Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Silvia Thurner · 19. Sep 2016 · Musik

Ganz in die Welt der Orchestermusik abgetaucht – das Debütkonzert der neu gegründeten „Quarta 4 Länder Jugendphilharmonie“ unter der Leitung von Christoph Eberle war ein Erfolg

Der ehemalige Mitbegründer und langjährige Leiter des Symphonieorchesters Vorarlberg, Christoph Eberle, hat ein neues Jugendorchester gegründet. Mit Spannung wurde der erste Auftritt erwartet, denn bereits im Vorfeld hat das Vorhaben aufgrund von negativen Begutachtungen von Seiten der Kunstkommission und anderer Persönlichkeiten des Landes für Diskussionsstoff gesorgt. Doch nun war im voll besetzten Angelika Kauffmann-Saal die Jugendphilharmonie mit Werken von Debussy, Haydn und Dvorak am Wort. Mit ihrer Spielfreude und dem unmittelbar spürbaren Willen zur musikalischen Gestaltung überzeugten Musikerinnen und Musiker zwischen zwölf und vierundzwanzig Jahren. Die hervorragende Cellistin Julia Hagen setzte mit ihrer Deutung des Haydn C-Dur Konzertes den Darbietungen des Abends die Krone auf.

Christoph Eberle hat für das Debütkonzert ein durchdachtes Konzertprogramm zusammengestellt. Einleitend erklang die feinsinnige „Petit Suite“ von Claude Debussy. Mit diesem tänzerischen Werk konnten sich die über sechzig Orchestermusikerinnen und –musiker an die Atmosphäre im Saal gewöhnen und ihre erste Nervosität ablegen. Etwas zurückhaltend, fast schüchtern, aber sehr konzentriert auf die musikalischen Themenführungen entfalteten die Orchestermusiker die einzelnen Sätze. Wenngleich der Streicherklang noch etwas inhomogen wirkte, kam Debussys spezifische Klangcharakteristik schön zur Geltung.

Persönliche Gestaltungskraft

Die aus Salzburg stammende Cellistin Julia Hagen (Tochter des Cellisten Clemens Hagen) ist eine Vollblutmusikerin. Dies war schon nach den ersten Takten in Haydns Konzert für Violoncello und Orchester (Hob. VIIB:1) nachvollziehbar. Mit einem ideenreichen musikalischen Zugriff modellierte sie die Themengestalten zu körperhaften Wesen. Das Adagio erklang mit einer warmen Tongebung, Leittöne und melodische Bögen führte Julia Hagen feingliedrig aus. Im virtuosen Finalsatz stellte die 21-jährige Cellistin ihre ganze Virtuosität und Persönlichkeit unter Beweis. In höchsten Lagen spielte sie federnd artikulierte Spielfiguren und entwickelte damit einen mitreißenden Drive.
Versehen mit einer kräftigen Continuogruppe formte das Orchester die Themen schwungvoll. Dabei wirkten die Orchestermusiker präsent im Tutti und gleichzeitig ließen sie sich kommunikativ auf Dialoge mit der Solistin ein.

Licht und Schatten

In der „Quarta Jugendphilharmonie“ musizieren Schüler und Studierende aus Vorarlberg, Süddeutschland, Liechtenstein und der Ostschweiz. Die Jugendlichen fanden über Einladung oder Empfehlung zueinander. Gut vorbereitet trafen sie sich zu einer intensiven Probenwoche in Bizau. Dass dabei die Noten der 8. Symphonie von Antonin Dvorak am meisten auf den Notenpulten gelegen sind, war am Konzertabend gut nachvollziehbar. Bereits nach der lyrischen Einleitung kristallisierte sich der Esprit, der diese Musik auszeichnet, heraus. Kräftige Wechsel zwischen aufbäumenden und ruhigen Passagen, helle und dunkle harmonische Farben, Korrespondenzen zwischen den Streichern und den Holzbläser und ein schwelgerischer Grundton zeichneten die Spielart des Orchesters aus.

