Fouad Boussouf mit einer österreichischen Erstaufführung des Stückes „Fêu“ zu Gast beim „Bregenzer Frühling“ (Foto: Antoine Friboulet)
Silvia Thurner · 15. Jän 2018 · Musik

Emotionale Musik und bewegende Werkdeutungen – der Cellist Kian Soltani, der Dirigent Leo McFall und das Symphonieorchester Vorarlberg berührten die Menschen

Lange hat es gedauert bis das Symphonieorchester Vorarlberg den heimischen Cellisten Kian Soltani zum gemeinsamen Musizieren einlud. Im Rahmen des vierten Abonnementkonzertes war es nun endlich so weit und der Publikumsandrang so groß, dass das Montforthaus in Feldkirch und das Bregenzer Festspielhaus die interessierten Konzertbesucherinnen und –besucher nicht fassen konnte. Wer Kian Soltani bei einem Konzert bereits erlebt hat, weiß von seiner hoch musikalischen, packenden Spielart und atemberaubenden Tongebung. So war die Deutung des Cellokonzertes in e-Moll, op. 85 von Edward Elgar ein einmaliges Erlebnis. Auch der englische Dirigent Leo McFall gab sein Debüt mit dem SOV und überzeugte mit den subtilen und stilvollen Werkdeutungen sowie seinem Dirigat auf allen Linien.

Kian Soltani konnten Musikliebhaber hierzulande bereits bei der Schubertiade Hohenems und mit dem Kammerorchester Arpeggione erleben. Als Kammermusiker begeisterte er stets durch sein Gespür für die musikalisch mitteilsame Phrasierung und seinen warmen Celloklang. Diese Qualitäten und das kommunikative Zusammenwirken des Solisten mit den Orchestermusikern machte die Deutung des Orchesterkonzertes von Edward Elgar zu einem intensiven Hörerlebnis. Über die souveräne Spieltechnik von Kian Soltani muss man keine Worte verlieren. Aber seine großartige Tongebung, mit der er jeden einzelnen Ton zum Ereignis macht, versetzt mich jedes Mal aufs Neue in Staunen. So variabel und warm, selbst in wirbelnd schnellen Passagen und bis in höchste Lagen, habe ich bislang kaum einen Cellisten musizieren gehört. Die Bogenführung von Kian Soltani zu beobachten, die Leichtigkeit seiner Klanggestaltung und die nuancierten Tonqualitäten zu erfahren, war ein Erlebnis, das noch lange nachwirken wird.

Intim und emotionsgeladen

Mit seinem emotionalen Spiel erfüllte der charismatische Künstler Elgars Cellokonzert mit individueller Aussagekraft. Bereits die erste Solopassage illustrierte, dass Kian Soltani den erzählenden Duktus und die Kommunikation mit den Orchestermusikern betonen wird. So war der Solist auch als Zuhörender zu erleben, der feinsinnige Dialoge mit dem Orchester aufnahm und weitertrug. In diesem gegenseitigen Geben und Nehmen entwickelten alle gemeinsam eine besondere Sensibilität für den musikalischen Verlauf. Durch die ausgezeichnete Pianokultur jeder Stimmgruppe wurde der intime Charakter der Musik betont. Sehr viel gäbe es über interpretatorische Einzelheiten zu berichten. Doch diese Werkdeutung hat besonders berührt und das ist weit mehr, als es zu beschreiben gibt.

Zwei Kulturen in der musikalischen Persönlichkeit vereint

Mit Saint-Saens’ „Schwan“ bedankten sich Kian Soltani und das SOV für den stürmischen Applaus. Schade, dass es nicht mehr zu einer zweiten Zugabe kam. Kian Soltani stammt aus einer persischen Familie, die persische Volksmusik prägte seine Kindheit. Deshalb liegt ein ebenso bedeutender Teil seiner musikalischen Persönlichkeit in der persisch-arabischen Musikkultur begründet. Dies wäre mit der Darbietung persisch inspirierter Musik erfahrbar gewesen.

Auch Kleinigkeiten austariert

Die gut ausgewählte Werkzusammenstellung beinhaltete auch die Passacaglia op. 33b aus der Oper „Peter Grimes“ von Benjamin Britten. Die großen inneren Spannungsverhältnisse stellte das Orchester mitreißend dar. Auch hier kam der hervorragend austarierte Gesamtklang besonders zur Geltung, angefangen vom fast „tonlosen“ Bratschensolo von Milan Radic bis hin zum abebbenden Pianissimo am Ende.

Es ist bekannt, dass das SOV nach einem neuen Chefdirigenten Ausschau hält. Auch aus diesem Grund wurden die Werkdeutungen des international aufstrebenden Dirigenten Leo McFall mit großem Interesse erwartet. Alle interpretatorischen Zugänge überzeugten, doch am meisten beeindruckte Leo McFalls Fähigkeit, jede einzelne Passage klanglich auszuloten und transparent durchhörbar zu machen. Auch kleine, nur vermeintlich unscheinbare Passagen erhielten innerhalb des Gesamtgeschehens eine überraschende Leuchtkraft. Die Aufmerksamkeit lenkte überdies die gepflegte Pianokultur auf sich, denn damit entwickelten sich die Themengewichtungen überaus spannend.

Dies war auch in Sergej Prokofjews Auszügen aus den Suiten 1 und 2 des Balletts op. 64 „Romeo und Julia“ erfahrbar. Die Konfrontationen zwischen den Montagues und Capulets, die Liebe von Romeo und Julia, Tybalts Tod und der tragische Verlauf mit der abschließenden Szene „Romeo am Grabe Julias“ stellten Leo McFall und das SOV mitreißend dramatisch, emotionsgeladen und zugleich innig dar.

Leo McFall zeichnete sich durch ein sehr präzises und zugleich gefühlvolles Dirigat aus, das die Orchestermusikerinnen und –musiker zur Hochform führte.

Tipp
Soeben ist die Debüt-CD von Kian Soltani bei der Deutschen Grammophon erschienen. Gemeinsam mit seinem Freund Aaron Pilsan am Klavier spielte der Cellist im Markus Sittikus Saal in Hohenems Werke von Schubert, Schumann und Reza Vali sowie sein eigenes Stück den „Persischen Feuertanz“ ein.
Das Album „Home“ ist ab 9. Februar im Fachhandel erhält.

Das Konzert nachhören:
Abokonzert 4 auf Radio Vorarlberg
9. und 16. April, jeweils ab 21 Uhr 
"Das Konzert"