Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Silvia Thurner · 23. Apr 2015 · Musik

Das feinsinnige musikalische Gespür des Julian Rachlin – Der Geiger und Dirigent gestaltete mit dem „English Chamber Orchestra“ ein herausragendes Meisterkonzert

Die Bregenzer Meisterkonzerte machten eine Wiederbegegnung mit dem Violinisten Julian Rachlin möglich. Vor vielen Jahren musizierte er als junger Erwachsener mit dem Symphonieorchester Vorarlberg unter der Leitung von Christoph Eberle und schon damals begeisterte Julian Rachlin mit seiner großen Ausdruckskraft. Im Bregenzer Festspielhaus war der inzwischen Vierzigjährige in der Doppelrolle als Solist und Dirigent mit Werken von Mozart und Mendelssohn Bartholdy zu erleben. Dass er auch als Orchesterleiter viel zu sagen hat, stellte er eindrucksvoll unter Beweis. Gepaart mit der sensiblen Musizierhaltung des „English Chamber Orchestra“ war dieses Meisterkonzert ein Highlight der aktuellen Saison.

Ohne Podium und Partitur trat Julian Rachlin vor das Orchester und dirigierte einleitend die Ouvertüre zu Mozarts Oper „Le nozze di Figaro“. Vom ersten Ton an zog die Werkdeutung die Konzertbesucherinnen und –besucher in ihren Bann, denn ganz aus dem rhetorischen Geist der Musik heraus modellierten Julian Rachlin und das „English Chamber Orchestra“ das mitteilsame Werk. Das Tempo war gut bemessen und so entfalteten der luftig leichte, gut ausgewogene Orchesterklang sowie die noble Pianokultur ihre volle Wirkung.

Mit Leichtigkeit

Die feinsinnige Spielart, die jedem Ton sein Gewicht verlieh, nie des Effektes wegen die Gesten aufbrausen ließ, sondern ganz aus einem kammermusikalischen Verständnis heraus verstanden wurde, verlieh auch dem berühmten Violinkonzert op. 64 von Felix Mendelssohn Bartholdy eine große Strahlkraft. Für Julian Rachlin schien es auch als aktiv Musizierender ein Leichtes zu sein, den Solopart in ein gutes Verhältnis zum Orchester zu stellen. Die unmittelbare Kommunikation des Solisten mit dem Orchester bewirkte viele Schattierungen und musikalische Wendungen, die das Hören auf ständig neue Perspektiven lenkte.

In großer Eigenverantwortung stimmten die Orchestermusikerinnen und -musiker ihr Spiel aufeinander ab. Sie trugen den Solisten mit einer sehr aufmerksamen Zurückhaltung. Punktgenau immer dann, wenn der ganze Orchesterklang gefragt war, wurde dieser unmittelbar in den Raum gestellt. Neben der exzellenten Klangkultur könnten an dieser Stelle noch viele einzelne Beobachtungen aufgelistet werden, die diese Interpretation zu einem faszinieren musikalischen Erlebnis machten. Julian Rachlin spielte locker und sehr auf die Klangqualitäten jedes einzelnen Tones seiner melodischen Linien bedacht. Besonders in Erinnerung blieb der vehemente Aufforderungscharakter, mit dem Julian Rachlin die aufbrausenden Gesten im Finalsatz einforderte. Die Orchestermusiker folgten ihm virtuos.

Intensive musikalische Erzählströme

In diesem Sinn formten das „English Chamber Orchestra“ auch die vierte Sinfonie von Felix Mendelssohn Bartholdy, die Italienische. Weil Julian Rachlin alle Werke des Abends auswendig dirigierte, war er mit ganzer Konzentration und Aufmerksamkeit bei den Musikern, die er mit klarer und ausdrucksstarker Körpersprache dirigierte. Die Themencharaktere, korrespondierende Motive, aus der Stille heraus geformte Passagen, elegant ausgeformte Verzierungen und virtuos ausgelotete Einheiten, die die rhythmische Komponente optimal zur Geltung brachten, sind nur ein paar Aufzählungen dieser inspirierenden Interpretation.