Losgelöst

Und dann geschah das, was bei Debussy noch nicht so gelingen wollte. Der musikalische Fluss setzte sich in Bewegung, die Jugendlichen legten ihre Zurückhaltung ab, sie formten die Musik mit einem gemeinsamen Atem, phrasierten die tänzerischen Themen und Motive schwungvoll und musizierten mit Mut zum Risiko. Eine große Erwartungshaltung wurde im Adagio aufgebaut und aus den Fragmenten die melodische Linie transparent heraus geführt. Gleichzeitig begannen die harmonischen Farben in den Instrumentengruppen zu leuchten. In gelöster Stimmung entfaltete sich der slawische Charakter im Allegro grazioso, das leidenschaftlich bewegt modelliert wurde. In diesem Duktus erklang auch der Finalsatz. Nicht alles lief ganz gerade, aber die Werkdeutung wirkte mitreißend und authentisch.

Sicherheit und Motivation

Christoph Eberle zeigte seine Meisterschaft als Dirigent. Er dirigierte konzentriert und detailreich auf das Wesentliche bedacht. In aufbrausenden Fortepassagen motivierte er die Musiker und schaffte es innerhalb kürzester Zeit, wogende Klangflächen in ein ruhiges Piano zu führen. Weil er das gesamte Konzertprogramm auswendig dirigierte, war er ganz bei den Musikern. Es ist klar, dass die Klangbalance der Streicher nach dieser ersten Probenwoche noch ausbaufähig ist, doch zahlreiche solistische Passagen aus den Reihen der Holz- und Blechbläser lenkten immer wieder die Aufmerksamkeit auf sich.
Das Debütkonzert ist geglückt und weckte das Interesse für die weitere Entwicklung dieses neuen Jugendorchesters.

Zum Weiterdenken

Im Rahmen von fünf Konzerten in den größten Sälen des Landes präsentiert die „Quarta Jugendphilharmonie“ ihr erstes erarbeitetes Programm. Das ambitionierte Vorhaben wurde ohne öffentliche Subventionen auf die Beine gestellt, weil die Entscheidungsträger von Seiten des Landes und in weiterer Folge die internationale Bodenseekonferenz sowie die Subventionsgeber der EU eine finanzielle Unterstützung abgelehnt haben.
Es wurde argumentiert, dass Musikschüler und Studierende genügend Gelegenheiten geboten werden, um Orchestererfahrungen zu sammeln und deswegen ein zusätzliches Orchester in Vorarlberg unnötig sei. Außerdem befürchten einige Orchesterleiter an Musikschulen, dass ihre Aufbauarbeit untergraben wird, wenn die begabtesten Jugendlichen, die alle über sehr knappe zeitliche Ressourcen verfügen, aus den Schulorchestern abgeworben werden. Wahrscheinlich standen sich auch konträre Vorstellungen bezüglich der Subventionshöhe gegenüber.

Momentan wird der – wohl noch nicht abgeschlossene – Entscheidungsprozess auf dem Rücken der Jugendlichen ausgetragen. Das kann und darf nicht die Intention von Entscheidungsträgern, Kulturpolitikern und Pädagogen sein. Denn was kann man sich noch wünschen als einen anerkannten Dirigenten mit zeitlichen Ressourcen, der Lust und den Willen hat, mit Jugendlichen professionell zu arbeiten und hoch motivierte Jugendliche, die sich auf derart hohem Niveau mit Haut und Haaren auf die Musik und das Zusammenwirken einlassen?
Genau diese junge Pflanze nicht mit der Subventions-Gießkanne zu versorgen, wäre meiner Meinung nach ein Fehler.

Tipp:
Weitere Konzerte der „Quarta 4 Länder Jugendphilharmonie“
Freitag, 23.9.2016, Kurhaus Scheidegg, 19:30 Uhr
Samstag, 24.9.2016, Festspielhaus Bregenz, 19:30 Uhr

www.quarta4.org