Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Silvia Thurner · 16. Sep 2013 · Musik

Große Wirkung durch große Zurückhaltung – Die Orgelsymphonie zu 6 Händen von Michael Floredo wurde in St. Gallen hervorragend aufgenommen

Michael Floredo hat als Komponist seinen Weg gefunden. Das wurde beim Orgelkonzert in der Kathedrale St. Gallen erlebbar, wo seine Orgelsymphonie "St. Florian" interpretiert wurde. Benjamin Guélat, Jürgen Natter und Matthias Maierhofer gestalteten unter der Leitung von Matthias Giesen und unterstützt vom Registranten Andreas Etlinger in einem gemeinsamen Kraftakt eine aussagekräftige Werkdeutung. Die vielgestaltigen kompositorischen Facetten sowie die außergewöhnlichen Klangfarbenspiele der Musik wurden transparent erfahrbar gemacht.

Michael Floredo komponierte das gigantische Werk im Auftrag der „Internationalen Brucknertage“. Vor drei Jahren wurde die Orgelsymphonie in St. Florian erstmals gespielt. Als Reminiszenz an sein großes Vorbild Anton Bruckner, hat der in Altach lebende Michael Floredo das Werk in vier traditionellen Sätzen angelegt. Es ist kaum vorstellbar, wie ein Werk klingen wird, das für drei Organisten konzipiert ist, die mit Händen und Füßen an einem Orgeltisch im Einsatz sind. Wenn man weiß, dass Michael Floredo die große Form und Klangmassen liebt, stellt man sich eine pompöse, raumfüllende Musik vor. Groß war deshalb die Erwartungshaltung und die Neugier, welches Klangerlebnis die Aufführung nun tatsächlich bieten wird.

Kontrastreiche Felder und gute Verbindungslinien


Eine Überraschung für mich war, dass Michael Floredo sparsam aus dem Vollen schöpfte und die Möglichkeiten, die ihm die Orgel bot, zurückhaltend und durchdacht einsetzte. An keiner Stelle wirkte die Musik aufgebläht oder mit Effekten aufgeladen, viel mehr ergaben sich die musikalischen Gestalten aus einem durchdachten Aufbau und gut nachvollziehbaren Verklammerung der Themen.

Michael Floredo setzte in seiner Orgelsymphonie kontrastreiche Klangfelder gegeneinander, ließ markante Themenbildungen durch den Tonraum wandern und stellte diese immer wieder in anderen Klang- und Registerfarben sowie Wirkzusammenhängen dar. Eine Qualität des Werkes lag überdies in den markanten und gut fassbaren Themen. Sie blieben bereits beim erstmaligen Hören in Erinnerung und formten inhaltliche Klammern aus, die einen stringenten inneren Zusammenhang stifteten. In allen Teilen der Symphonie nahmen Tonsymbole und charakteristische Intervalle sowie bildhaft fließende (Wasser)Motive und Naturlaute einen bedeutenden Stellenwert ein. Innerhalb des Werkganzen boten sie Freiraum für eigene Assoziationen. Ausgewogen proportioniert wirkte der Einsatz von ruhig verweilenden Klangfeldern im Wechsel mit vorwärtsdrängenden, rhythmisch angelegten Themen und ostinaten Bassgängen.

Beobachtungen


Vor allem im ersten Satz bauten die Organisten Klangtürme auf, die eine schubartige Wirkung hatten. Beeindruckend an diesen Klangmassen war vor allem der strahlende Obertonaufbau, der sich trotz der Intensität in der Lautstärke bildete.

Im langsamen Satz wurden suchende Gesten sowie ein gut nachvollziehbares Frage-und-Antwort-Spiel entfaltet. Pedaltöne bewirkten einen starken Klanggrund. Ein absteigendes Thema und Tonrepetitionen prägten das Scherzo. Einzig im Trio verlor sich der bis dahin stets präsente Zusammenhang zwischen den einzelnen musikalischen Gedanken etwas. Doch im Finalsatz bündelten sich die Energien wieder, wie eine theaterartige Szene öffnete sich das Aktionfeld der motivisch-thematischen Gestalten. Die thematischen Felder waren konträr, aber gut proportioniert abgesteckt. Auch der letzte Satz beinhaltete wirkungsvolle Kulminationspunkte, doch endete die Symphonie mit einem reduzierten Gestus, so dass sich der Kreis zum Anfang hin schloss, wo die Musik aus schwingenden Luftsäulen herauskristallisiert wurde.

Eindringliche Wirkung


Dem Höreindruck nach wirkte die Musik transparent und über weite Strecken lichtdurchflutet gesetzt, ganz im Gegensatz zu den Bedingungen unter denen die drei Organisten agierten. An sie wurden höchste Ansprüche gestellt, einerseits aufgrund des engen Orgeltisches, andererseits durch die feingliedrig und exakt ineinander verzahnten und fließenden Gesten. Das Werk hinterließ einen tiefen Eindruck und die Interpreten verdienen höchste Anerkennung für ihr souveränes Spiel. Begeistert und im Wissen derart unerhörte Klänge nicht so bald wieder zu hören, applaudierten die zahlreichen KonzertbesucherInnen herzlich.