Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Silvia Thurner · 17. Okt 2014 · Musik

Die große Lust am gemeinsamen Gestalten – Das Swedish Radio Symphony Orchestra unter der Leitung von Daniel Harding und der Pianist Lars Vogt belebten die Sinne

Das erste Bregenzer Meisterkonzert musste zwar mit der Absage von Christian Tetzlaff als Solisten über die Bühne gehen, es war aber trotzdem ein herausragendes Ereignis. Ganz kurzfristig war der Pianist Lars Vogt als Solist des dritten Klavierkonzertes von Ludwig van Beethoven eingesprungen. Gemeinsam mit dem Swedish Radio Symphoy Orchestra und Daniel Harding am Dirigentenpult gelang eine Werkdeutung, die rundum begeisterte und für gute Stimmung sorgte. Einleitend ließ das Orchester mit dem Werk „Cold Heat“ von Anders Hillborg aufhorchen. Eine gute Ergänzung war die eindringlich dargebotene zweite Sinfonie von Robert Schumann.

Es kommt selten vor, dass ein Orchester auf Tournee zeitgenössische Musik im Gepäck hat. Doch das Swedish Radio Symphony Orchestra und Daniel Harding eröffneten die neue Saison der Bregenzer Meisterkonzerte im Festspielhaus mit einem erst dreijährigen, groß angelegten Orchesterwerk von Anders Hillborg. Die Musiker entfalteten die pendelnden Energieverläufe transparent und lagerten auf diese Weise unterschiedliche Tonschichten und Motivfragmente übereinander. Die große immanente Kraft des Werkes, mit reibenden Klängen und schönen harmonischen Färbungen, kam durch die transparente Spielart des Orchesters schön zum Ausdruck und die Musik entwickelte sich zu einem organischen Ganzen.

Eine gezackte Streicherpassage führte weiter in einen Abschnitt, in dem das perkussive Moment mehr im Vordergrund stand. In dieser Passage wirkte die Musik mitunter etwas überladen und fast zu sehr auf den antreibenden Effekt ausgerichtet, doch das abrupte Ende und die Ausdünnung des Satzes sowie das abschließende lyrische Cellosolo führten das Werk zu einem aussagekräftigen Schluss.

Ein vergnügtes Miteinander


Lars Vogt genießt als Pianist einen hervorragenden Ruf und seine an der Kammermusik orientierte Musizierhaltung belebte auch die Interpretation des dritten Klavierkonzertes von Ludwig van Beethoven. Viele hatten den Geiger Christian Tetzlaff mit Freude erwartet, doch Lars Vogt hatte das Publikum bald auf seiner Seite. Seine humorvolle und aufwühlende Energie und die Art, tatkräftig in die Tasten zu greifen auf der einen Seite sowie die total in sich gekehrte Ruhe, in der sich die Zeit aufzuheben schien, auf der anderen Seite, war ein Erlebnis der Sonderklasse. Dass sich Lars Vogt mit den Orchestermusikern und mit dem Dirigenten Daniel Harding bestens verstand, war auf Anhieb spürbar. Der Spielwitz und die grenzgängerisch amüsanten Wechselspiele zwischen dem Orchester und dem Solisten, aber auch zwischen einzelnen Musikern und dem Pianisten verliehen der Interpretation einen ganz besonderen Charme. Höhepunkt war die Kadenz im ersten Satz, in der Lars Vogt jeden einzelnen musikalischen Gedanken zelebrierte und plastisch in den Raum stellte.

Emotionale Gegenwelten


Auch die zweite Sinfonie von Robert Schumann erklang in einer guten Werkdeutung. Die emotionalen Gegensätze zwischen Fröhlichkeit und Schwermut kamen hervorragend zur Geltung. Dass Schumann während des Kompositionsprozesses dem Kontrapunkt von Johann Sebastian Bach nahe war, kristallisierte sich in plastisch modellierten Imitationsmustern und kontrapunktischen Linienführungen zwischen den Instrumentengruppen heraus. Die Lust an der musikalischen Gestaltung war im dynamischen Miteinander der Musiker mit ihrem Chefdirigenten nachzuvollziehen.