"Rickerl – Musik is höchstens a Hobby" derzeit in den Vorarlberger Kinos (Foto: 2010 Entertainment / Giganten Film)
Silvia Thurner · 26. Feb 2016 · Musik

Inspirierende Erfahrungen – Eine fünfköpfige Jury prämierte das Siegerteam des Konzertdramaturgiewettbewerbs „Hugo 2016“

Mit der Auslobung des Wettbewerbes „Hugo“ geben Hans-Joachim Gögl und Folkert Uhde den „Montforter Zwischentönen“ ein besonderes Image. Der erstmals ausgeschriebene Preis für eine exklusive Konzertdramaturgie führte 2015 zu einem herausragenden musikalischen Ereignis im Feldkircher Schwurgerichtssaal. In diesem Jahr haben sich Studierende von drei musikalischen Ausbildungsstätten - das Landeskonservatorium Feldkirch, die Musikhochschule Nürnberg und die Universität Salzburg - am Wettbewerb beteiligt. Die Projektpräsentationen und Jurierung des Siegerprojektes im Feldkircher Montforthaus war ein erfahrungsreicher und spannender Prozess.

Eine knisternde Anspannung lag zu Beginn des Pitches um den begehrten „Hugo 2016“ für die beste Konzertidee in der Luft. Fünf Teams aus Nürnberg und Feldkirch – die Salzburger sind kurzfristig ausgestiegen – hatten wohl eine intensive Vorbereitungszeit, denn alle Wettbewerbsteilnehmerinnen und –teilnehmer haben sich Außergewöhnliches zum Thema „Innehalten – Pause, Muße, Auszeit“ einfallen lassen. Bemerkenswert waren die vielschichtige Vorbereitung der Studierenden und die Qualität der Projektpräsentationen. Neben großen rhetorischen Leistungen beinhalteten die Kurzbeiträge auch moderne Präsentationsformen und beeindruckende musikalische Beiträge. Das prämierte Konzertprojekt wird im schönen Ambiente der Johanniterkirche im Sommerprogramm der „Montforter Zwischentöne“ zu erleben sein.

Die transparente Vorgehensweise mit dem öffentlich zugänglichen „Hearing“ zur Entscheidungsfindung und der im Vorfeld stattfindende Workshop mit den Studierenden sind ein Spezifikum der „Montforter Zwischentöne“. Wohl auch deshalb fand der Wettbewerb bereits im vergangenen Jahr ein großes Medienecho. Unter anderem berichtete der SWR und der Bayerische Rundfunk war im Montforthaus dabei. In Zukunft wird der Wettbewerb in einem noch größeren Radius ausgeschrieben, denn auch die Beteiligung von Schweizer Musikhochschulen wird angestrebt.

Unterschiedliche Zugänge


Während sich die Studierenden aus Nürnberg in ihren Konzertideen mit schlüssig abgerundeten Werkfolgen darauf konzentrierten, für ihr Publikum einen kontemplativen Rahmen zu schaffen, verfolgten die beiden Teams aus Feldkirch ein anderes Ziel. Sie reflektierten teilweise mit einer überbordenden Fülle an Ereigniseinheiten Charakteristika des Innehaltens und bezogen Gegenpole wie Hektik oder Routine mit ein.

Die Jury mit der Akkordeonistin Irene Urbach von der Musikhochschule Nürnberg sowie Sarah Wedl-Wilson, Vizerektorin des Mozarteum Salzburg, mit Peter Schmid vom Landeskonservatorium Feldkirch, Wolfgang Burtscher, ehemaliger Intendant des ORF Landesstudios, und Folkert Uhde, Initiator des Wettbewerbs und künstlerischer Leiter der „Montforter Zwischentöne“,  war vielseitig zusammengesetzt. Ihre wertschätzenden, jedoch nicht unkritischen Kommentare sowie die konstruktiven Anregungen waren für die Studierenden sicher lehrreich. Überdies beinhalteten die Statements der Jury für das anwesende Publikum interessante Einsichten und neue Erkenntnisse.

