Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Silvia Thurner · 26. Sep 2018 · Musik

Kreative Köpfe – Heinz Holliger am Pult, die Geigerin Patricia Kopatchinskaja und das Kammerorchester Basel belebten die Sinne bei „Dornbirn Klassik“

Wenn Musikerinnen und Musiker wie Patricia Kopatchinskaja und das Kammerorchester Basel mit dem Dirigenten Heinz Holliger zum Konzert einladen, darf man sich Besonderes erwarten. Zur Eröffnung der Abonnementreihe „Dornbirn Klassik“ war ein hervorragend programmiertes Konzert angesagt. Für das aussagekräftige Werk „Die Leier des Orpheus“ von Sofia Gubaidulina und die unterhaltsame Komposition „Meta Arce“ von Heinz Holliger bildeten die Ouvertüre im italienischen Stil und die sechste Symphonie von Franz Schubert einen stimmigen Rahmen. Diese Werke sowie Mozarts Konzert KV 218 erklangen in außergewöhnlichen Interpretationen und boten spannende Einblicke in die individuellen Sichtweisen der Künstler.

Heinz Holliger ist ein ausgewiesener Kenner der Musik von Franz Schubert. Im Dornbirner Kulturhaus ging er mit dem Kammerorchester Basel dem Kult um Rossini am Beginn des 19. Jahrhunderts und Schuberts Reaktion darauf nach. Die „Ouvertüre im italienischen Stil“ leiteten die Musikerinnen und Musiker weich artikuliert und mit eher lieblichem Ausdruck an. Doch dann gingen sie zur Sache und betonten vor allem den rhythmischen Duktus der Musik. Dabei gaben sie den Holzbläserthemen Raum, so dass sich der tänzerische Charakter herauskristallisierte, bevor das Stück in einer wirkungsvoll gesteigerten Stretta endete.

Außergewöhnliche sechste Symphonie von Franz Schubert

Auch Schuberts sechste Symphonie interpretierten Heinz Holliger und das Kammerorchester Basel mit einer ganz eigenen Spielart und Tempogestaltung. Die Charaktere der konträr angelegten Sätze modellierten sie dabei hervorragend aus und eröffneten inspirierende neue Blickwinkel auf die Musik. Während im Eröffnungssatz die Themen tableauartig ausgestaltet erklangen, zogen vor allem die wechselnden Korrespondenzen einzelner Motivteile die Aufmerksamkeit auf sich. Ein besonderes Augenmerk lag auch auf der rhythmischen Gestaltung. Aufregend wurden im Scherzo die dynamischen Schattierungen und die metrischen Verschiebungen ausgelotet, so dass die verblüffende Nähe zu Beethoven markant zur Geltung kam. 
Heinz Holligers Werkdeutung zielte auf den Finalsatz hin. Darin wollte er zum Ausdruck bringen, auf welche Weise Schubert mit dem allseits grassierenden Kult um Rossini abrechnete. Holligers Sicht auf die Komposition unterstrich den humorvollen musikalischen Ausdrucksgehalt. Manche Themen setzte das Kammerorchester Basel meinem Empfinden nach jedoch allzu überzeichnet in den Raum. So nahm die Musik mitunter fast karikierende Züge an. Auf jeden Fall regte der spezifische Interpretationsansatz zum Weiterdenken über Schuberts kompositorische Intentionen an.

Schelmisch und musikantisch

Patricia Kopatchinskaja spielte den Solopart im Violinkonzert (KV 218) von W.A. Mozart geistreich und neckisch. Wie immer ging auch im Dornbirner Kulturhaus von ihrem Spiel ein großer Aufforderungscharakter aus. Atemberaubend nuancierte sie die musikalischen Phrasen und kreierte im Zusammenwirken mit dem Orchester eine mitreißende Rhetorik. Die Themenführungen im Finalsatz klügelten die Interpreten sehr genau aus und machten sie mit ihrem individuellen Spiel neu erlebbar. Auf diese Weise  setzte Patricia Kopatchinskaja Mozarts Violinkonzert neu in Szene, unter anderem in dem sie das Rondothema mit rustikal schnatternden Bordunklängen versah und damit eine zünftige Volksmusik implizierte.

Musikalische Symbolik

Sofia Gubaidulinas Komposition „Die Leier des Orpheus“ für Solovioline, Perkussion und Streichorchester zog allein durch die außergewöhnliche Instrumentierung die Aufmerksamkeit auf sich. Die sinnliche Musik führte die Zuhörenden in unterschiedlich imaginierte Welten, in denen die Solovioline - oft mit dem Violoncello an ihrer Seite - in immer andere musikalische Umgebungzusammenhänge eintauchte. Der musikalische Fluss wirkte einesteils intensiv durch die abschattierende Perkussion und nahm andernteils eine fein ziselierte, sphärische Atmosphäre an. Das Publikum im Saal hörte konzentriert zu und goutierte das aussagekräftige Werk mit viel Applaus. 
Humorvolle Miniaturen schuf Heinz Holliger in seinem Werk „Meta Arca“ für Solovioline und 15 Streichinstrumente. Der Konzertmeister Daniel Bard spielte den Solopart in diesem abwechslungsreichen Stück, das in sechs Abschnitten den bisherigen Konzertmeistern des Kammerorchester Basels ein Denkmal setzte. Die unterschiedlichen Charaktere wirkten sympathisch und erklangen humorvoll nachgezeichnet.
Heinz Holliger wird nächstes Jahr 80 Jahre alt. Am Pult des Kammerorchesters Basel, mit dem ihn eine langjährige Freundschaft verbindet, wirkte er inspirierend und dynamisch. Darüber hinaus verlieh die engagierte Spielart der Orchestermusikerinnen und –musiker den Werkdeutungen eine vitale Kraft.