Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Fritz Jurmann · 11. Apr 2015 · Musik

Kommentar: „Tod auf Raten“ – Einsparungen bei der Militärmusik erweisen sich als kultureller Kahlschlag

Ich kann das Wort „Kaderschmiede“ schon nicht mehr hören. Es sollte das wichtigste Argument sein im erbitterten Kampf gegen die drohende Dezimierung der Militärmusik in Vorarlberg und in den übrigen Bundesländern: „Kaderschmiede“ als Synonym für eine wertvolle Ausbildungsstätte junger Blasmusiker im Land, die während ihres Präsenzdienstes praktischerweise mehr zum Dienst am Instrument statt an der Waffe ausgebildet werden. Klingt vernünftig, ist es auch. Doch bei dem flächendeckenden Netz an Ausbildungsmöglichkeiten in unseren Musikschulen oder dem Konservatorium muss heute kein junger Blasmusiker mehr unbedingt zur Militärmusik einrücken, um sich an seinem Blasinstrument zu perfektionieren.

Dieser Trumpf sticht nicht wirklich. Warum also sollen dann unsere Militärmusiken  wirklich erhalten bleiben, welche Existenzberechtigung haben sie? Für viele, vor allem ältere Mitbürger, ist sie ganz einfach ein Stück Kulturgut, nostalgisch verbrämt, vor allem zu Repräsentationszwecken nutzbar und zur Imagebildung für das Bundesheer. Warum also solch wertvolle Werbeträger abschaffen? Ist das nicht der berühmte „Schuss ins eigene Knie“?

„Mit klingendem Spiel“

Aber diese Blaskapelle muss ihrer Wirksamkeit wegen auch in entsprechender Mannstärke von wie zuletzt zumindest 47 Musikern aufmarschieren, „mit klingendem Spiel“, wie es so schön heißt, oder zumindest einmal pro Jahr im Festspielhaus zu einer Gala aufspielen. Nur da steckt noch die gelebte Tradition drin, wie sie durch die heute noch als aktive Kapellen weitergeführten Vereine der Hoch- und Deutschmeister in Wien oder der Kaiserjäger in Tirol und Vorarlberg begründet wurde, ebenso mit den nach wie vor beliebten altösterreichischen Märschen wie dem „Radetzkymarsch“, unvergängliches Zugaben-Ritual beim Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker. Sie stammen allesamt aus einer Zeit, in der der „Zauber der Montur“, mit dem man früher reihenweise Mädchenherzen brach, noch etwas Besonderes war, auch wenn man mit einer Militärmusik keinen Krieg gewinnen konnte – damals wie heute. Das wäre wie Dackelgebell gegen den Mond.

Verteidigungsminister Gerald Klug lässt sich ja gerne für seine Wortschöpfung „situationselastisch“ feiern. Die nun verfügte Dezimierung der Militärkapellen von 47 auf 20 Musiker ist das genaue Gegenteil, nämlich pure Sturheit und die dümmste aller möglichen Lösungen. Eine typisch österreichische nämlich, nicht Fisch und nicht Fleisch, auch wenn man sie seitens des Vereins der „Militärmusikfreunde Vorarlbergs“ in einer ersten Erleichterung zunächst als großen Erfolg gefeiert hat, nur weil für den Moment zumindest die gänzliche Auflösung vom Tisch war. Ohne zu bedenken, wie lächerlich es ausschauen würde, wenn im Sommer ein bloß 20-köpfiges Häuflein den Bundespräsidenten bei den Bregenzer Festspielen empfängt.

Kaum repräsentabel

20 Mann – das ist das, was man eine bessere „Bauernkapelle“ nennt, die mit schmissigen Polkas und Walzern zum Tanz aufspielt, aber bereits beim Grundrepertoire einer Militärkapelle passen müsste, der Marschmusik. Ganz zu schweigen von anspruchsvoller konzertanter Literatur und davon, dass sie alles andere als repräsentabel wäre. Vielleicht hätte man doch besser den Mut zu einer klaren Lösung aufgebracht und die Militärkapellen gleich ganz aufgelöst.

Jetzt ist es ein erster radikaler Kahlschlag, der einen frappant an einen „Tod auf Raten“ erinnert. Dieser wird sich wohl als letzter Schritt in absehbarer Zeit einstellen – spätestens dann, wenn sich das ab Juli 2015 verfügte Modell als total unpraktikabel erweisen wird. Es sieht nur noch eine Militärmusik vor, nämlich die Gardemusik mit 60 Musikern im Wasserkopf Wien plus acht Außenstellen in den Bundesländern mit je 20 Musikern. Davon sind 13 Rekruten, die nicht mehr wie bisher 14 Monate zeitverpflichtet sind, sondern nur noch sechs. Die damit verbundene viel stärkere Fluktuation im Personal ist dem konsequenten qualitativen Aufbau einer spielfähigen Kapelle natürlich höchst abträglich.

