Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Silvia Thurner · 21. Jun 2016 · Musik

Kreative Fülle - oder des Guten zu viel? – Die „Symphonie du Silence“ der HUGO Preisträgerinnen in der Johanniterkirche war bewundernswert, aber auch überbordend

Die „Montforter Zwischentöne“ haben zum zweiten Mal den Wettbewerb für Konzertdramaturgie ausgeschrieben. Den begehrten „HUGO“ haben nach einem interessanten Auswahlverfahren Katharina Lechner, Viviane Hirschi und Badamsuren Gangaabazar, alle drei studieren am Vorarlberger Landeskonservatorium, für sich entschieden. Mit Spannung wurde nun die Umsetzung ihrer „Symphonie du Silence“ in der Johanniterkirche in Feldkirch erwartet. Zahlreiche mitwirkende Studienkollegen sowie der Kammerchor Feldkirch unter der Leitung von Benjamin Lack präsentierten eine dichte Performance. Die Zeit und die Zeitwahrnehmung, Menschenrechte, unterschiedliche Musik- und Aufführungsstile, Tanz, Rezitation, Licht, Farben und Gerüche waren inbegriffen.

Die Atmosphäre der Johanniterkirche war wie geschaffen für das ambitionierte Konzertvorhaben, das Katharina Lechner, Viviane Hirschi und Badamsuren Gangaabazar sehr genau vorbereitet und durchdacht hatten. Sie bespielten die Apsis sowie die Seitennischen des Kirchenraumes und nahmen so das Publikum in die Mitte. In elf Ereigniseinheiten wurden die Gegenpole Hektik und Ruhe thematisiert.

Ausdrucksstarker Beginn


Originell eingesetzt war die Klanginstallation „Chronos“ (ursprünglich von G. Ligeti), denn sie führte die Besucherinnen und Besucher allmählich in das Konzertereignis ein und lenkte die Aufmerksamkeit auf das Hören. Das Lenken der eigenen Hörrichtung auf die horizontale Linie und die Konzentration auf die Vertikale, das rhythmische Gefüge, sensibilisierte die Ohren. Dazu passte die anschließend dargebotene, vorpreschende Toccata für Piano Solo, op. 11 von Sergei Prokofjew, deren erster Teil Badamsuren Gangaabazar mit dem Rücken zum Publikum am Klavier spielte.

Drei Reihen aus den „Douze Notations“ für Piano Solo von Pierre Boulez wurden in Beziehung zu rezitierten Auszügen aus der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte gestellt. Von der Kanzel herunter trug sie Simon Latzer vor. Der „Tag des Flüchtlings“ am 20. Juni verlieh dem Vortrag eine noch stärkere Bedeutung.

Gute Werkdeutungen


Zur Entspannung spielten die Musikerinnen Viviane Hirschi und Raphael Höll (Violine), Eri Tanei (Violoncello), Katharina Lechner und Tomasz Zawierucha (Gitarre) und Orsolya Nagyfi (Orgel) unter anderem das erfrischende Trio in g-Moll RV 85 für Laute, Violine und Basso Continuo von Antonio Vivaldi. Den Mittelpunkt der Aufführung stellte die Darbietung der Motette für gemischten Chor a cappella „Warum ist das Licht gegeben dem Mühseligen?“ von Johannes Brahms dar. Ausdrucksstark lenkte der Kammerchor Feldkirch unter der Leitung von Benjamin Lack den Blick auf existentielle Fragen.

Ergänzt wurden die inhaltlichen Leitgedanken des Konzertes durch den Ausdruckstanz von Kevin Amann. In Verbindung mit einer im Kreis fahrenden Spielzeugeisenbahn, deren Geräusche, das Wischen der Fußsohlen und der Atmen des Tänzers entwickelten eine ganz eigene Atmosphäre. Ebenso sinnenreich wirkte das stille Dirigat von Benjamin Lack. Eine gute Klammer zum Beginn stellten die Röstgeräusche des Kaffeesommeliers Christian Birk dar.

Viel verpackt


Zahlreiche Denkrichtungen eröffneten die Konzertdramaturginnen Katharina Lechner, Viviane Hirschi und Badamsuren Gangaabazar den vielen Konzertbesuchern. Doch mit der allzu großen Fülle an Ideen, die sie in den Abend hineingepackt haben, relativierten sie mitunter die Wirkung auf das Wesentliche. Zwar wurden die Themenkreise Pause, Flucht und Genuss fantasiereich dargestellt, jedoch wurden die Intentionen nur begrenzt authentisch erfahrbar gemacht. Zu plakativ wirkte beispielsweise jene Passage, in welcher die Menschenrechtssätze durch den Kirchenraum geschrien wurden. Weiters kamen die Überlegungen zur Verlangsamung der Tempi nach den Gedanken von Grete Wehmeyer in Mozarts Kirchensonate KV 144/124a nur oberflächlich zur Geltung. Auch das an sich schöne Farbenspiel zum zweiten Teil der Toccata von Prokojew befrachtete die Darbietung und nivellierte die zuvor klaren Farbgebungen in den Boulez Stücken.

Eine Zumutung


Der Wunsch, das komplexe Konzertereignis nicht nur aufzuführen, sondern gleichzeitig zu konservieren, ist verständlich. Allerdings war es für viele Konzertbesucher eine Zumutung, dass eine massige Kamera mitsamt Kameramann die Sicht auf die Musikerinnen und Musiker beziehungsweise Sängerinnen und Sänger verstellte. Die Intensität des Aufführungserlebnisses wurde dadurch gravierend gestört.