Uraufführung des Stückes „Stromberger oder Bilder von allem“ im Vorarlberger Landestheater (Foto: Anja Köhler)
Thorsten Bayer · 09. Jun 2018 · Musik

Höchst Sehenswert: Die Höchste Eisenbahn im Zeughaus Lindau

Die Supergroup des deutschen Indiepop war zu Gast im Zeughaus. Die vier Musiker um die beiden Singer-Songwriter Moritz Krämer und Francesco Wilking brachten jede Menge Spielfreude mit an den Bodensee und hinterließen einen starken Eindruck.

Zum Glück hat sich Francesco Wilking doch für Lindau entschieden. Leicht sei ihm dieser Schritt nicht gefallen: Schließlich war zur gleichen Zeit am Freitagabend in Bregenz „La Notte Italiana – die große italienische Schlagernacht“, unter anderem mit Al Bano und Romina Power, zu erleben. „Eine harte Konkurrenz“, das muss der 43 Jahre alte Musiker lächelnd einräumen. Der erste Song des aktuellen Albums ist auch der erste des Abends: „Wir haben so lange nachgedacht, bis wir wütend waren“. Mit seiner rosafarbenen Baseballkappe nimmt Wilking, den man vor allem als Sänger der Band Tele kennt, hinter dem Keyboard Platz. Moritz Krämer macht einen ähnlich uneitlen Eindruck, als er mit zerknittertem T-Shirt und E-Gitarre die Bühne betritt. Drummer Max Schröder (Tomte, Olli Schulz und der Hund Marie) und Felix Weigt am Bass (Kid Kopphausen, Spaceman Spiff) fügen sich nahtlos in das sympathisch unprätentiöse Bild ein. 

Anspruchsvoll und locker

Das Publikum ist erstaunlich jung – angesichts manches lässig eingestreuten Bonmots für den distinguierten Oberstudienrat wie „Wie war das noch bei Wittgenstein? Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.“ Und die eigenen Texte haben es auch in sich. „Ein Loch in der Rüstung, die Seele liegt frei / Der Schuss, den du fürchtest, geht vorbei / Du übst die Entscheidung und gehst einen Schritt / Die Wut und die Leere gehen mit“ heißt es beispielsweise in „Stern“, einem der Songs des neuen Albums „Wer bringt mich jetzt zu den anderen“. Doch die vier kombinieren ihre lyrischen Texte mit einem luftigen musikalischen Gewand, dass sie nie Gefahr laufen, zu akademisch daherzukommen. Dass sie sich vor sieben Jahren eher zufällig zusammengefunden haben, ist dem Auftritt nie anzumerken. Alles was sie tun, wirkt selbstverständlich, organisch.

„Melodien und Gesprächsfetzen“

Die letzte, 2016 erschienene Platte hat eine Qualität, die Musiker- und Labelkollege Bernd Begemann am präzisesten auf den Punkt bringt: „Auf ihrem neuen Album haben sie nur zwei Themen, nämlich was wir so tun und wie sich das dann anfühlt. Wir stromern mit Francesco, Felix, Max und Moritz durch die dunklen Großstadtgassen und aus den Fenstern sickern Melodien und Gesprächsfetzen. Wir kennen das alles, worüber die Jungs singen, aber wir haben es lange nicht mehr so deutlich gefühlt: die erste Liebe, neu entdeckt in ‚Lisbeth’. Die angeheiterte Clique in ‚Gute Leute’, die erwachende Liebe in ‚Blume’. Die Höchste Eisenbahn steht für eine erwachsene Popmusik, die endlos verspielt ist.“
Auch live zeigen sich die Künstler von einer sehr originellen Seite, wenn sie scheinbar mühelos improvisieren und in ihre Geschichten lokale Prominenz wie den Lindauer Schönheitschirurgen Professor Mang einbauen.

Der Funke springt über

In einem Interview mit dem Berliner Tagesspiegel beschrieb Francesco Wilking den Sound der Höchsten Eisenbahn einmal als „verwaschen und verträumt“. Verwaschen? Damit meine er, dass es eben nicht die neue Hose, nicht die ganz weißen Tennisschuhe seien. Dieser Stil steht der Band jedenfalls sehr gut.
Je länger das Konzert dauert, desto ansteckender ist die Spielfreude der Band. Wilking und Krämer wechseln ständig zwischen Keyboard und verschiedenen Gitarren hin und her, Weigt tauscht seinen Bass zwischenzeitlich gegen eine E-Gitarre ein. Ein großes Lob an diesem Abend geht an das Technik-Team. Moritz Krämers Nuscheln fällt auf CDs deutlich schwerer ins Gewicht als hier im Zeughaus. Der Pressetext zu „Wer bringt mich jetzt zu den anderen“ führt einige Referenzen aus der Pop-Geschichte an: „Die Zurückgelehntheit von Fleetwood Mac, die kindliche Crazyness der Talking Heads und der Schluffie-Folk-Funk der Allman Brothers.“ Hm. Diese Vergleiche hat Die Höchste Eisenbahn gar nicht nötig. Diese Band ist und bleibt einfach stark. Sempre sempre. 

Die nächsten Termine im Zeughaus Lindau:
29.06. Christian Springer
05.07. Buffzack – TrompetePosauneTubaSchlagzeug
22.07. Opas Diandl
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