Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Fritz Jurmann · 19. Aug 2016 · Musik

Das Jubiläumsjahr bescherte den Bregenzer Festspielen einen Erfolg auf allen Linien

Interessanter und vielfältiger kann man das 70-Jahr-Jubiläum eines internationalen Festivals wohl nicht feiern, als es den Bregenzer Festspielen mit ihrer diesjährigen Saison auf allen Linien gelungen ist. Insofern sah man auch nur fröhliche Gesichter beim Leading Team, das bei einer Pressekonferenz am Freitagvormittag auf der Parkterrasse an der Rückseite der riesigen Seetribüne das vorläufige Ergebnis der zu Ende gehenden Saison präsentierte.

Vorläufig deshalb, weil noch drei „Turandot“-Vorstellungen ausstehen, die hier optimistisch als gespielt bilanziert wurden. Wenn es dabei bleiben sollte, wäre sogar in diesem wettermäßig durchwachsenen Sommer nur eine der 24 Seeaufführungen ausgefallen, und die Saison dürfte mit knapp 213.000 Besuchern eine der erfolgreichsten der gesamten Festspielgeschichte gewesen sein. In der gewohnt locker-kompetenten Moderation von Pressesprecher Axel Renner reflektierten Festspielpräsident Hans-Peter Metzler, Intendantin Elisabeth Sobotka und der kaufmännische Direktor Michael Diem die vergangenen aufregenden Wochen und kamen dabei einhellig zur Ansicht, dass es besser wohl kaum hätte laufen können.

„Kunst finanziert Kunst“


Auch diesmal sei der berühmte Spagat zwischen künstlerischem Anspruch und kommerzieller Anziehungskraft auf das Publikum in besonderem Maße gelungen. Mit den Einnahmen der populären Seeproduktion wurde ein in seiner Vielfalt und Qualität heuer besonders attraktives weiteres Programm ermöglicht, getreu dem von Elisabeth Sobotka vorgegebenen Motto „Kunst finanziert Kunst“.

Präsident Metzler zeigte sich „extrem glücklich“, wie hervorragend das Festival mit seinen vielen Spielplätzen wie See, Haus, Werkstattbühne, Landestheater und KUB dank des großen Einsatzes aller Beteiligten heuer funktioniert habe. Auch wenn es keine thematische Klammer gegeben habe, sei für ihn eine deutliche Klammer an herausragender Qualität bei allen Produktionen spürbar gewesen, deren Spannung bis zu den beiden Premieren in der letzten Festspielwoche durchgehalten habe.

Bestbesuchte Puccini-Oper


Intendantin Sobotka verwies mit Stolz darauf, dass Puccinis „Turandot“ die bestbesuchte Puccini-Oper der Festspielgeschichte sei, von der sie nun als ihrer ersten Seeproduktion schweren Herzens Abschied nehmen müsse. Michael Diem ergänzte, die Wiederaufnahme von „Turandot“ sei mit 160.000 Besuchern und 94 Prozent Auslastung besser besucht gewesen als das jeweils zweite Jahr von Erfolgsproduktionen am See wie „La Bohème“, „Tosca“ und sogar „Aida“. Mit ausschlaggebend dafür war auch der Stempel, den der italienische Dirigent Paolo Carignani der Produktion aufgedrückt habe. Er wird nächstes Jahr dort auch die Nachfolgeproduktion mit Bizets Oper „Carmen“ leiten. Der See sei aber, so Diem, entgegen landläufiger Meinung, absolut kein Selbstläufer. So gebe es für dieses Wochenende noch Restkarten. Entscheidend für eine ausgeglichene Bilanz sei ebenso auch die Unterstützung durch internationale und regionale Sponsoren.

Besonders stolz ist man bei den Festspielen rückblickend darauf, dass es heuer auch gelungen ist, das eigentliche Jubiläum der Gründung des „Spiels auf dem See“ mit einer zweiten Seebühne auf einem Kieskahn im Bregenzer Gondelhafen nachzustellen. Mozarts Singspiel „Bastien und Bastienne“ vermittelte am Tag vor der Eröffnung bei freiem Eintritt rund 1.800 Besuchern einen liebevoll aufbereiteten, möglichst authentischen Eindruck, wie es wohl im ersten Festspielsommer 1946 dort gewesen sein mag.

