Fouad Boussouf mit einer österreichischen Erstaufführung des Stückes „Fêu“ zu Gast beim „Bregenzer Frühling“ (Foto: Antoine Friboulet)
Silvia Thurner · 26. Jun 2016 · Musik

Lieder von Salomon Sulzer ins Licht gerückt – Musikalische Vergleiche mit Seltenheitswert in Hohenems

Der Name Salomon Sulzer ist in Vorarlberg zwar ein Begriff, doch vielen ist nicht bewusst, dass der aus Hohenems stammende Kantor auch ein herausragender Liedkomponist gewesen ist. Mit Franz Schubert war er eng befreundet und durchaus auch auf dessen Niveau hat Salomon Sulzer Lieder geschaffen. Der amerikanische Musikwissenschaftler Lorne Richstone forschte von Oklahoma aus über Salomon Sulzers kompositorisches Schaffen und suchte auch nach Werken von dessen Söhnen Julius und Joseph. In diesem Zusammenhang kontaktierte er das Jüdische Museum in Hohenems und so wurde eine Kooperation mit dem Al Quds College of Music in Jerusalem und der Musikmanagerin Petra Klose möglich. Der Salomon Sulzer Saal bot ein gutes Ambiente für vier engagierte junge Sängerinnen aus Ost-Jerusalem, die Altistin Veronika Dünser und die Sopranistin Shira Karmon, am Klavier begleitet von Lorne Richstone und Karl Kronthaler sowie die Cellistin Liina Leijala.

Salomon Sulzer (1804-1890) wurde in Hohenems geboren und war bereits mit sechzehn Jahren Kantor der jüdischen Gemeinde Hohenems. Ab 1825 übte er dieses Amt in Wien aus, wo er Reformen im Synagogalgesang einleitete. Für sein Werk „Schir Zion" (Das Lied von Zion) bestellte Salomon Sulzer Gesänge, unter anderem bei Ludwig van Beethoven und Ignaz von Seyfried sowie bei Franz Schubert. Eine Freundschaft entstand und Salomon Sulzer soll mit seiner viel gelobten Baritonstimme im Rahmen von Schubertiaden Lieder seines Freundes aufgeführt haben.

Jugendliche Sängerinnen und Veronika Dünser


Kompositorische Verbindungslinien zwischen Sulzer und Schubert waren bei diesem speziellen Liederabend in Hohenems erlebbar. Zuerst sangen die vier Gesangsschülerinnen Rita Tawil, Jamila Zaatreh, Hiba Awad und Sama Shafea aus Ost-Jerusalem bekannte Schubertlieder. Mit viel Leidenschaft und hoch konzentriert gestalteten sie „Nacht und Träume“, „Der Tod und das Mädchen“, Wiegenlied“ und „Wanderer an den Mond“. Umsichtig und gut begleitet wurden sie vom Musikpädagogen und Pianisten Karl Kronthaler. Seit März 2016 werden die Jugendlichen von der aus Feldkirch stammenden Altistin Veronika Dünser gesanglich weiter ausgebildet. Sie motivierte und ermunterte die jungen Damen und sang dann selbst „Der Wanderer“ und „Des Baches Wiegenlied“ mit schönem Timbre und dramatischem Duktus.

Spannende Vergleiche


Spannend waren die Vergleiche der Lieder von Salomon Sulzer mit dem Kompositionsstil von Franz Schubert. Sechs Lieder interpretierte die Sopranistin Shira Karmon, am Klavier begleitet von Lorne Richstone. Die Qualität der Werke begeisterte mich vor allem im Hinblick auf die kompositorische Ausgestaltung des Klavierparts. In diesem wurde der Text vielschichtig ausgedeutet, außerdem lenkten die variantenreichen Begleitmotive die Aufmerksamkeit auf sich. Triolenbewegungen sowie vorwärts schreitende Passagen, verbunden mit spezifischen harmonischen Farben und ausdifferenzierte Wechelspiele zwischen dem Gesangs- und Klavierpart ließen in zahlreichen Abschnitten aufhorchen. Vor allem die dramatisch durchkomponierte Ballade „Trost“, aber auch die anderen Lieder „Vergiss mein nicht“, „Die Drei Momente“, Anliegen“, „Die Briefe“ und „An Sie“ überzeugten. Insbesondere der Duktus des Liedes „Vergiss mein nicht“ erinnerte an die poetische Stimmführung von Robert Schumann.

Opernhafte Lieddeutungen


Shira Karmon besitzt eine große, voluminöse Stimme. Mit viel Vibrato und Pathos formte sie die Lieder aus. Doch dieser Interpretationsansatz entsprach dem Charakter der Kompositionen eher wenig. Zudem verstärkte die hallige Akustik im Salomon Sulzer Saal die allzu groß angelegten Phrasierungsbögen der Sopranistin. Dies betraf auch die Lieddeutungen von Julius Sulzer (1830-1891), einem Sohn von Salomon Sulzer.

In „Wolle keiner mich fragen“, „Jungfrau, hör mich“, „Wenn ohne lautes Pochen“ und „Gute Nacht, mein Herz“ hat Julius Sulzer den Fokus auf die melodische Linie gelegt. Eine eher begleitende Funktion übertrug er dem Klavierpart, der abschnittweise orchestral aufgefächert und wogend aufgewühlt wurde. Illustrierende Floskeln deuteten den Text, sodass sich ein erzählender Duktus einstellte. Besonders in Erinnerung blieb die Ballade „Die junge Nonne“. Meinem Höreindruck nach wirkten Julius Sulzers Kompositionen weniger vielschichtig auskomponiert als jene von Salomon Sulzer.

Sensible Cellistin


Im Mittelteil präsentierten die finnische Cellistin Liina Leijala und Lorne Richstone „Vier Stücke für Cello und Klavier“ aus der Feder von Joseph Sulzer (1850-1925), eines weiteren Sohnes von Salomon Sulzers. Die Cellistin zog das Publikum vom ersten Ton an in ihren Bann, denn sie spielte die hochromantischen Werke mit viel Einfühlungsvermögen. Die eindringliche Tongebung von Liina Leijala brachte die Werke „Willst du dein Herz mir schenken“, „Sarabande, op. 8“, „Serenade, op. 17/3“ und „Idyll, Op. 26“ zum Leuchten.

Die Türkische Volkshymne  und ein Wanderlied von Salomon Sulzer sowie ausgewählte Volkslieder ergänzten das stimmungsvolle Programm. In Erinnerung werden die engen musikalischen Verbindungslinien zu Schuberts Werken und die hohe Qualität der Liedkompositionen von Salomon Sulzer bleiben. Es ist zu hoffen, dass nach diesem Konzert, mit Folgeaufführungen in Wien und Jerusalem, das Schaffen der Komponisten Salomon, Julius und Joseph Sulzer die Aufmerksamkeit von Musikern und Veranstalter vermehrt auf sich zieht.