"Rickerl – Musik is höchstens a Hobby" derzeit in den Vorarlberger Kinos (Foto: 2010 Entertainment / Giganten Film)
Fritz Jurmann · 06. Feb 2014 · Musik

Gilda in der Badewanne, der Herzog im Feinripp – Eine freche, musikalisch hochkarätige Inszenierung von Verdis „Rigoletto“ am Landestheater

Nachdem vor drei Jahren die Regie bei Mozarts „Zauberflöte“ am Landestheater ziemlich in die Hosen gegangen ist, macht es Intendant Alexander Kubelka seither lieber selber. Am Mittwoch präsentierte er, nach „Liebestrank“ und „La Traviata“, mit Verdis „Rigoletto“ seinen Hattrick: eine freche Inszenierung, die erfrischend aus der Reihe tanzt, staunen lässt, die amüsiert und – mit kleinen Einschränkungen – auch eine so relativ lange Oper überaus kurzweilig macht. Dass diese Produktion dank Besetzung und dem Debütanten Alexander Drcar am Pult des blendend aufgelegten Symphonieorchesters Vorarlberg auch musikalisch auf einem bislang kaum erreichten Niveau steht, macht das Vergnügen vollkommen. Der Jubel am Kornmarkt war groß und berechtigt.

Der Herzog als brutaler Lustmolch


Da steht, kaum dass sich der Vorhang gehoben hat, eine Nackte auf der Bühne. Das ist im Theater längst keine Sensation mehr, aber bei uns doch eher überraschend. Kubelka zeichnet damit den Herzog von Mantua als brutalen Lustmolch, der sich notfalls auch mit Gewalt die Damen zu eigen macht, wenn er ihnen wie in diesem Fall coram publico das Kleid vom Leib reißt. Rigoletto, der bucklige Hofnarr, ist stets um Nachschub für seinen Herrn bemüht, der sich im Fall des Falles ebenfalls bis auf tiefschwarzes Feinripp entblößt. So lange, bis es um Rigolettos eigene Tochter Gilda geht und der Spaß zu blutigem Ernst wird. Dass diese ihre berühmte Koloraturarie „Caro nome“ in einer mit Wasser gefüllten Badewanne singt, ist ein hübscher Einfall, dass sie das in weißer Unterwäsche tut, lässt doch die letzte Konsequenz bei der Regie vermissen.

In Personalunion hat sich Alexander Kubelka auch als Bühnenbildner betätigt und ein gewaltiges, schneeweißes Element ersonnen, das auf der Drehbühne eine Unzahl von Möglichkeiten für Innen- und Außenräume eröffnet. Es ist Festschauplatz ebenso wie Verlies für Gilda, die ihr Vater gefangen hält, es offenbart eine Treppe, auf der die Todgeweihte am Schluss zusammenbricht, eine Spiegelung, die die Sicht auf Dirigenten, Orchester und das Publikum ermöglicht, und ist Schauplatz einer Henkerszene und eines Mordes. Dass sich das Ding im Laufe des Abends etwas zu oft dreht, mag dem kindlichen Spieltrieb des Regisseurs geschuldet sein ebenso wie die Tatsache, dass der Herzog im Laufe des Abends wie dereinst Jesus an Christi Himmelfahrt an zwei Schnüren gen Himmel erhoben wird und den Augen seiner Vasallen entschwindet. Auch, warum es zwischendurch immer wieder schneien muss, ist schwer zu verstehen.

Klare Charakterdefinitionen


Außer diesen kleinen Überziehungen, bei denen Alexander Kubelka etwas der Gaul durchgegangen ist, bietet er eine sehr klare, übersichtliche Personenregie mit Charakterdefinitionen an, die das turbulente Geschehen deutlich machen. Die simultane Übertitelung oberhalb der Bühne hilft da nur bedingt, weil die Schrift bei voll erleuchteter Bühne zu wenig hell und damit nicht sehr gut lesbar ist. Für Kubelka sind auch die Herren des Bregenzer Festspielchores (Einstudierung Benjamin Lack) nicht nur eine stimmgewaltige Bereicherung, sondern auch ein packendes, kompakt geführtes Bewegungselement.

Ein besonderes Augenmerk wird diesmal auf Kostüm und Maske verwendet. Andrea Hölzl hat sich von der japanischen Origami-Kunst und historisierenden Anleihen zu wunderbar duftigen Papier-Gebilden in Schwarz und Weiß für die Damen inspirieren lassen, die bewusst eine Art Märchencharakter vermitteln wollen und vor den kahl weißen Wänden zusammen mit den schwarz gekleideten Choristen große stilistische und farbliche Einheit der Szene ergeben. Dass der Herzog selber und manche aus seiner Gefolgschaft als grell geschminkte Rocker oder Zombies auftreten, unterstreicht nur dessen von Machtgelüsten und Intrigen geprägte Denkweise.

