Ethan Coen hat seinen ersten Spielfilm als Soloregisseur gedreht: „Drive-Away Dolls“. (Foto: Focus Features)
Silvia Thurner · 07. Sep 2017 · Musik

Energien gebündelt – die Musikerinnen und Musiker der „Quarta 4 Länder Jugendphilharmonie“ unter der Leitung von Christoph Eberle gaben ihr Bestes und wurden herzlich gefeiert

Im vergangenen Jahr gründete Christoph Eberle die projektorientiert arbeitende "Quarta 4 Länder Jugendphilharmonie". Bereits in der zweiten Auflage mutete er den Mitwirkenden viel zu. In einer mehrtätigen Probenphase studierte das 80-köpfige Jugendorchester Kompositionen von Wolfgang Amadeus Mozart und Gustav Mahler ein. Die Werkdeutungen werden in mehreren Konzerten, unter anderem im Bregenzer Festspielhaus, präsentiert. Mozarts einleitend musizierte Ouvertüre zu „Idomeneo“ wirkte noch etwas verhalten. Sicherheit bot die Interpretation von Mozarts Klarinettenkonzert mit dem bewundernswert spielenden Klarinettisten Alex Ladstätter. Dann ging das Jugendorchester mit Mahlers erster Symphonie aufs Ganze. Zahlreiche Solistinnen und Solisten lenkten die Aufmerksamkeit auf sich, besonders der langsame Satz berührte.

Die Anspannung der Musikerinnen und Musiker zwischen 14 und 26 Jahren war am Beginn ihres großen Auftritts im Bregenzer Festspielhaus spürbar. Viele Musikinteressierte waren der Einladung gefolgt. Mit der Ouvertüre zu Mozarts Oper "Idomeneo" eröffneten die Jugendphilharmonie und Christoph Eberle den Abend. Während die großen Linien gut phrasiert erklangen, wirkte das Orchester im Detail etwas zurückhaltend. Besonders der weiche Orchesterklang lenkte die Aufmerksamkeit auf sich.

Sicherheit geboten

Mit Alex Ladstätter hat Christoph Eberle einen hervorragenden Solisten zur Zusammenarbeit eingeladen. Überdies betreute der Klarinettist während der Probentage als Coach die Bläser der „4 Länder Jugendphilharmonie“. Bereits im November des vergangenen Jahres hat Alex Ladstätter Mozarts Klarinettenkonzert in Vorarlberg gespielt. Nun begeisterte er abermals mit einer sensiblen Werkdeutung und versetzte das Publikum unter anderem mit seinem klangsinnlichen Pianoton in Staunen. Dem Jugendorchester gab der Solist vor allem in den Ecksätzen Sicherheit, denn der Fokus lag bei ihm. Alex Ladstätter spielte die virtuosen Passagen makellos und betonte den atmenden Duktus in den langsamen Passagen. Besonders schön gelang das Zusammenwirken mit den Orchestermusikern im Adagio.

Ein Kraftakt

Die Energien wurden bis zuletzt gebündelt, denn mit Mahlers erster Symphonie stand ein Kraftakt bevor. Das groß angelegte Werk begann mit einer spannend entfalteten Klangfläche, die die Ohren schulte und die Aufmerksamkeit auf eine fein abgestimmte Intonation sowie schwebende Klänge lenkte. Daraus entwickelte sich der musikalische Fluss in dicht verwobenen melodischen Linien. In den Konturen wurden diese gut nachgezeichnet und zu wuchtigen Kulminationen geführt. Für die Musiker stellten die schroffen thematischen Gegensätze, teilweise auf engstem Raum gegeneinander geführt, eine große Herausforderung dar. Die Jugendlichen gaben alles, hafteten jedoch abschnittweise (noch) zu sehr an der Partitur, so dass die Kontraste der „Überzeichnung“ mitunter noch etwas zu „ebenmäßig“ wirkten.

Schöne Soli und ein klangsinnlicher Duktus zeichneten den dritten Satz aus. Das Finale wirkte in sich ungestüm, verströmte viel Energie und es gelangen bemerkenswerte Übergänge zwischen den sich auftürmenden Tonschichtungen und ruhigen Passagen. Allerdings wurden aufgrund der Länge des Werkes und des schwierigen musikalischen Satzes auch Grenzen erlebbar. Die „Quarta 4 Länder Jugendphilharmonie“ und Christoph Eberle widmeten den Konzertabend den im vergangenen Jahr verstorbenen Freunden, Förderern sowie Mentoren Heinrich Schiff und Eugen Bertel. Mit herzlichem und begeistertem Applaus feierte das Publikum die „4 Länder Jugendphilharmonie“ und den Dirigenten Christoph Eberle.

Zu guter Letzt

In der „4 Länder Jugendphilharmonie“ spielen hervorragende junge Musikerinnen und Musiker aus Vorarlberg, Süddeutschland, der Ostschweiz und Liechtenstein. Ein Blick in die Orchesterreihen machte deutlich, dass der Großteil der Orchestermitglieder am Vorarlberger Landeskonservatorium studiert. Das bedeutet, dass die Initiatoren der 4-Länder Jugendphilharmonie für ihr Projektorchester auf einer guten Basis aufbauen, die während des gesamten Jahres erbracht wird.

Den Jugendlichen Möglichkeiten zum gemeinsamen Musizieren zu bieten, ist eine gute Sache. Sie stößt auf Interesse, wie die große Orchesterbesetzung und der Publikumszuspruch im Festspielhaus zeigten. Allerdings wirkt die „4-Länder Jugendphilharmonie“ mit ihren Aktivitäten genau am Ende der Ferienzeit weniger als Ergänzung, sondern als Konkurrenz zu bereits etablierten Probenwochen. Nicht wenige Jugendliche werden so in einen unnötigen Interessens- und Loyalitätskonflikt gezwungen.

Christoph Eberle propagiert, dass er unter professionellen Bedingungen arbeiten möchte, um Jugendlichen Einblicke in die Arbeitswelt eines Orchestermusikers zu bieten. Dass die Jugendlichen alles geben, hervorragend ausgebildet und leistungsfähig sind, war im Konzert eindrücklich zu erleben. Ihr großer Gestaltungswille und die energiegeladene Spielart machen die jugendlichen Musikerinnen und Musiker über jede Kritik erhaben. Es liegt jedoch in der Verantwortung des künstlerischen Leiters, mit jungen Musikern Kompositionen zu erarbeiten, die auch passend erscheinen. Einem projektorientiert arbeitenden Jugendorchester, das erst die zweite Saison tätig ist, sollte die Werkauswahl die Gelegenheit bieten, seine ureigene musikalische Ausdruckskraft darzustellen. Mit der ersten Symphonie von Gustav Mahler war dies meiner Wahrnehmung nach schwer möglich. Ob also hinter Christoph Eberles Entscheidung, genau dieses Werk auf das Programm zu setzen, nicht ein gehöriges Quantum egozentrischer Überlegungen gestanden ist, muss an dieser Stelle offen bleiben.

 

 

Weitere Konzerte der "Quarta 4 Länder Jugendphilharmonie"
Freitag, 8.9. Waldorfschule Wangen
Samstag, 9.9. Vaduzer Saal
Sonntag, 10.9. Montforthaus Feldkirch
Beginn: 19:30 Uhr