Neu in den Kinos: "Die Unschuld" (Foto: Wild Bunch Germany/Plaion Pictures)
Fritz Jurmann · 26. Apr 2017 · Musik

Bestverkaufte Seeproduktion aller Zeiten - Feuchtes Richtfest für „Carmen“

„Wir spielen auch bei Regen!“ Dieser zum geflügelten Wort gewordene Kampfruf für die Wetterfestigkeit der Bregenzer Festspiele bei ihrer Seeproduktion hat am späten Dienstagnachmittag einmal nicht das Publikum betroffen, sondern zahlreiche Vertreter der Medien, die zum Richtfest der neuen „Carmen“-Seebühne ans Ufer des Bodensees geströmt waren. Doch geströmt hat punktgenau dabei auch der Regen. Die Verantwortlichen ließen sich darob nicht aus der Ruhe bringen und verlegten ihre Pressekonferenz ganz einfach auf die offene und damit reichlich zugige und feuchte, aber zumindest regengeschützte Hinterbühne. „Wir spielen auch bei Regen!“

Ziemlich genau drei Monate vor Eröffnung des heurigen 72. Festivals ist die Seebühne so gut wie vollendet. Spektakulär und überdimensional wie üblich ist die 24 Meter hohe Skulptur eines eingefrorenen Kartentricks, bei dem zwei Frauenhände 52 Spielkarten in die Luft werfen. Dieses Sujet wurde wie üblich lange unter Verschluss gehalten, um die Spannung zu schüren, nun ist „die Katze aus dem Sack“, und diese Deutung der Unheil verheißenden Karten dürfte für zwei Jahre wohl zum bestimmenden Symbol der Bregenzer Festspiele werden.

Inszenierter Einstieg unter Nebelschwaden


Den Wetterbedingungen und der Verspätung der britischen Bühnenbildnerin Es Devlin geschuldet war der Umstand, dass entgegen sonstiger Gepflogenheiten die Pressekonferenz fast eine halbe Stunde zu spät begann. Aber sie war wie üblich inszeniert: Aus Bühnennebelschwaden und unter den Klängen des „Toreador“-Marsches aus „Carmen“ betraten die Protagonisten das Podest, um unter der gewohnt kundigen und humorvollen Moderation von Pressesprecher Axel Renner ihre Neuigkeiten zu verkünden.

Intendantin Elisabeth Sobotka (51), deren Vertrag vom Stiftungsrat der Festspiele eben auf weitere drei Jahre bis 2022 verlängert wurde, hofft aus den Gegebenheiten des besonderen Bühnenbildes und aufgrund der vielen Reaktionen, die sie auch über die sozialen Medien laufend erhält, auf eine „ganz spezielle“ Carmen am Bodensee. Und kann dabei auch gleich die Erfolgsmeldung des Tages verkünden: „Carmen“ ist zum jetzigen Zeitpunkt die bestverkaufte Seeproduktion aller Zeiten. Demgegenüber stehen Kosten von insgesamt 7 Mill. Euro für die Kulisse inklusive des Abbaus im Herbst 2018. An deren Herstellung waren 37 Technikfirmen großteils aus Vorarlberg beteiligt. „Carmen“ wird heuer in 28 Vorstellungen gezeigt, Premiere ist am 19. Juli.

Es ist eine der weltweit gefragtesten Opern, die man damit in der insgesamt dritten Inszenierung in der Geschichte der Festspiele hier erlebt. Zuletzt kam die schicksalsschwangere Dreiecksgeschichte mit der Musik von Georges Bizet hier vor 25 Jahren, 1991 und 92, in einer riesenhaften Felsenarena mit einer damals barfüßig auftretenden Star-Mezzosopranistin Marjana Lipovsek in der Titelrolle zur Aufführung.

Wie die Idee zur Bühne entstand


Das verspätete Eintreffen von Es Devlin hat zur Folge, dass sie sofort auf die Hinterbühne gelotst wird und kaum einen ersten Blick auf „ihre“ Seebühne werfen kann. Dafür erklärt die kleine, faszinierend sprühende Künstlerpersönlichkeit den Journalisten wort- und gestenreich, wie die Idee zu dieser Bühne entstanden ist. Mit dem Regisseur Kasper Holten saß sie vor zwei Jahren zusammen und entwickelte Ideen für diese Inszenierung. Als ihnen nichts mehr einfiel, warf sie frustriert einen Packen Spielkarten in die Luft – und das war es dann. Eine surreale Geste also, die den Zufall und damit das Schicksal festhält.

Das war zu einer Zeit, als die Welt noch relativ in Ordnung war. Mittlerweile hat sich das geändert, und so will Es Devlin heute ihre Kunst auch als politische Botschaft verstanden wissen: „Künstler sollten Widerstand leisten, gerade in der jetzigen Situation!“ Darauf outet sich die international gefragte Künstlerin, die mit Popstars wie Lenny Kravitz, U2, Beyoncé oder Kanye West zusammenarbeitet, mit einer berührenden Liebeserklärung zu dieser Location als „Bregenz-Junkie“: „Es ist ein Traum für jeden Bühnenbildner, hier arbeiten zu dürfen. Alle wollen das!“ Und noch etwas freut sie ganz besonders: Dass sie in der langen Geschichte der Festspiele nun die zweite Frau ist (nach Wanda Milliore im Gründungsjahr 1946), die das Bühnenbild gestalten darf.

Gut im Zeitplan


Nähere Details zur vielseitigen Funktionalität dieser Bühne verrät Wolfgang Urstadt, neuer Technischer Direktor der Festspiele. Die Spielkarten, im Umgangston der Techniker auch „Flying Cards“ genannt, werden zu Projektionsflächen, eine zentrale Plattform wird sich auch unter Wasser bewegen. Mit den Arbeiten liegt man gut im Zeitplan, um die Bühne bis zum Probenbeginn Mitte Juni fertigstellen zu können.  

Beim abschließenden Imbiss mit Würstel und Bier für die Journalisten verrät mir Susanne Schmidt, Operndirektorin der Festspiele und damit hauptverantwortlich für die Besetzung der Seeproduktion: „Ich bin jetzt zwölf Jahre hier, und das ist das erste Richtfest, bei dem es regnet!“ Hoffentlich kein böses Omen für die Wetterverhältnisse in der kommenden Saison.

 

Die Bregenzer Festspiele 2017 finden von 19. Juli bis 20. August statt. Tickets und Infos unter Telefon 0043 / 55 74 / 40 76 oder unter www.bregenzerfestspiele.com