Prima la Musica


Kubelka sorgt aber erfreulicherweise auch dafür, dass in seiner lustvoll überschäumenden Fantasie von Einfällen die Musik stets ihren berechtigten Platz hat und niemals zu kurz kommt. Der international tätige Münchner Dirigent Alexander Drcar, den man im Vorjahr anhand von Strawinskys „Sacre“ am Pult des SOV kennengelernt hat, überzeugte schon damals und erweist sich nun als Glücksfall eines Operndirigenten, der seinerseits in Interviews die Klangqualität und Flexibilität des Orchesters nicht genug loben kann. Die Musiker danken es ihm durch uneingeschränkten Einsatz.

Mit seiner reichen Erfahrung, seiner hohen Intelligenz und einem ausgeprägten Klangsinn modelliert Drcar diese wundervoll farbenreiche und packende Musik in vielen Details aus. Er lässt, wo nötig, das Orchester in voller Schönheit aufblühen, scheut sich auch nicht vor knalligen Ausbrüchen, pflegt aber vor allem in der äußerst rücksichtsvollen Sängerbegleitung einen zurückhaltend kammermusikalischen Stil. Kleine Unsauberkeiten in den Streichern überhört man gerne angesichts einer imponierenden Gesamtleistung und dieser neuen Künstlerfreundschaft, die vielleicht zu Folgeerscheinungen mit weiteren koproduzierten Opern im Programm des Landestheaters führen könnte. Ein optimistischer Kubelka bei der Premierenfeier: „Wir wollen dieses wunderbare Orchester dort hinauf heben, wo es hingehört.“

Ein Südkoreaner als Rigoletto ist der Star des Abends


Unangefochtener Star einer hochklassigen Besetzung, vor allem der drei fordernden Hauptpartien, ist der Südkoreaner Leo An in der Titelrolle, ein begnadeter Sing-Schauspieler von enormer Bühnenpräsenz, bei dem von Anfang an klar wird, dass hinter der Maske des Narren der Schmerzensmann lauert, der den Tod seiner Tochter zu beklagen hat. Sein strömendes Legato ist mustergültig, seine Italianità beeindruckend, die Leuchtkraft seines Baritons übertönt locker jedes Fortissimo des Orchesters.

Den Mexikaner Jesús León als Herzog kennt und schätzt man als Alfredo vom Vorjahr. Seine mit reichlich Metall versehene Höhe ist immer noch phänomenal, etwas mehr Farbgebung würde der Stimme noch gut tun. Die Spanierin Arantza Ezenarro als Gilda stellt glaubhaft die Wandlung von der kindlich naiven Verliebten zur reifen, opferbereiten Frau dar, stimmlich kommt sie mit ihrem nicht sehr großen, aber edlen Sopran nach verhaltenem Beginn zusehends in Fahrt und bewältigt ihre mit Spannung erwartete Koloraturarie mit Bravour.

Auch die heimische Sängerszene vertreten


Erstmals in diesem Rahmen ist der heimischen Mezzosopranistin Veronika Dünser eine größere Rolle anvertraut. Als Maddalena darf sie marionettenhaft wie die Puppe Olympia in „Hoffmanns Erzählungen“ den Herzog bezirzen („Eine interessante Stimme und ein sinnliches Weib“, so Kubelka über sie bei der Premierenfeier). Sie wird am Ende aber auch, entgegen dem Libretto, zur verruchten Mörderin, die die als Mann verkleidete Gilda als vermeintlichen Herzog ersticht. Etwas blutarm bleibt Markus Raab als Graf von Monterone, gefällt dafür als Sparafucile. Lavinia Dames in gleich drei Partien, Martin Mairinger und die beiden heimischen Kräfte Johannes Schwendinger und Michael Schwendinger schaffen kleine, aber wichtige Miniporträts.

Die Opernpremiere am Landestheater wird von Jahr zu Jahr verstärkt auch ein gesellschaftliches Ereignis. Auch diesmal sind u. a. LH Markus Wallner, sein Vorgänger Herbert Sausgruber, Ex-Kulturlandesrätin und Bürgermeisterin Andrea Kaufmann sowie Prominenz aus Kultur und Wirtschaft anwesend und diskutieren ebenso wie die Besucher schon in der Pause und vor allem bei der anschließenden Premierenfeier intensiv über diese außergewöhnliche Opernproduktion.

 

Weitere Vorstellungen im Theater am Kornmarkt, Bregenz:

7., 11., 13., 15., 19., 21. und 26. 2., jeweils 19.30 Uhr, sowie 9. und 23. 2., jeweils 16.00 Uhr
Dauer gut zweieinhalb Stunden inklusive Pause