"Rickerl – Musik is höchstens a Hobby" derzeit in den Vorarlberger Kinos (Foto: 2010 Entertainment / Giganten Film)
Silvia Thurner · 30. Jän 2011 · Musik

Katastrophen, unterschiedliche Gottesbilder, Aufhetzung, Resignation und Lobgesang - Mit der Interpretation von Mendelssohn-Bartholdys „Elias“ erregte die Chorakademie Vorarlberg unter der Leitung von Markus Landerer viel Aufsehen

Markus Landerer und die Chorakademie Vorarlberg boten die hierzulande seltene Gelegenheit, das monumentale Oratorium „Elias“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy zu erleben. Dazu wurden hervorragende Solisten, allen voran der Bassist Josef Wagner engagiert. Die inspirierende Kraft, mit der Markus Landerer die ChorsängerInnen und die OrchestermusikerInnen führte, bewirkte eine außergewöhnlich dichte Werkdeutung. Das Publikum in der vollbesetzten Kapelle des Landeskonservatoriums jubelte.

Felix Mendelssohn-Bartholdys Oratorium „Elias“ besitzt eine opernhafte Dramatik, die eindringliche und plastisch komponierte Musik verlangt allen Beteiligten sehr viel ab. Aus vielen einzelnen musikalischen Facetten formten die etwa achtzig SängerInnen der Chorakademie und die Sinfonietta Vorarlberg zusammen mit den SolistInnen ein musikalisches Ganzes. Von Beginn an führten sie mitten ins Geschehen und zogen das Publikum in ihren Bann.

Handfeste Dramatik

Mit einer bemerkenswerten Spannkraft formten die Musiker und Sänger einen weiten Bogen von den dramatischen Ereignissen einer Dürrekatastrophe über die Flucht und Verzweiflung des Propheten in der Wüste und die Gotteserscheinung bis hin zu verherrlichenden Weissagungen über die Ankunft des Messias am Schluss. Die Vorherrschaft der monotheistischen Idee und die pantheistische Weltsicht bildeten die Gegensatzpaare im ersten Teil des „Elias“. Vor allem Tonsymbole und prägnante Intervalle, dynamische Schübe und harmonische Färbungen boten den Nährboden für eine dramatische Entwicklung. Schon in der Ouvertüre wurde klar, wie präzise Markus Landerer sinnstiftende musikalische Einheiten aus dem Ganzen heraus geformt hat. Jeweils in einem ausgewogenen Wechselspiel gab es ein schubartiges Vorwärtsdrängen, jedoch zelebrierte Markus Landerer auch die ruhenden Pole. Textdeutlich und in einer guten Klangbalance zueinander agierte der in zwei Gruppen postierte Chor. Stets präsent und konzentriert wirkten die OrchestermusikerInnen.

Verzweiflung und Einsicht

Dramatische Szenen spielten sich bei der „Erweckung des Sohnes der Witwe in Zarpath“ ab, wo die Witwe sich verzweifelt an Elias wendet, damit er ihr todgeweihtes Kind rettet. Die Sopranistin Tünde Szabóki im Zwiegespräch mit dem voluminösen und in sich ruhenden Bass von Josef Wagner ergaben eine opernhaft plastische Szene, die intensive Bilder evozierte. Ebenso dicht gestalteten die Protagonisten die Szene, in der Elias die Anhänger Baals auf die Probe stellt und sogar verspottet. Die unterschwellige Angriffslust wurde mit aufgewühlten Bassgängen, wirbelnden Gesten und aufsteigenden Tonschritten eindrücklich in Musik gesetzt. Ebenso plastisch fassten die Sänger und Musiker die Zweifel und die Unsicherheit sowie den Spott des Elias und das Wechselspiel mit den Propheten Baals in Bilder. Der beschwörende Charakter und die beklemmende Gesamtwirkung, die Erregung und die vergebliche Anrufung der Naturgötter verstärkte der musikalische Leiter mit ausdrucksstark gesetzten Generalpausen.

Aufhetzung

Die Frau des Königs, Isebel, hetzte anschließend das Volk auf Elias. Anna Haase formte diese Szenen mit viel Aussagekraft und einem dunklen Timbre aus, beinahe diabolisch wirkte der Aufruf, Elias zu töten. Nicht nur in dieser, sondern auch in der Rolle des Engels überzeugte die Altistin mit einer beweglichen und klangschönen Stimme, die individuelle Tonfärbungen entfaltete. Eher lyrische Rezitative und Arien waren dem Tenorpart zugeschrieben. Roman Payer füllte die Musik mit Empathie und einem offenen feinfühligen Ton aus. Kristallin wirkte die Stimme der Sopranistin Marlene Fesenmayr, die als Knabe überzeugte. Insgesamt wirkte das SolistInnenensemble stimmlich in sich gut aufeinander abgestimmt und ausbalanciert.

Resignation

Nach diesen turbulenten Ereignissen, richtete sich der Fokus auf das seelische Befinden des Elias, der auf seiner Flucht und Wanderung durch die Wüste von Selbstzweifeln und Resignation geplagt wird. Nachhaltig in Erinnerung blieb dabei die Arie „Es ist genug“, bei der Josef Wagner in einen Dialog mit dem Violoncello trat.

Höhepunkt

Inhaltlicher Höhepunkt des Oratoriums ist die Erscheinung Gottes, die Mendelssohn-Bartholdy in einer treffenden Kompositionsart auf den Punkt gebracht hat. Die naturhaften Bilder und die straffe Sprache, die anschaulichen Motivbildungen und Themen wurden mit gewaltiger Kraft dargeboten, um dann den musikalischen Fluss in der Textpassage „und in dem Säuseln nahte sich der Herr“ ganz auf das Wesentliche zu konzentrieren. Die Himmelfahrt des Elias sowie die Weissagungen rundeten das dramatische Geschehen ab und mündeten in einem bombastischen Schluss, zu dem nochmals alle Kräfte gebündelt wurden.

Ein herausragendes Konzerterlebnis

Viele musikalische Einzelheiten wären hier noch anzuführen, alle zusammen ergaben das überzeugende Gesamterlebnis. Auffallend war, dass Markus Landerer in jedem Moment ganz bei den Musikern und Sängern war, seine exakte und motivierende Gestik ergaben eine dichte Konzertatmosphäre. Bewundernswert war neben der inspirierten Werkgestaltung auch die Kondition aller Beteiligten.