Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Anita Grüneis · 03. Aug 2018 · Musik

"La Traviata" in Werdenberg - Das Orchester weint mit Violetta am See

Trotz indisponiertem Hauptdarsteller und einigen technischen Problemen wurde die Premiere von „La Traviata“ am Werdenberger See eine runde Sache. Dazu beigetragen haben vor allem das Sinfonieorchester Liechtenstein unter der Leitung von William Maxfield und Sarah Längle als Violetta. Der Neustart der Werdenberger Schlossfestspiele als „Seefestspiele“ ist damit gelungen. Es wurde dank des intimen Rahmens eine Oper zum Anfassen.

Giuseppi Verdis Oper „La Traviata“, die das Lieben, Leiden und Sterben wie keine andere auf die Bühne bringt – außer Puccinis „La Boheme“ – ist ein echtes Meisterwerk. Der Verein Werdenberger Schlossfestspiele wagte damit einen Neubeginn, nachdem die Aufführungen im Schlosshof eingestellt werden mussten, da sie den Sicherheitsvorschriften nicht mehr genügten. Der kulturelle Allrounder Kuno Bont machte sich für eine Oper am See stark, in der das Werdenberger Schloss dekorativ als Kulisse im Hintergrund aufragt, entschied sich für „La Traviata“, übernahm die Regie und, gemeinsam mit dem Dirigenten William Maxfield, die künstlerische Leistung. Der wiederum brachte das Sinfonieorchester Liechtenstein mit sich und so fügte sich zusammen, was zusammenpasste. 

Eine perfekte Violetta

Mit den Hauptdarstellern zogen die beiden das Glückslos. Sarah Längle, in Mauren aufgewachsen, in Wien studiert, in Berlin lebend, brachte eine Violetta auf die Bühne, die vom Anfang an ihr Publikum ergreift. Sie ist der Inbegriff der fröhlich liebenden, todkrank leidenden und stimmgewaltigen Violetta. Mit ihrer zierlichen Figur, ihrer klaren und sicheren Stimme, die sowohl äußerst zurückhaltend und innig klingen, aber auch hochdramatisch anschwellen kann, ohne dabei grell zu werden, schafft sie eine glaubwürdige und dichte Figur. Mit ihr liebt und leidet das Publikum. Sie trägt diese Aufführung mit großer Kraft.  

Alfredo im Doppelpack

Ihr Partner Adam Sanchez war bei der Premiere indisponiert, also musste blitzschnell Ersatz gefunden werden. Der Tenor spielte seine Partie zwar pantomimisch, bekam aber „aus der Gasse“ die Stimme dazu. Sie gehörte Guillermo Valdes, der am Bühnenrand stand, alles mit Argusaugen beobachtete und immer perfekt einsetzte. Dass der chilenische Tenor mit der Partie bestens vertraut ist, war zu hören. Einfach war es nicht für Guillermo Valdes, denn er musste sowohl auf den Dirigenten als auch auf das Geschehen auf der Bühne achten. Er meisterte seine Aufgabe so bravourös, dass sich so manche wünschten, er würde auf der Bühne singen. Seine samtweiche und doch kräftige Stimme hat viele Nuancen, er ist ein Alfredo zum Dahinschmelzen. Ob er noch weitere Aufführungen als „backup“ übernehmen wird, war bei der Premiere noch unklar. 

Stimmiges Ensemble

Attila Mokus hat die Partie des Vaters Germont übernommen. Sein voluminöser Bass-Bariton hat eine leichte Tendenz zum metallischen Klang, seine Tiefen klingen immer ein wenig bedrohlich und werden sehr leicht dominant. Aber Attila Mokus schafft es auch, sich zurückzunehmen und den leisen Stimmungen der Violetta anzupassen. Allerdings wäre es gut, wenn er ein paar Gesichtsausdrücke zum Variieren hätte. Erfrischend war Anna Gschwend als Annina, mit ihrer sauberen und klaren Stimme. Ein gutes Paar auch die Flora von Kathrin Walder und der Gastone von Konstantinos Printezis. Interessant die Darstellung des Dottore durch Huub Claessens, der oftmals mit dem Rücken zu Violetta gewandt wie ein Dr. Tod auf der Bühne stand.

Fast immer eine klare Bühnensprache

Die Bühne von René Düsel – ein „cooles Setting“ wie eine Besucherin meinte. Ein paar weiße Wände, eine rechte Ecke als Flaschen- und Gläser-Bar, schwarze Stühle und im Hintergrund das Schloss. Der Raum gehörte der Musik und den Sängerinnen und Sängern. Dieses „Reduced to the max“ funktionierte bis zum 2. Akt. Da griff Regisseur Kuno Bont in die Klischee-Kiste, ließ wild kostümierte Zigeunermädchen tanzen und die Szenerie kippte ins Folkloristisch-Kitschige. Im letzten Akt steckten die Zigeunermädchen Stäbe mit leuchtenden Karten auf die Bühne (Schicksalskarten? Träume der Violetta? Sterbeblumen?), die dann aber ziemlich schnell wieder abtransportiert wurden. Dafür erstrahlte kurz eine Schwarz-Weiß-Projektion auf der Rückwand und verschwand wieder, um den Platz frei zu machen für ein Bild, das beim langen Sterben der Violetta digital mit Strichen und Kreiseln gemalt wurde.

Hut ab vor diesem Chor

Alles unnötig. Wer so innig liebt und stirbt wie Sarah Längle braucht nichts, außer der Begleitung durch das Orchester. Und das war bei William Maxfield in besten Händen. Er setzte Meilensteine bezüglich Romantik, Schmerz, Fröhlichkeit und Leiden und führte Orchester, Solisten und Chor sicher durch alle Szenen. Der Laien-Chor bestach durch seine Spielfreude, wurde in seiner Einheit zur feinen Gesellschaft, die sich bei Krankheit gerne abwendet. Hut ab vor der Leistung dieses Ad-hoc-Chores, der ein Jahr lang geprobt hatte, alles italienisch sang und dazu noch erfrischend lebhaft agierte. Dass die Mischung von professionellen, semiprofessionellen und Laienkräften funktionieren kann, wurde mit dieser Aufführung bewiesen. Und mit dem Publikumsandrang: Die rund 4'000 Plätze der restlichen neun Aufführungen sind beinahe komplett ausverkauft.