Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Silvia Thurner · 26. Jul 2017 · Musik

Jüdische Musik trug das Innere nach außen – Pawel Zalejski und Matan Porat gaben im KUB ein berührendes Konzert

Bei den Bregenzer Festspielen werden in erster Linie renommiert angelegte Produktionen gezeigt. Doch oft ist gerade in den kleineren, begleitenden Konzertformaten Großes zu erleben. Ein derartiges Ereignis war der Duoabend mit dem Geiger Pawel Zalejski und dem Pianisten Matan Porat im Kunsthaus Bregenz. Die jüdische Musiktradition stellten die beiden herausragenden Musiker mit einer gut zusammengestellten Werkauswahl in den Fokus ihres leidenschaftlichen und virtuosen Spiels. Im Mittelpunkt stand die Uraufführung der Komposition „Nigun für Bromberg“, mit der Pawel Zalejski den vertriebenen Juden seiner Heimatstadt Bromberg ein berührendes Denkmal gesetzt hat.

Pawel Zalejski ist in Vorarlberg bestens bekannt, einesteils als Konzertmeister des Symphonieorchesters Vorarlberg, andernteils als Primgeiger des Streichquartetts „Appolon Musagétes“ und seinen Auftritten bei der Schubertiade Hohenems. Überdies konzertierte der sympathische Musiker schon öfters mit dem „Orchesterverein Götzis“.

Im KUB spielten Pawel Zalejski und Matan Porat wunderbar aufeinander abgestimmt und stets mit dem Ohr beim anderen. So entfaltete sich jede einzelne Werkdeutung in einem feinsinnigen Dialog. Als Trilogie stellten die Musiker Ernst Blochs „Nigun“ aus Baal Shem, Joseph Achrons „Hebrow Melody, op. 33 und Joel Engels Tanz „Freilechs“, op. 20, Nr. 2 in Beziehung zueinander. Alle drei Komponisten generierten ihre Musik aus der jüdischen Volksmusik, aus hebräischen Liedern und sogar aus orientalischen Idiomen. Kraftvoll intonierte Pawel Zalejski den Beginn von Blochs „Nigun“ und führte die Stimmung mit subtilen Tonqualitäten in einen Klagegesang. Liedartig und in einem romantischen Geist erklang die hebräische Melodie von Joseph Achron, die sich virtuos steigerte, um sich schließlich in einer suchenden Geste im Raum zu verflüchtigen. „Freilechs“ wirkte als aufgemöbelter, virtuoser Tanz.

Eindrückliches Erinnern

„Nigun“ bedeutet eine Melodie und steht in der chassidischen Tradition für die „Sprache der Seele“. Von diesem Geist getragen musizierte Pawel Zalejski sein eigenes Werk „Nigun für Bromberg“, das er in Erinnerung an die vertriebenen Juden seiner polnischen Heimatstadt Bromberg im Kunsthaus Bregenz zur Uraufführung brachte. Vielfältig hatte er die Musik angelegt, führte mit Bordunklängen und tremolierenden Tonfeldern die Zuhörenden in die besondere Atmosphäre jüdischer Musik und entfaltete danach berührende Bilder einer einst blühenden und während des Nationalsozialismus ausgelöschten Gesellschaft. Die sich ständig wandelnden Toncharakteristika imaginierten abschnittweise das Spiel auf einer Laute, Flageoletts und arpeggierende Klänge schufen Nahe- und Fernverhältnisse und gespaltene Linienführungen bewirkten eine meditative Stimmung. Die klare Abfolge einzelner Liedmelodien, straffe Rhythmen und flehentliche Klagegesänge nahmen die Zuhörenden mit auf eine bewegende, gut nachvollziehbare musikalische Reise mit einem hohen Aussagegehalt. Mit standing ovations dankte das Publikum.

Mieczyslaw Weinberg ist seit der Aufführung seiner Oper „Die Passagierin“ im Jahr 2010 in Bregenz kein Unbekannter. Dessen charakteristische Klavierstücke „Kinderhefte Nr. 1“, op.16 spielte Matan Porat mit viel Gespür für die einzelnen „Szenen“ und füllte jede einzelne Miniatur mit Leben. Eine energiegeladene Dramatik offenbarten die Musiker in Mieczyslaw Weinbergs Sonate Nr. 5, op. 53. Dabei ließen sie auch humorvollen Dialogen Raum.

Nicht dagegen, sondern damit spielen

Die Kooperation der Bregenzer Festspiele mit dem Kunsthaus Bregenz hat Tradition und ist selbstverständlich zu begrüßen. Allerdings ist seit dem Beginn der Konzerte im KUB die überaus hallige Akustik ein (mittlerweile leidiges) Thema. Dies war auch bei diesem stimmungsvollen Konzert der Fall, denn den Musikern hätte ich einen für die Ohren passenderen Rahmen für ihre Darbietungen gewünscht. Keine Frage, das optische Ambiente war auch dieses Mal imposant, aber bis auf das Solostück von Pawel Zalejski war der Höreindruck ein ständiges Ausbalancieren und „Zurechtdenken“ der übernatürlich vergrößerten musikalischen Gesten.

Das Kunsthaus Bregenz bietet sich an für maßgeschneiderte Performances, die die räumlichen Spezifika des Hauses einbeziehen. In bester Erinnerung ist beispielsweise die Performance von Marino Formenti aus dem Jahr 2004. Er bespielte das ganze Haus, kämpfte nicht gegen die Akustik an, sondern spielte mit ihr.