Hervorragende Präsentationen


Gleich das erste präsentierte Projekt war sehr eindrucksvoll. Der Blockflötist Martin Weigert hat seinen Konzertvorschlag unter dem Leitgedanken „Auszeit vom Gewohnten – DARK MATTERS. Was hören wir, wenn wir nichts sehen?“ konzipiert. Der blinde Musiker spielte anhand einer Gehpartitur auf der Blockflöte das Werk „Path I“ von Katharina Susanne Müller mit einer bewundernswerten Spieltechnik, die sogleich die Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Martin Weigerts Konzertidee besteht im Wesentlichen darin, neue Kompositionen in ein Hörspiel einzubetten und die Zuhörenden die Schall- und Musikereignisse in Dunkelheit erfahren zu lassen.

Einen anderen Zugang wählte das Team „Kontrapunkt“ mit Katharina Lechner, Viviane Hirschi und Badamsuren Gangaabazar. Unter dem Motto „Pause – zwischen Flucht und Genuss“ legten sie ein „Gesamtkunstwerk“ vor, das mit allen Sinnen spielt. Während Metronome und eine Spielzeugeisenbahn die gemessene Zeit versinnbildlichen, gliedern Werke von Boulez, Vivaldi und Prokofjew sowie eine Motette von Brahms den Abend in psychologisch ausdeutende Zeitabschnitte. Licht und Tanz sowie Gerüche werden miteinbezogen, denn am Ende bietet eine Kaffeerösterei die Gelegenheit, in die Welt des Genusses abzutauchen.

Ein dichtes Happening aus Musik, Schauspiel und Text präsentierte das Team „Kollektiv“ mit Raphael Brunner und Juan Carlos Diaz-Bueno. Die beiden stellten eine Installation aus drei Uhren - die Uhren wurden extra in Kolumbien angefertigt - ins Zentrum ihrer Konzertdramaturgie. Die eine Uhr läuft normal, die zweite misst die Zeit sehr schnell und die dritte läuft rückwärts. In unterschiedlichen Besetzungen werden einander Gegensatzpaare gegenübergestellt und auch der Platz vor der Johanniterkirche wird miteinbezogen. Der Musikbeitrag des Akkordeonisten und Flötisten sprach für sich selbst.

Neue Perspektiven schaffen möchte die Blockflötistin Johanna Steinborn mit ihrer exklusiven Konzertidee. Sie legte mit bewundernswerter Ruhe und Ausgeglichenheit ihre Gedanken zum Motto „Feuer, Wasser, Eis – as piano as possible“ dar. Die exquisite Werkauswahl mit neuen Kompositionen sowie ein Livestreamvideo aus der Raumstation „ISS“ schaffen die Möglichkeit einer kontemplativen Auszeit. Auf der Altblockflöte spielte Johanna Steinborn eine Passage aus dem Werk Melodie von Louis Andriessen, die aufhorchen ließ.

Den fünften Konzertentwurf verfasste die ukrainische Sängerin Khrystyna Pichkurenko mit Liedern des finnischen Komponisten Jean Sibelius. Sie umkreist in ihrem Programm die Themen Heimat und Naturverbundenheit, in den Mittelpunkt stellt sie den Atem und Wandlungsprozesse. Authentisch zeigte sie auf, in welcher Form auch gesellschaftliche Veränderungen einbezogen werden können.

Die Sieger


Am Ende waren alle Sieger, allerdings stand nur ein „Hugo“ zur Verfügung. Deshalb musste sich die Jury für ein Team entscheiden. Mit drei von fünf Stimmen erhielt das Team „Kontrapunkt“ den Auftrag, seine Konzertidee für die Johanniterkirche in die Realität umzusetzen.

Auf die Performance am 20. Juni 2016 darf man gespannt sein.