Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Peter Füssl · 13. Aug 2018 · Musik

Jazz Bühne Lech 2018 – Großartiges Finale mit Bugge Wesseltoft

Der 54-jährige norwegische Pianist, Komponist, Produzent und Labelchef Bugge Wesseltoft zählt seit zwanzig Jahren zu den zentralen Gestalten der kreativen nordischen Jazzszene. Vor allem mit seiner unkonventionellen Kombination aus Live-Electronics und Jazzimprovisationen zeigte er neue Wege auf, die zahlreiche jüngere Musiker nachhaltig beeinflussten. Aber Wesseltoft ist stets für Überraschungen gut und liebt unterschiedliche Herausforderungen. Das wird klar, wenn man sich seine vier letzten Alben anschaut: Auf Duo-Bearbeitungen nordischer Traditionals und Kunstmusik mit dem klassischen Geiger Henning Kraggerud („Last Spring“) folgte die elektronikfreie Beschäftigung mit Ethno-Musik unterschiedlichster Provenienz („OK World“) und darauf wiederum ein „Trialogue“ mit dem Berliner DJ und Computer-Freak Henrik Schwarz und dem E.S.T.-Bassisten Dan Berglund irgendwo im Spannungsfeld zwischen kammermusikalischem Jazz und hypnotisch groovendem und sphärisch schimmerndem Ambient. Letzten Herbst präsentierte der rührige Wesseltoft dann sein lyrisches Solo-Album „Everybody Loves Angels“, das die Basis seines vielbeklatschten Auftrittes in der Neuen Kirche in Lech lieferte.

Keine Scheu vor Allerwelthits

Möglicherweise zählt das Interpretieren von Allerwelthits der Popularmusik, die fest im kollektiven musikalischen Gedächtnis der westlichen Zivilisation verankert sind, zu den schwierigsten Übungen. Man wird schwerlich jemanden finden, der längst zeitlose Songs wie Bob Dylans „Blowing In The Wind“ oder Lennon/McCartneys „Let It Be“ nicht kennt. Da braucht es schon jemand, der über die Sensibilität und den Einfallsreichtum Bugge Wesseltofts verfügt, um sich einerseits den banalen Erwartungen zu widersetzen, anderseits aber auch, neue Aspekte herauszuarbeiten, ohne bemüht zu wirken oder dem Original nicht mehr gerecht zu werden.

Wesseltoft sucht und findet sein Heil in Reduktion und Entschleunigung. Er schält das Wesentliche heraus, sucht neue rhythmische und harmonische Zugänge, dekonstruiert und rekonstruiert, lässt den entschlackten Melodien viel Raum zur Entfaltung und spielt virtuos mit dynamischen Effekten. Ein fast schon hingehauchtes Melodiefragment dient als Ausgangspunkt für ausschweifende Improvisationen, die sich zu mächtigen Klanggewittern erheben können, um unvermittelt wieder in große Zartheit umzukippen.

Dieses Konzept lässt sich auf einen Choral von J.S. Bach ebenso perfekt anwenden wie auf das 1971 veröffentlichte „Angel“, das posthum zu einem der großen Hits von Jimi Hendrix wurde. Dass Bugge Wesseltoft diese beiden Stücke nahtlos ineinander übergehen ließ, war eine nette kleine Geste, die bewies, dass sich mit guten Melodien Jahrhunderte überbrücken lassen.

Älteres und Neueres

Der vielfach ausgezeichnete Wesseltoft beschränkte sich aber nicht auf „Everbody Loves Angels“, sondern griff auch auf sein mittlerweile mehr als zwanzig Jahre altes, erstes Solo-Piano-Album, „It’s Snowing on My Piano“, zurück, von dem er mittlerweile mehr als hunderttausend Stück verkauft hat und das, wie er erzählte, dank der darauf enthaltenen Weihnachtslieder zumindest in Norwegen jedes Jahr aufs neue wieder aktuell wird. Aber auch eine ganz neue Komposition, eine Hommage an seine Heimatstadt Skien, fügte sich nahtlos in diesen großartigen Abend ein, der atmosphärisch sehr gut in den sakralen Raum passte, wo sich der Klang des Fazioli F278-Flügels schön entfalten konnte. Ein besseres Finale konnte man sich für die pianolastige Jazz Bühne Lech 2018 nicht wünschen.