Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Silvia Thurner · 15. Okt 2015 · Musik

Großes zum Auftakt von „Dornbirn Klassik“ - Das Münchener Kammerorchester unter der Leitung von Alexander Liebreich bot intensive Werkdeutungen

Die aktuelle Saison der Abonnementreihe „DornbirnKlassik“ eröffneten das Münchener Kammerorchester und Alexander Liebreich mit einem exklusiven Konzert. Die Werkfolge war keine leichte Kost, standen doch Gefühle der Isolation und Einsamkeit im Mittelpunkt der Kompositionen. Den Höhepunkt des Abends bildete die Darbietung des Auftragswerkes „toned melisma silver print“ von Atac Sezer. Das feingliedrig, mit viel emotionaler Tiefe interpretierte Werk wurde vom Publikum im Dornbirner Kulturhaus hervorragend aufgenommen. Eindrücklich war überdies die Interpretation der Symphonie Nr. 14 von Dmitri Schostakowitsch mit der Sopranistin Tatiana Monogarova und dem Bassisten Sergei Leiferkus.

Das Münchener Kammerorchester und Alexander Liebreich sind bekannt für ihre durchdachten Konzertprogramme und auch dafür, dass sie Auftragskompositionen selbstverständlich einen bedeutenden Platz in ihrem Repertoire einräumen. Aktuell hat der in München lebende Komponist mit türkischen Wurzeln, Atac Sezer, das Werk „toned melisma silver print“ für das Kammerorchester komponiert. Gut nachvollziehbar kristallisierten sich im ersten Abschnitt die tragenden Linien heraus und verbanden sich zu feingliedrig verwobenen ornamental verschlungenen Tonmustern. Zwar ließ der musikalische Fluss im Mittelteil mit irisierenden Pattern und fugierten Einsätzen etwas nach, doch bündelte Atac Sezer rasch wieder die Energie. Er setzte in den weiteren Verlauf gut austarierte Klangflächen, die blockartig aneinandergereiht erklangen eine pendelnde Wirkung annahmen. Vor allem in dieser Passage zog das Münchener Kammerorchester die Zuhörenden in seinen Bann, denn die obertonreichen und nuanciert aufeinander abgestimmten Tonschichtungen kamen vielgestaltig zum Ausdruck. Die Komposition, die unterschiedliche Muster, Patterns und Schichtungen sowie tonale Akkordbildungen als selbstverständliche Glieder eines Ganzen verwendete, kam beim Abonnementpublikum hervorragend an.

Ausgeklügelt und sehnsuchtsvoll


An den Beginn des tiefsinnigen Konzertabends stellten die Musiker Joseph Haydns Overture zu „L’isola disabitata“, eine von der Geschichte des Robinson Crusoe inspirierten Singspiels. Doch erst im Vivace fanden die Musikerinnen und Musiker, die inzwischen liebgewonnene Freunde der Reihe „Dornbirn Klassik“ sind, ihre bewährte Klangbalance. Das völlig zu Unrecht vergessene Werk von Joseph Haydn erregte die Aufmerksamkeit, weil in der quirligen Overture die musikalischen Funken so richtig sprühten. Aufs Neue war erlebbar, welch ausgefinkelter Komponist Joseph Haydn war.

Danach war das Publikum ganz Ohr für die sehnsuchtsvolle Musik „Rakastava“ von Jean Sibelius. Die Intensität steigerten das MKO und Alexander Liebreich durch einen verhaltenen Duktus und ein gutes Fundament in den tiefen Streichern. Der Zwiespalt der Liebenden offenbarte sich vor allem im Mittelteil mit den gedämpften Geigen und den tremolierenden Linien. Eine erzählende Klangrede und illustrierende Klangkulisse wurde im leidenschaftlich bewegten Finale entfaltet.

Direkt und schonungslos


Viel Energie forderte Schostakowitschs 14. Symphonie von den Orchestermusikern, vom Dirigenten Alexander Liebreich, den Solisten Tatiana Monogarova (Sopran) und Sergei Leiferkus (Bass), aber auch vom Publikum ein. Das Werk entfaltete Totenlieder, die Gefühle der Enttäuschung, des Hasses, der Resignation, Einsamkeit und Trostlosigkeit in musikalische Gestalten goss. In der Dichte der Aussage und der zugespitzten Klangsprache von Schostakowitsch war diese Aufführung am späten Abend ziemlich schwere Kost. Umso beeindruckender wirkten die detailreich ausgeformte Werkdeutung und das konzentriert zuhörende Publikum. Tatiana Monogarova sang die Sopranparts intensiv und mit einem bewundernswerten Ambitus, sodass die emotionale Bandbreite der Lieder authentisch zur Geltung kam. Ebenso imposant formte Sergei Leiferkus seine Parts aus.

Das Orchester spielte die resolut und mit hartem Schlagwerk bespickte Musik prägnant und straff. Dass Dmitri Schostakowitsch während des Entstehungsprozesses zu diesem Werk in einem physischen und psychischen Ausnahmezustand lebte, war gut nachvollziehbar. Die Klanggewalt auf der einen Seite und die facettenreiche, total reduzierte Instrumentierung auf der anderen Seite lotete Alexander Liebreich am Dirigentenpult hervorragend aus. Am eindrücklichsten wirkte dabei die Vereinzelung in den klein besetzten Passagen, wenn beispielsweise ein Musiker solo spielte oder zwei ganz in sich gekehrt minimalistische Motive mehrfach wiederholten.