Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Silvia Thurner · 05. Dez 2016 · Musik

Distanz und Hingabe lagen nahe beieinander – das Symphonieorchester Vorarlberg und Gérard Korsten begeisterten, Anika Vavic enttäuschte

Beim zweiten Abonnementkonzert führte das Symphonieorchester Vorarlberg unter der Leitung von Gerard Korsten mit Werken von Penderecki, Rachmaninoff und Tschaikowsky in die klangschwelgerische musikalische Welt Osteuropas. Im Mittelpunkt stand die international gefeierte Pianistin Anika Vavic, doch ihre Werkdeutung von Rachmaninoffs Rhapsodie op. 43 wirkte allzu routiniert. Begeisterung löste die vielschichtige Interpretation der vierten Symphonie von Tschaikowski aus, denn die Orchestermusiker und Gerard Korsten liefen zu Hochform auf und spielten „auf Teufel komm raus“.

Als Einstimmung in den Konzertabend schien Pendereckis „Serenade für Streichorchester“ geeignet. Das SOV kristallisierte in der Passacaglia das immer wiederkehrende Thema mit transparenten Linienführungen heraus und auch den elegischen Charakter des Larghettos unterstrichen die Musiker wirkungsvoll. Aber Pendereckis Serenadenmusik wirkte in der kompositorischen Anlage verstaubt und so  plätscherte die Musik ziemlich selbstgenügsam dahin.

Wenig Kontakt zum Orchester

Mit Spannung wurde der Auftritt der aus Belgrad stammenden, seit Jahren in Wien lebenden Pianistin Anika Vavic und ihre Werkdeutung der Rhapsodie über ein Thema von Paganini, op. 43 von Sergei Rachmaninoff erwartet. Doch es blieb bei der Vorfreude, denn mehrere Umstände wirkten einem erfreuenden Hörerlebnis entgegen. Anika Vavics Spiel war virtuos, keine Frage, aber sie musizierte auf eigentümliche Art seelenlos. Praktisch ohne Kontakt zum Orchester legte die Pianistin ihren Part dar. Ungenauigkeiten in der Koordination zwischen der Solistin und dem Orchester sowie der dumpfe Klang des Flügels im Bregenzer Festspielhaus trübten zudem den Eindruck.
Auch den Solisten ist es selbstverständlich erlaubt, eine Partitur als Gedankenstütze zu verwenden. Allerdings war bei dieser Aufführung die Assistentin zum Umblättern so weit hinten platziert, dass sie alle paar Sekunden von hinten zwei Schritte nach vorne zum Klavier zu machen hatte, um dann die völlig abgegriffenen Partiturseiten ziemlich geräuschvoll umblättern zu können. Dies störte die gesamte Aufführung empfindlich.

Kompensiert

Es schien, als ob die Orchestermusikerinnen und –musiker das mangelnde Gespür der Solistin für das Miteinander auszugleichen versuchten. Die vielschichtig ineinander verzahnten melodischen Floskeln des Orchesterparts erklangen energiegeladen ausgeformt und die einzelnen Stimmgruppen wurden schillernd ineinander verwoben. Sehr präsent und sinnlich wirkten die langsamen Passagen, durchzogen von poesievollen Soli aus den Reihen der Holz- und Blechbläser, die immer wieder die Aufmerksamkeit auf sich lenkten.

Mitreißende Höhen und Tiefen

Dass das Orchester in Hochform ist, zeigte sich in der zweiten Konzerthälfte. Spannend und voller Elan, hingebungsvoll und spontan entfalteten die Musiker, temperamentvoll geleitet von Gérard Korsten, die vierte Symphonie von Peter I. Tschaikowsky. Das autobiografische Werk offenbart die Höhen und Tiefen des depressiven Komponisten wie kaum ein zweites. Die Musik strahlt ein schicksalhaftes Ausgeliefertsein ebenso aus wie Zuversicht und Leidenschaft. Diese Charakteristika formte das SOV dramatisch heraus, nie lärmend, sondern eher durch eine Pianokultur bestimmt, die das Aufbegehren in Crescendo-Schüben umso mehr zur Geltung brachte. Viele Einzelheiten könnten an dieser Stelle genannt werden, die diese Werkdeutung so besonders machten. Herausragende Soli aus den Reihen der Holz- und Blechbläser, die feinsinngen Akzentuierungen der Schlagwerker sowie die gut disponierten Streicher trugen alle auf ihre Weise ihren Teil zu dieser bewundernswert und detailreich ausformulierten Musik bei. Am Ende gab es Jubel für diese eindrückliche Werkdeutung, die wohl niemanden unberührt ließ.