Anspruch abseits der Seebühne


Besonderen Zuspruch eines offensichtlich immer zahlreicher werdenden anspruchsvollen Publikums erfuhren die Bregenzer Festspiele heuer abseits der Seebühne auch mit ihren weiteren Produktionen. Die wiederentdeckte Oper „Amleto“ nach Shakespeares Schauspiel „Hamlet“ des Italieners Franco Faccio war die eigentliche künstlerische Sensation dieses Festspielsommers und soll dem Vernehmen nach von Häusern in Italien und Deutschland übernommen werden. Die drei Vorstellungen waren mit 4.600 Besuchern ebenso zu 100 Prozent ausgebucht wie die zweite Produktion im Rahmen des Opernstudios mit jungen internationalen Profisängern, die mit großem Engagement an vier Abenden Mozarts „Don Giovanni“ ins Kornmarkttheater brachten (1.940 Besucher).

Für Hans-Peter Metzler ist neben diesen Projekten im konventionellen Bereich am See und im Haus, mit denen die Bregenzer Dramaturgie des früheren Intendanten Alfred Wopmann weiterentwickelt wurde, auch die dritte Säule mit der Neuen Musik und aktuellen Musiktheater-Produktionen auf der Werkstattbühne gerade heuer enorm wichtig geworden. Die Austro-Tragödie „Staatsoperette“ von Otto M. Zykan fand an zwei Abenden so begeisterten Zuspruch, dass kurzerhand die Generalprobe geöffnet werden musste. Auch Miroslav Srnkas beklemmendes Stück „Make no noise“ fesselte zwei Mal Publikum und Kritik. Auch hier wurden jeweils 100 Prozent Auslastung verzeichnet. Die „Staatsoperette“ wird von der Wiener Kammeroper übernommen, „Make no noise“ vom Festival Neuer Musik in Ostrava.

Warum nicht öfter?


Womit sich für den Beobachter die Frage auftut, ob man in Zukunft bei unbekannten Werken wie auch „Hamlet“ bei der Anzahl der Aufführungen nicht etwas mehr Vertrauen in die Risikofreude des Publikum haben und diese Produktionen öfter ansetzen sollte. Dies wäre freilich auch wiederum mit höheren Kosten verbunden und damit letztlich eine Frage der Rentabilität.

Auf 90 Prozent Auslastung mit 5.600 Besuchern kommen die heuer ausgezeichnet aufgenommenen drei Orchesterkonzerte der Wiener Symphoniker unter qualifizierten Dirigenten. Das vierte Orchesterkonzert mit dem Symphonieorchester Vorarlberg unter Gérard Korsten und dem Dornbirner Ausnahmepianisten Aaron Pilsan ist für kommenden Sonntag 11.00 Uhr angesetzt.

Die Mauer muss weg


Nur wenige Stunden nach der letzten „Turandot“-Vorstellung beginnt am Montagvormittag der Kulissenabbau der 72 m breiten und 27 m hohen chinesischen Mauer auf der Seebühne. Ab Oktober werden dann die ersten Holzpfähle für das Bühnenbild von Bizets „Carmen“ in den Seegrund gerammt, die als „Spiel auf dem See“ die nächsten beiden Festspieljahre dominieren soll. Diese Oper wurde zuletzt in den Jahren 1991 und 92 am See gespielt und verzeichnete damals einen Besucherrekord. Vielleicht davon angespornt, wurde laut Michael Diem die höchstmögliche Anzahl von 28 Vorstellungen für 2017 angesetzt. Der Kartenvorverkauf dafür beginnt bereits diesen Sonntag pünktlich ab 21.00 Uhr.

Nicht viel mehr als die Aussage, dass es „etwas mit Spielkarten“ zu tun haben werde, ließ sich Intendantin Elisabeth Sobotka zum Konzept dieser Neueinstudierung entlocken. Neu für Bregenz ist jedenfalls das Leading Team mit Kasper Holten als Regisseur und der Bühnengestalterin Ed Devlin. Als Hausoper wird Rossinis „Moses in Ägypten“ gezeigt, in einer Inszenierung der Niederländerin Lotte de Beer gemeinsam mit dem Theaterkollektiv Hotel Modern. Dirigieren wird der Italiener Enrique Mazzola, den man heuer im dritten Orchesterkonzert als überaus kundigen und temperamentvollen Maestro kennengelernt hat.

 

Die Bregenzer Festspiele 2017 finden von 19. Juli bis 20. August statt.
Details unter www.bregenzerfestspiele.com