Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Thomas Kuschny · 26. Okt 2011 · Musik

45 Jahre sind ein Tag - Nils Petter Molvaer am Spielboden Dornbirn

Längst vergangen die Zeiten, als düster illuminierte Bands das Bewusstsein des mit allerlei Substanzen empfänglich gemachten Publikums mit dröhnenden, abgefahrenen Sounds zu erweitern suchten. „Psychedelic“ nannte man das mit Ausnahmen musikalisch wenig ergiebige Genre. Bei Nils Petter Molvaer ist man in diesem Zusammenhang fast geneigt, das Präfix „Post“ voranzustellen, das ja auch einen abgeklärten Umgang mit dem Genre beinhaltet. Wie auch immer, auf jeden Fall bietet das Trio des norwegischen Trompeters einen Trip jenseits üblicher audiovisueller Gewohnheiten, einen Trip, der noch lange in Erinnerung bleiben wird.

Natürlich hat sich einiges geändert in den Jahrzehnten dazwischen: das Durchschnittsalter der wohl nun größtenteils nicht eingerauchten Zuhörerschaft muß zumindest mit dem Faktor 2 multipliziert werden – erstaunlich eigentlich, denn Molvaers epochemachendes Album „Khmer“, ein Hybrid aus Jazz, Trip-Hop und Electronica, schien damals durchaus geeignet, die Fronten etwas aufzuweichen.

Kongenial visualisierte Performance

Über den angebotenen Gehörschutz an der Kassa hätte man sich anno 1967 eher amüsiert. Und bloß Glasscheiben mit darin gefangenem Seifenwasser vor farbige Scheinwerfer zu montieren, wird heute auch zu wenig sein. Stattdessen hat man den Videokünstler Tord Knudsen engagiert, der die gut 75-minütige Performance kongenial visualisiert. Auf einer Leinwand, oft die einzige Lichtquelle, werden die Musiker in Echtzeit abstrahiert, mehrfach überlagert, später dann abgelöst durch sparsame geometrische oder auch expressionistische Bilder, nie aufgesetzt oder selbstgefällig.

Vergleiche mit Helden der Vergangenheit

Musikalisch drängen sich mehrere Vergleiche mit den Helden der Vergangenheit auf: Allen voran natürlich mit Pink Floyd, lange bevor sie zu sich selber wiederholenden Langweilern wurden. „A Saucerful of Secrets“ meint man einmal fast zu vernehmen. Auch in deren Umgang mit der Technik auf der Höhe ihrer Zeit, seien es Effekte, Surround-Sound oder eben Video, gibt es Parallelen. King Crimsons „Talking Drum“ ist gar nicht weit weg, und wenn der Gitarrist den Geigenbogen zückt, sind wir bei den Exkursionen von Jimmy Page auf „Dazed and Confused“ angelangt.

Sound als Kunstform

Überhaupt ist Stian Westerhus an der Gitarre der wichtigste Mann für den Gesamtsound der Gruppe. Souverän generiert er in fast völliger Dunkelheit beeindruckende Klangflächen, mal so leise, dass man den Lüfter des Projektors hört, mal infernalisch druckvoll aus seiner hinter ihm angeordneten, angsteinflößenden Verstärkersammlung. Eines seiner eigenen Projekte nennt sich „Monolithic“, dort läßt sich nachhören, wozu Westerhus sonst noch fähig ist. Molvaer selbst geht mit der Anzahl seiner Effekte wenig sparsamer um, neben Hall und Echo verfremdet er seinen warmen Ton oft mit einem Harmonizer, den man von „Khmer“ schon kennt. Dazu kommt noch der Schlagzeuger Erland Dahlen, der es ordentlich gewittern lassen kann, wenn es darauf ankommt.

Sicher: Von allen Effektorgien befreit, würde diese Musik eher wenig hergeben, das ist aber hier nicht der Punkt. Es geht um den Sound als Kunstform und in diesem Sinne bleibt nur eines zu sagen: Ein großartiger Abend!