Mangel an Argumenten

Welcher Argumentationsnotstand im Ministerium herrschen muss, diese neuen strukturellen Vorgaben glaubwürdig in der Öffentlichkeit zu kommunizieren, erweist sich an einem Redeverbot für die österreichischen Militärkapellmeister in den Bundesländern. Aber auch daran, dass man sich am 4. April geweigert hat, einen Vertreter des Heeres ins TV-Studio des Bürgeranwalts bei Peter Resetarits zu entsenden, als dieses Thema diskutiert wurde. Pressesprecher Oberst Mag. Michael Bauer suchte in voraufgezeichneten Zuspielungen mühsam nach Begründungen und sprach etwa von einer Einsparung von mindestens sieben Millionen pro Jahr durch diese Maßnahme. Demgegenüber argumentierte Wolfram Baldauf, der als Obmann des Vorarlberger Blasmusikverbandes und der „Militärmusikfreunde“ selbstbewusst in der Lochauer Musikertracht im Studio antrat, nach seinen Berechnungen bringe dieser „Willkürakt“ Einsparungen von nur zwei Millionen. Volksanwalt Dr. Peter Fichtenbauer sprach von gerade einmal 0,5 Prozent des Heeresbudgets.

Es war ja rückblickend so etwas wie eine Salamitaktik, mit der man seitens des Ministeriums schon vor Jahren die als notwendiges Übel offenbar in Ungnade gefallenen Militärkapellen loswerden wollte. Die ersten Versuche gehen ins Jahr 2005 zurück, als man jeweils zwei oder drei Militärkapellen zu einer Formation für mehrere Bundesländer zusammenlegen wollte. Damals bildete sich in Vorarlberg mit seiner überlieferten demokratiepolitischen Vorreiterrolle ein Förderverein zur Erhaltung der Militärmusik, der vor allem auch auf politischem Wege diese Absichten abzublocken wusste. Heute weiß man, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis der nächste Versuch erfolgte, der nun in der verfügten Maßnahme endete.

Erinnerungen eines „Ehemaligen“

Bei alledem überkommt einen als einstigen Kadersoldaten der Militärmusik Bregenz, der vor rund 50 Jahren bei Konzerten die Pauke geschlagen, beim Marschieren die Trommel gerührt, bei der Big Band das Klavier und in der Oberkrainer-Besetzung das Akkordeon bearbeitet hat, ein wehmütiges Gefühl. Damals war die Militärmusik noch eine wirkliche Ausbildungsstätte, weil es noch kein Netz an Musikschulen im Land gab. Vor allem aber war sie eine Elitekapelle, ein Herzeige-Objekt, auf das man stolz war und das von den übrigen Blaskapellen im Land allgemein bewundert wurde.

Das lag vor allem am damaligen Militärkapellmeister Franz Reiter, einem gebürtigen Wiener mit böhmischen Wurzeln und entsprechendem Charisma, unter dem zu musizieren es eine Freude war. Es lag aber auch am Musikmeister Seppl Dür aus Alberschwende, einem der wenigen Menschen mit einem absoluten Gehör und damit entsprechendem Feingefühl für Klang und Intonation. Der Ruf der Militärmusik Bregenz drang damals sogar so weit über die Grenzen, dass sie zu Galakonzerte im Kleinwalsertal und in Rorschach eingeladen wurde. In beiden Fällen sind die Musiker in Uniform über ausländisches Territorium angereist und benötigten dafür eine Sondergenehmigung der Außenministerien in Wien, Bonn bzw. Bern.

Andere haben Führungsrolle übernommen

Nun, dieser Glanz von damals ist heute längst verflogen. Inzwischen hat das  Landesblasorchester unter Thomas Ludescher mit Literatur wie ein großes Sinfonieorchester die Blasmusiker des Landes das Staunen gelehrt. Oder neuerdings auch die Brass Band Vorarlberg, die in spezieller Besetzung ohne Holz und mit ausgesuchten Topmusikern von sich reden macht. Zur Militärmusik schaut man heute längst nicht mehr auf, aber man respektiert sie als Kulturgut und Wahrerin der Tradition mit ihrem jungen Kapellmeister Wolfram Öller, der sich für die Erhaltung dieser Einrichtung auch in der Öffentlichkeit stark machte, solange er noch durfte.

Eine schmerzliche Lücke aber würde ihre Dezimierung oder Auflösung in jedem Fall hinterlassen. Zuvor will man kämpfen bis zum letzten Musiker, es „denen da oben“ so richtig zeigen, diesen Erbsenzählern und Sparefrohs. Und sie mit den ureigensten Waffen dieses Genres schlagen, nämlich mit guter Blasmusik bei einem friedlichen Protestkonzert vor dem Bregenzer Landhaus.

 

Protestkonzert des Vereins „Militärmusikfreunde Vorarlberg“ und des Vorarlberger Blasmusikverbandes  
Mittwoch, 15. April, 19.00 Uhr, vor dem Landhaus in Bregenz
Eingeladen sind Musikanten aus dem ganzen Land in Tracht oder in Zivil, mit ihren Instrumenten aktiv daran teilzunehmen. Gespielt werden bekannte Märsche wie „Dir zum Gruß, Land Vorarlberg“, „O du mein Österreich“ oder der „47er Regimentsmarsch“. Eine kurze Probe ist um 18.45 Uhr.