Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Silvia Thurner · 14. Mai 2017 · Musik

Bunter Mix – das Symphonieorchester Vorarlberg und Gérard Korsten nahmen sich zum Saisonsabschluss zu viel vor

Zum Abschluss der Abonnementsaison lotete das Symphonieorchesters Vorarlberg unter der Leitung von Gérard Korsten mit einem Werk von Georg Friedrich Haas mikrotonale Zusammenklänge aus, musizierte mit Xavier de Maistre ein Harfenkonzert, wendete sich schließlich der „Maurischen Trauermusik“ von Mozart zu und spielte Schuberts berühmtes Streichquartett „Der Tod und das Mädchen“ in der Version für Streichorchester. Die Musikerinnen und Musiker gestalteten die Werkdeutungen ambitioniert aus, dennoch hinterließ der Konzertabend im Montforthaus Feldkirch in mehrerlei Hinsicht einen unbefriedigenden Eindruck.

Georg Friedrich Haas ist in den vergangenen Jahren zu einem der weltbekanntesten und erfolgreichsten Komponisten avanciert. Seine Jugend verbrachte der Komponist in Vorarlberg, seit drei Jahren unterrichtet er in New York. Er komponiert mit Mikrointervallen und orientiert sich dabei an der Obertonreihe. So erreicht Georg Friedrich Haas sehr fein nuancierte Tonqualitäten, die fein verwebt, im Zusammenklang Schwebungen oder Reibungen bis hin zu strahlend ebenmäßigen, reinen Intervallen herauskristallisieren.

Im Auftrag des Münchener Kammerorchesters komponierte Georg Friedrich Haas die „chants oubliés“. Vor vier Jahren wurde das Werk im Rahmen der Abonnementreihe „Dornbirn Klassik“ in Vorarlberg präsentiert. Wie in mehreren Kompositionen von Georg Friedrich Haas diente auch für dieses Werk tradierte Musik als Inspirationsquelle. Es sind die besondere Klanglichkeit, das Ausloten großer Tonräume, die blockartig zusammengefügten melodischen Gedanken und deren „Brüchigkeit“ im Zusammenklang in Franz Liszts späten Stücken, die die Grundlage für Haas’ „chants oubliés“ bildeten. Um den Klangraum erlebbar zu machen, hat der Komponist die Stimmgruppen der Streicher sowie jene der Blechbläser und des Kontrabasses in zwei Gruppen geteilt, die im Aufführungsraum an unterschiedlichen Orten postiert werden.

Den Raum nicht mit einbezogen

Das SOV und Gérard Korsten formten die Musik konzentriert aus, so dass sich vor allem aus den Reihen der Bläser die mikrotonalen melodischen Linien, eingebettet in fein schwebende Klangumgebungen, gut herausbildeten. Etwas unruhig agierten die Streicher. Mit Glissandi und ausgeprägten dynamischen Bögen wurde der musikalische Fluss zwar belebt, aber die den Klangqualitäten innewohnenden Energien entfalteten sich wenig.

Ein anderes Manko wog jedoch schwerwiegender, denn die beiden Musikergruppen wurden nicht getrennt im Raum positioniert. Das Werk ist als Raumkomposition angelegt, das die Zuhörenden in die Mitte nimmt. Nur so sind die sich im Raum begegnenden Tonlinien mitzuerleben. Weil dies hier nicht ausgeführt worden ist, kamen die korrespondierenden Tonlinien lediglich rudimentär zum Ausdruck und die Quintessenz der Komposition war kaum nachvollziehbar.

Belangloses Konzert, mitreißende Zugabe

Xavier de Maistre ist ein Harfenist, der mit seiner kommunikativen Musizierart und großen Virtuosität sowie seinem Charme das Publikum unmittelbar in seinen Bann zieht. Zusammen mit dem SOV erklang das Harfenkonzert in C-Dur des französischen Komponisten Francois-Adrien Boieldieu. Schwärmerische und musikantische Themen bestimmten die nett dahinplätschernde Musik. Die Orchestermusiker begleiteten den Solisten feinsinnig und gewährten der Solostimme viel Entfaltungsspielraum. Diesen füllte Xavier de Maistre hervorragend aus. Vor allem in den Übergängen und jenen Passagen, in denen die Tempi etwas „angezogen“ oder verzögert ausgestaltet erklangen, wurde jedoch deutlich, dass es wohl etwas wenig Probenzeit gegeben hat. Gérard Korsten agierte hoch konzentriert, um die Nahtstellen dennoch möglichst exakt auszugestalten.

Erst in der Zugabe kamen die Qualitäten von Xavier de Maistre so richtig zur Geltung. Den Variationensatz „Karneval von Venedig“ von Felix Godefroid, dem das berühmte Volkslied „Mein Hut der hat drei Ecken“ zugrunde liegt, entwickelte er mit viel Elan. Dabei führte der Harfenist den Klangfarbenreichtum der Harfe sowie seine spieltechnische und musikalisch-gestalterische Raffinesse mitreißend aus. Das Publikum reagierte prompt und enthusiastisch.

Plastisch, aber intonatorisch getrübt

Mit Mozarts sinnlich gedeuteter „Maurischer Trauermusik KV 477“ leitete das Orchester in andere emotionale Gefilde über. Abschließend erklang Schuberts Streichquartett (D810) „Der Tod und das Mädchen“ in der Streichorchesterversion von Gustav Mahler. Kammermusikliebhaberinnen und –liebhaber kennen dieses Werk in der Quartettbesetzung, der Vergleich mit der „vergrößerten“ Version hatte deshalb einige Anreize zu bieten.

Den Eröffnungssatz spielte das SOV mit dramatischer Gestik und zu Beginn transparent ausgeformten Linien. Die Freude am Gestalten war zu spüren und der Gesamtklang im gut ausbalancierten Pianissimo beeindruckend. Allerdings zeichneten sich in der Stimmendifferenzierung der hohen Streicher Ungenauigkeiten ab und schließlich trübten Intonationsschwierigkeiten im Variationensatz den Gesamteindruck empfindlich. Die Aufmerksamkeit lenkte das schön gespielte Geigensolo des Konzertmeisters Michal Majersky auf sich. Im Presto kamen die dynamischen Kontraste gut zur Geltung und zudem wurde die rhythmische Note wirkungsvoll unterstrichen.