Fouad Boussouf mit einer österreichischen Erstaufführung des Stückes „Fêu“ zu Gast beim „Bregenzer Frühling“ (Foto: Antoine Friboulet)
Silvia Thurner · 20. Mai 2016 · Musik

Ein direkter Ausdruck der Leidenschaft – Daniel Hope und Anders Kjellberg Nilsson sowie das Kammerorchester Basel boten einen faszinierend farbenreichen Saisonsabschluss

Wenn der Geiger Daniel Hope und das Kammerorchester Basel gemeinsam auf der Bühne musizieren, ist ein besonderer Musikgenuss garantiert. Das Konzert im Rahmen von „DornbirnKlassik“ bildete in mehrerlei Hinsicht den großartigen Abschluss eines sehr erfolgreichen Abonnementjahres. Präsentiert wurde als „Tribute an Jehudi Menuhin“ ein variantenreich zusammengestelltes Programm, das einen Bogen von der Barockzeit bis in die Gegenwart spannte. Das Orchester trat als Barock-Consort gleichermaßen souverän auf wie als Kammerorchester mit aktuellen Kompositionen. Jede und jeder war sich seiner Eigenverantwortung bewusst, und so entwickelte sich eine mitreißend farbenreiche Musizierart.

Die Leitung des Konzertabends teilten sich der Konzertmeister des Kammerorchester Basel, Anders Kjellberg Nilsson, und Daniel Hope. Gemeinsam musizierten sie als Solisten Antonio Vivaldis Concerto für zwei Violinen, Nr. 8, a-Moll, RV 522 und zogen sogleich das Publikum in ihren Bann. Die Themen erklangen mit federnder Leichtigkeit artikuliert, dabei setzten die Musiker voll auf Kontraste zwischen Themen, Tonartencharakteristika und dynamischen Gegensätzen. Feinsinnig stellten sie den schwebenden Klang im Larghetto in den Raum. Die ätherische Stimmung wurde sodann in einem Funken sprühenden Allegro mit straff ausgeführten Phrasierungsbögen wieder aufgelöst.

Historisches und modernes Instrumentarium


Nach dieser inspirierenden Eröffnung stiegen die Erwartungshaltung und die Spannung, denn es stellte sich die Frage, wie das in Vivaldis Werk als Barock-Consort musizierende Orchester nun Philip Glass’ „Echorus“ für 2 Soloviolinen und Streichorchester, entstanden im Jahr 1995, interpretieren würde. Der international renommierte Geiger Daniel Hope ist für seine außergewöhnliche Wandlungsfähigkeit bekannt. Bei jedem Werk klingt seine Geige dem musikalischen Ausdruck entsprechend anders, wunderbar farbenreich und feinsinnig. Und genau so spielten auch Anders Kjellberg Nilsson und das Kammerorchester Basel. Der gemeinsame Atem implizierte in „Echorus“ eine große musikalische Weite. Gemeinsam spannten die Musiker einen breit angelegten Crescendobogen.

Sehnsucht und Trauer in Musik gefasst


Den Höhepunkt des Abends stellte die Interpretation des Divertimentos für Streichorchester von Béla Bartok dar. Vom Konzertmeisterpult aus leitete Anders Kjellberg Nilsson das Orchester. Die eigentümliche Diskrepanz zwischen dem Werktitel, der auf ein vergnügliches Werk schließen ließ, und der unterschwellig bedrohlichen Stimmung, die Béla Bartok 1939 in Musik gefasst hat, kam voll zur Geltung. Verzweiflung, Aufbegehren, Angst, wehmütige Erinnerung, Ironie und vieles andere fanden in dieser Musik einen Ausdruck. Energie geladen und mit kräftigen Strichen wurden die Zielpunkte der Phrasierungsbögen anvisiert. Die Musikerinnen und Musiker reagierten sehr flexibel und präsent aufeinander, erzeugten mit insistierenden Tonrepetitionen Flächen und aufbrausende harmonische Abschattierungen. Am deutlichsten nachvollziehbar war die Zerrissenheit in einer tänzerischen Passage, zu der die harmonischen Farben in einem absurden Verhältnis standen.

Das Molto adagio spielten die Musiker in großer Einigkeit. Es war miterlebbar, wie sie auf den eigenen Klang hörten und so die Tonqualitäten mit einem intensiven Vibrato steigerten. Darüber hinaus bewirkten die Tonschichtungen aufgewühlte Reibungsflächen. Teilweise kontrapunktisch wurden die Themen im Finalsatz geführt, Einblendungen erinnerten an die vorangegangenen Sätze, ein lyrisches Thema mit jüdischem Touch und die Anspielungen auf die Pizzicato-Polka, wurden mit wirbelnden Gesten hinweggefegt.

Veilseitige Werkauswahl


Ähnlich faszinierend verlief auch die zweite Konzerthälfte mit Bachs Konzert für 2 Violinen, Streicher und Continuo (BWV 1043). „The unfinished journey“ von Bechara El-Khoury ist im Auftrag von Daniel Hope im Jahr 2009 entstanden. Es ist Jehudi Menuhin gewidmet und wurde im Dornbirner Kulturhaus auch als Tribut an den Mentor, Lehrer, Kollegen und großen Humanisten, der vor 100 Jahren geboren wurde, dargeboten. Intensiv in der Tongebung und mit ganzer Hingabe spielte Daniel Hope das meditative Werk, das musikalisch den Orient mit dem Okzident verbindet.

Abschließend präsentierten das Orchester und Daniel Hope das Violinkonzert in d-Moll, das Felix Mendelssohn-Bartholdy im Alter von dreizehn Jahren komponiert hat. Jehudi Menuhin hatte das Werk wieder entdeckt und bekannt gemacht. Auch in Dornbirn versetzte die Musik das Publikum in Staunen, zahlreiche außergewöhnliche Ideen zogen die Aufmerksamkeit auf sich. Selbstverständlich erklang auch diese Komposition in einer bewundernswert vielgestaltigen Werkdeutung.

Amüsante und sympathische Schlusspunkte


Als Zugabe lenkte Daniel Hope schließlich die Aufmerksamkeit auf das amüsante Werk „Vivaldi recomposed“ seines Freundes Max Richter. Und weil das Publikum die sympathischen Musiker gar nicht gerne gehen ließ, stimmte Daniel Hope noch „Guten Abend, gut’ Nacht“ an und prompt summten und sangen die beglückten Konzertbesucherinnen und –besucher mit. Einen erfüllteren Abschluss einer erfolgreichen Abosaison kann man sich nicht wünschen.