Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Fritz Jurmann · 19. Dez 2010 · Musik

Beeindruckende Weihnachtsmatinee - Benjamin Lack führte das Sinfonieorchester des Landeskonservatoriums zu neuen Ufern

Etwas Kaltblütigkeit und die notwendige Spielpraxis fehlen noch, sonst könnte das Sinfonieorchester des Landeskonservatoriums bezüglich Klangkultur und Sicherheit im Spiel bereits als Profiorchester durchgehen. Das zeigte sich bei der traditionellen Weihnachtsmatinée im Festsaal des Hauses, die vom Publikum aus Prominenz, Eltern der Mitwirkenden und Freunden des Hauses regelrecht gestürmt wurde. Verantwortlich für den rasanten Aufschwung des durchwegs aus StudentInnen des Konservatoriums zusammengesetzten Klangkörpers ist Dirigent Benjamin Lack, der vor genau einem Jahr erstmals am Pult dieses Orchesters stand.

Benjamin Lack – ein Dirigent für alle Fälle

Lack hat aber auch sonst in letzter Zeit die Musikszene in Vorarlberg gehörig aufgemischt und sich als Dirigent für alle Fälle empfohlen. Er hat am Landeskonservatorium nun auch eine Karenzvertretung für den als Domkapellmeister nach Wien abgewanderten Markus Landerer angetreten, hat neben dem Domchor auch den Feldkircher Kammerchor übernommen und den Bregenzer Festspielchor aus seinem Dornröschenschlaf geweckt, wie kürzlich das Festkonzert des SOV beim vierten Satz der „Neunten“ Beethoven zeigte. In erster Linie ist Lack also ein Chorerzieher, der aber auch am Pult eines Orchesters kompetent ist und sich wohlfühlt, vor allem bei einem so jungen Klangkörper wie in diesem Fall, mit der fabelhaften Konzertmeisterin Monica Tarcsay vom SOV als einziger Profimusikerin. Da kann er seine pädagogischen Fähigkeiten zwischen Strenge und Zuneigung voll entfalten, gilt durch sein Alter noch fast als einer von ihnen, besitzt aber trotzdem die notwendige Autorität zur Durchsetzung seiner Vorhaben. Diesen Eindruck vermittelt auch im Programmheft ein Foto des Dirigenten, auf dem er die Fäuste vor der Brust erhoben hat und damit entfernt an einen Preisboxer erinnert.

An seinen Aufgaben gewachsen

Und man spürt auch deutlich, wie das Orchester unter Benjamin Lack erneut an seinen Aufgaben gewachsen ist. Denn die beiden mutig gewählten Werke des Programms, die ganz bewusst überhaupt nichts mit Weihnachten zu tun haben, sind gewichtige symphonische Brocken, die enormes Können und Konzentration von den jungen Musikern erfordern. Das effektvolle Klavierkonzert Nr. 2 von Dmitri Schostakowitsch, das dieser 1957 für seinen Sohn Maxim komponiert hat, atmet vielleicht deswegen jugendliche Frische, die Lack vom ersten Moment an in die bei diesem Komponisten typischen grellen Farben und scharfe Rhythmik umzusetzen versteht.
Für die international als Klaviersolistin gefragte, sehr bescheiden gebliebene Irina Purishinskaya, seit zehn Jahren als geschätzte Professorin am Haus, ist dieses Werk ihres Landsmannes ein spürbares Herzensanliegen, dem sie mit aller Verve und Kraft, Leidenschaftlichkeit und großer Noblesse zu Leibe rückt. Virtuos hämmernd ihre Passagen in den Ecksätzen, traumverloren ihre Lyrik im melancholischen Mittelsatz. Das Haus tobt, Studenten samt dem Direktor strömen mit Blumen zur Gratulation an die Rampe.
Mit dem symphonischen Werk von Johannes Brahms, dem der zweite Konzertteil gewidmet ist, haben sich die Musiker des Konservatoriumsorchesters schon unter Lacks Vorgänger Sebastian Tewinkel satzweise auseinander gesetzt. Bestimmt eine gute Vorgabe für eine nun komplette Wiedergabe der Symphonie Nr. 2 op. 73 von  Brahms, komponiert 1877 und ein Werk von ganz besonderem Zuschnitt. Entsprechend groß ist natürlich anfänglich die Nervosität im Orchester. Nach unsicherem Beginn kommen die jungen MusikerInnen beim sanglichen Thema des ersten Satzes in den tiefen Streichern rasch ins rechte Fahrwasser, Benjamin Lack ist ihnen mit seiner klaren Zeichengebung, seinen dynamischen Gesten, seinem aufmunternden Lächeln ein Hort der Sicherheit.

Über dem Level eines Studentenorchesters

Und so gelingt es auch, überzeugend die Charakteristik der Musik von Johannes Brahms, speziell die besondere, naturhaft gelöste Stimmung dieses Werkes zu vermitteln: den breit angelegten Gesang des Adagio, den graziösen Übermut des dritten und die aufgeladene Stimmung des vierten Satzes bis hin zum strahlenden Finale. Der Klangkörper wächst damit auch deutlich über den Level eines Studentenorchesters über weite Strecken hinaus. Dass in der Hitze des Gefechts auch kleine Intonationstrübungen und Unsauberkeiten passieren, fällt unter die Weihnachtsamnestie und damit nicht weiter ins Gewicht.
Das Publikum will sich partout eine Zugabe erklatschen, Benjamin Lack erklärt aber richtigerweise, dass nach einem solchen Finale nichts mehr kommen sollte und verabschiedet sich mit seinen Musikern. Alle zusammen können sie nun, im Bewusstsein einer besonderen Leistung, beruhigt die beginnenden Weihnachtsferien genießen.