Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Thorsten Bayer · 14. Nov 2015 · Musik

30 Jahre Bandgeschichte in 120 Minuten – Element of Crime spielte ein begeisterndes Konzert in der Kulturbühne AMBACH

14 Alben hat die Berliner Band um Sven Regener bereits veröffentlicht. Das aktuellste Werk „Lieblingsfarben und Tiere“ hat es bis auf Platz eins der österreichischen Charts geschafft. Entsprechend textsicher zeigte sich in Götzis das Publikum, das die Band von Anfang an für sich einnehmen konnte. Doch auch die alten, teils noch englischsprachigen Songs saßen. So kamen alle auf ihre Kosten: Wer auf die Hits neueren Datums wartete, wurde spätestens bei den sechs (!) Zugaben belohnt. Fans der ersten Stunde genossen ihre Favoriten aus den 80er-Jahren ebenso.

Der Anfang ist dem neuen Album gewidmet. Mit „Am Morgen danach“ beginnt die Show, mit „Rette mich (vor mir selber)“ geht es weiter. „Bis hierhin lief es ja schon mal ganz gut“, sagt Sven Regener mit einem Lächeln und lässt zur scheinbaren Erkärung gleich den nächsten selbstironisch-koketten Satz folgen: „Wir machen das ja noch nicht so lange.“ Vor dreißig Jahren gründete der am Neujahrstag 1961 geborene Regener die Band. Schon damals war Gitarrist Jakob Ilja mit an Bord, Schlagzeuger Richard Pappik stieß 1986 dazu, David Young übernimmt die Rolle am Bass seit 2002. In der Kulturbühne wird schnell deutlich: Man hat es mit eingespielten Musikern zu tun, die bestens miteinander harmonieren, ohne aber Schema F abzuspulen. Vor allem Sven Regener sprüht vor guter Laune, reißt seine Bandkollegen mit und verteilt Handküsse ins Publikum – eine Geste, die bei dem gebürtigen Bremer, der in Interviews mitunter schroff wirkt, nicht allzu oft zu sehen sein dürfte.

Melancholie mit Energie

Mit „Blaulicht und Zwielicht“ folgt wenig später „ein Klassiker aus der Element-of-Crime-Hitschmiede“ (Regener), der funkiger als auf dem Album klingt. Überhaupt geben die vier Musiker, teils unterstützt von einem weiteren Mann an Saxophon und Klarinette, den Stücken live deutlich mehr Energie. So schön und schön melancholisch die Musik der Berliner ist, zuhause kann so manches Album wie beispielsweise „Damals hinterm Mond“ oder „Weißes Papier“ den Zuhörer doch ziemlich deprimiert hinterlassen. Das liegt nicht zuletzt an den lässig-lyrischen Texten von Sven Regener. Seine Arbeitsweise erläuterte er in der Oktober-Ausgabe der KULTUR-Zeitschrift so: „Wir haben ja immer zuerst die Musik. Und dann brauche ich zum Singen halt einen Text, der nicht nur schön klingt, sondern auch nicht ganz blöd ist oder wenn, dann richtig, jedenfalls sollte er nicht fad sein, was meist bedeutet, dass man, wenn man Glück hat, Texte findet, die man auch mehrmals hören kann ohne erschöpfend Bescheid zu wissen.“
Weniger Lust auf eine ausführliche Textexegese machte zum Beginn des Abends die junge Band Apples in Space. „Your love may be a bullet, but I am not afraid“, lautete eine Zeile der Norwegerin Julie Mehlum und des Deutschen Phil Haussmann. Nur mit Keyboard (Mehlum) und Akustikgitarre ausgestattet, verbreiteten die beiden mit ihrem zarten Singer-Songwriter-Pop eine große Portion jugendlichen Charme – ohne aber einen nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen. Es wirkte ein bisschen so, als wären sie mit ihren großen, erfolgreichen Onkels auf Tournee. Und tatsächlich gibt es auch eine, wenngleich nicht familiäre Beziehung zum Hauptact des Abends: EoC-Mitglied Richard Pappik produzierte das Anfang des Jahres erschienene Debütalbum von Apples in Space.

Wo die Neurosen wuchern ...

Zurück zu Element of Crime: Gegen Ende der Show kommen noch einige große Hits – auch wenn beispielsweise kein einziges Stück vom erfolgreichen Album „Romantik“ erklingt. Von einer Lücke kann man dennoch nicht sprechen, zu groß und vor allem zu gut ist das Repertoire der Band, um auch so einen Auftritt auf höchstem Niveau zu zeigen. „Lieblingsfarben und Tiere“ ist das Finale des regulären Sets, bevor in den Zugaben unter anderen „Delmenhorst“, „Weißes Papier“ und „Straßenbahn des Todes“ zu hören sind. Das allerletzte Stück rundet den Abend perfekt ab. Es heißt „Alten Resten eine Chance“ und stammt aus dem Jahr 1993. Ein Titel als Steilvorlage, den sich der Mittfünfziger Regener natürlich nicht entgehen lässt. „Das ist für uns auch persönlich eine ganz wichtige Botschaft“, sagt er mit Blick auf seine Kollegen und dazu einem breitem Grinsen. Das Publikum, im Durchschnitt vermutlich ähnlich alt wie Regener selbst, ist begeistert. Von dieser erneut launigen Anmoderation und vom gesamten Konzert sowieso.