"Rickerl – Musik is höchstens a Hobby" derzeit in den Vorarlberger Kinos (Foto: 2010 Entertainment / Giganten Film)
Silvia Thurner · 01. Mai 2018 · Musik

Drei starke Persönlichkeiten mit gleicher Blickrichtung – große Deutungen von Klaviertrios bei der Schubertiade Hohenems

Wenn der Geiger Renaud Capucon, der Cellist Kian Soltani und der Pianist Lahav Shani im Trio miteinander musizieren und noch dazu zwei derart monumentale Klaviertrios wie Dvoraks Opus 65 in f-Moll und Tschaikowskis Opus 50 in a-Moll interpretieren, ist Großes zu erwarten. So geschehen bei der Schubertiade Hohenems, wo die drei Musiker die beiden Werke musikalisch souverän deuteten und zugleich jeder mit seiner ureigenen Persönlichkeit erlebbar war.

Renaud Capucon, Kian Soltani und Lahav Shani bildeten ein hervorragendes Trio. Im Spiel und auch in der Körperhaltung war der kammermusikalische Geist spürbar, mit dem die drei Musiker ihre Werkdeutungen beseelten. Ein stetes Geben und Nehmen zeichnete vor allem die beiden Streicher aus.
Naturgemäß hat es der Pianist in dieser Dreierrunde schwerer. Auf der einen Seite verkörpert er sozusagen den „Orchesterpart“, auf der anderen Seite soll sich der Pianist möglichst darum bemühen, auf seinem Instrument zu singen. Die erste Rollenzuschreibung füllte Lahav Shani hervorragend aus. Er formte die Modulationen und harmonischen Verläufe in schönen Farben und feinsinnig abgewogenen Gewichtungen aus. Hier zeigte sich auch die große Gestaltungskraft von Lahav Shani, der nicht nur als Pianist, sondern auch als Dirigent überaus beeindruckende Werkdeutungen formt. Erst vor zwei Monaten begeisterte er am Pult der Wiener Symphoniker das Publikum im Rahmen der Bregenzer Meisterkonzerte.
Im Hinblick auf die Entfaltung der melodischen Linien in einem ausgeglichenen Verhältnis zu den beiden Streichern agierte Lahav Shani abschnittweise jedoch eher dominant und den Klangraum beherrschend. Dies verlieh den Werkdeutungen zwar Esprit und Drive, drängte jedoch vor allem den Cellopart mitunter zu stark in den Klanghintergrund.

Entwicklungsprozesse intensiv nachgezeichnet

Antonin Dvorak entwickelte im Klaviertrio Opus 65 seinen musikalischen Ausdruck hin zu seinem Vorbild Johannes Brahms. Die Entwicklungsprozesse der sich ständig vergrößernden motivischen Zellen sowie das Ausloten der dynamischen Gegensätze zeichneten die Musiker mit höchster Intensität nach. Unter anderem kamen diese Qualitäten in der voluminösen Tongebung des Geigen- und Celloparts und insbesondere in den akkurat parallel geführten Linien zur Geltung.
Das kauzig folkloristische Thema im Scherzo gestaltete das Trio humorvoll. Dabei waren der Rollentausch in den melodischen Linien sowie die Freude an rhythmischen Variationen gut nachvollziehbar. Feinsinnig ausgestaltet wirkte das Poco adagio, in dem neben der emotionalen Themengestaltung der Geige die sonore Tiefe des Violoncellos die Aufmerksamkeit auf sich zog.
Hervorragend artikuliert und mit großer Aussagekraft stellten die Musiker den Finalsatz in den Raum. Überraschende Wendungen und das gegenseitige Aufschaukeln der Stimmführungen, unterbrochen durch eine markant gesetzte Generalpause, verströmten eine mitreißende Wirkung.
Dvoraks Klaviertrio in f-Moll wird oft als eher düsteres Werk bezeichnet, in dem die dunkle Färbung der Molltonart den Grundtenor bildet. In der Werkdeutung von Renaud Capucon, Kian Soltani und Lahav Shani war die stetige Aufhellung der Weg und somit die Entwicklung vom Dunkel zum Licht nicht nur dem letzten Teil vorbehalten.

Passende Werkkombination

Ideal zu Dvoraks Klaviertrio passte das für die gleiche Besetzung komponierte Werk - ein Epitaph in Memoriam Nikolaj Rubinstein - von Pjotr I. Tschaikowski. Die elegische Grundstimmung kristallisierten die drei Musiker mit ihrer emotionsgeladenen Gestaltungskraft heraus. Feinfühlig reichten Renaud Capucon und Kian Soltani einander die melodischen Motive weiter und Lahav Shani nahm sie auf. In dynamischen Steigerungen trieben sie den musikalischen Fluss zu symphonischer Größe, um sodann in lyrischen Abschnitten das Geschehene zu reflektieren.
In gegenseitigem Einverständnis erklangen die Variationen, in denen die flinken Girlanden des Klavierparts und die unterschiedlichen Spieltechniken der Streicher die Aufmerksamkeit erregten. Die unterschiedlichen Tanztypen vom Walzer über die Mazurka bis zum Trauermarsch wirkten dramatisch und inspirierend zugleich.
Eine Bereicherung war das hebräische Lied „Jerusalem of Gold“, das Lahav Shani schon vor Jahren für Klaviertrio arrangiert hatte. Mit diesem bedankten sich die sympathischen Musiker beim Publikum für den frenetischen Applaus.