte, in unterschiedlichen Frequenzbereichen surrende Transformatoren miteinander. In einem amüsanten Kommunikationsprozess mischten sich die Quartettmusiker ein, machten sich die Sounds der Transformatoren zu eigen und stellten sich teilweise in deren Dienst. So vermischten sich die Wirkbereiche als beispielsweise eine Quartettmusikerin zur Marionette des Apparates wurde. Sodann diente der emotionsgeladene Kommunikations- und Redefluss der Quartettmusiker den musikalischen Gehalt. Der Aussagegehalt dieser Komposition war amüsant und gut nachvollziehbar. Überdies stellte das Quartetto Maurice seine Vielseitigkeit eindrücklich unter Beweis.