"Rickerl – Musik is höchstens a Hobby" derzeit in den Vorarlberger Kinos (Foto: 2010 Entertainment / Giganten Film)
Fritz Jurmann · 20. Okt 2013 · Musik

„Wohl behütet“ in die Zukunft – Helmut Binder feiert sein 30-Jahr-Jubiläum als Organist in Bregenz Herz-Jesu mit einem Konzert

Organisten sind eher Mangelware im Land, die gilt es zu hegen und zu pflegen. Kein Wunder also, dass Pfarrer Arnold Feurle von Bregenz Herz-Jesu am Samstag beim jüngsten Konzert der Reihe „Musik in Herz-Jesu“ anstelle des Vereinspräsidenten Thomas Blank persönlich die Begrüßung der zahlreich erschienenen Zuhörer übernahm und dabei den besonderen Anlass dieses Abends würdigte: das 30-Jahr-Jubiläum des Bregenzers Helmut Binder (52) als Hauptorganist in Herz-Jesu. Den Dank für diesen außergewöhnlichen Einsatz drückte Feurle namens der Pfarre und im eigenen Namen aus, indem er Binder einen Hut schenkte, damit er weiterhin „wohlbehütet“ sein Dienst versehen könne…

Mit klammen Fingern an der Orgel


30 Jahre lang als Hauptorganist einer Kirche verbunden zu sein, solche Konstanz und Kontinuität heißt in der Praxis Tausende von Gottesdiensten musikalisch zu gestalten, Woche für Woche sonntags früh aufzustehen, wenn andere noch schlafen, im Winter in der kalten Kirche mit klammen Fingern und steifen Füßen die Tasten von Manualen und Pedal zu bedienen.

Bei Helmut Binder ist es noch weit mehr, denn er hat seinen „Dienst“ nie als bloße Routine gesehen, nur damit es „tönt“ während der Messe. Er ist bei den Gläubigen wie bei den Priestern dafür bekannt und geschätzt, dass er in seinen Vor-, Zwischen- und Nachspielen stets auf die Besonderheiten der Liturgie eingeht, dementsprechend neben großer Orgelliteratur aus einem übervollen Musikerherzen heraus auch die Stimmung eines Tages auf meisterliche Art improvisierend einfängt und kommentiert. Bereits Kultstatus haben etwa seine Fantasien über das weihnachtliche „Stille Nacht“, derentwegen Jahr für Jahr Musikfreunde eigens nach Herz-Jesu pilgern.

Dazu kommt bei Binder, dass er vor vielen Jahren auch die inzwischen sehr erfolgreiche Konzertreihe „Musik in Herz-Jesu“ mit etwa zehn Veranstaltungen pro Jahr ins Leben gerufen hat und diese auch bis heute kuratiert. Aus praktischen und finanziellen Gründen ist er, zur Freude seiner vielen Stammbesucher, dabei meist selbst am Werk, am liebsten natürlich an seiner „Hausorgel“, dem wertvollen und klanglich ungemein vielfältigen pneumatischen Instrument, das Josef Behmann 1931 mit gewaltigen 4.650 Pfeifen und 60 Registern im so genannten „symphonischen Stil“ für diese Kirche errichtet hat. Die Orgel ist nach einer Renovierung bis heute problemlos im Einsatz. Im Hauptberuf ist Binder seit 2010 Professor für Orgel am Landeskonservatorium Feldkirch.

Mit Freunden und Weggefährten


Zum Jubiläumskonzert hat er sich mit seinem ehemaligen Dirigierlehrer Guntram Simma und dessen Collegium Instrumentale Dornbirn langjährige Freunde und Weggefährten eingeladen, gemeinsam gelingt ihnen eine gute Stunde intensiven gemeinsamen Musizierens im besten Sinn und auf hohem Niveau, dazu große stilistische Vielfalt unter voller Ausnützung des in seiner Akustik bekanntermaßen nicht unproblematischen Kirchenraumes. Es ist eine alte Weisheit: Wer in Herz-Jesu musizieren will, gleich in welcher Besetzung, muss sich auch in der Werkwahl und in den Tempi mit den besonderen akustischen Gegebenheiten dieses Raumes mit seinem Kathedralhall auseinandersetzen.

Guntram Simma hat in diesem Ambiente bereits mehrfach als Dirigent gearbeitet und diesbezügliche Erfahrungen gesammelt. Das spürt man sofort, als sich das zunächst nur aus Streichern bestehende Orchester mit Konzertmeister Thomas Furrer im Altarraum in Haydns frühem Orgelkonzert C-Dur bereits nach den ersten raschen Violinfiguren auf die Situation einstellt. Das kurze Stück ist eigentlich ein Divertimento im Wiener Kirchenmusikstil und gibt dem Solisten Helmut Binder Gelegenheit, an der neuen Truhenorgel von Christoph Enzenhofer im Dialog mit dem Orchester seinen Solopart silbrig hell und völlig natürlich auszuzieren.

Überragende Sopransolistin


Einen glänzenden Eindruck in der Mozart-Motette „Venti fulgura procellae“ hinterlässt die international tätige, in Bayern geborene österreichische Sopranistin Maria Erlacher. Das koloraturenfreudige Werk scheint ihr gerade recht, um ihre halsbrecherische vokale Geläufigkeit und Höhe zu demonstrieren – alles blitzsauber, gekonnt und mit einer Stimme, die in dramatischen Momenten auch Opernerfahrung signalisiert. Ob das Werk wirklich von Mozart ist, wie Fachleute es glauben machen wollen, weil es keine Nummer im Köchelverzeichnis besitzt, ist unerheblich. Die Schönheit dieser Motette, die in eleganter Assistenz durch das nun mit Bläsern erweiterte Orchester zum Ausdruck kommt, überstrahlt alle Zweifel.

Nach dem Umzug des Orchesters auf die Empore, dann das Kontrastprogramm mit dem 1993 entstandenen Orgelkonzert des St. Galler Komponisten Paul Huber (1918-2001). Das dreisätzige neoklassizistische Werk ergeht sich in bombastisch sakralem Wohlklang mit Pauken und Trompeten und tönt ziemlich altmodisch: So komponiert heute niemand mehr. Dennoch ist es ein interessantes Zeitdokument, bei dem vor allem auch Dirigent Guntram Simma gefordert ist, der dabei das Kunststück einer ordentlichen Balance und klarer klanglicher Abgrenzungen im Raum zustande bringt.

Ein tonales Werk, das auch Helmut Binder, diesmal an der großen Orgel, Gelegenheit zu zart schimmernden Klängen im zweiten und virtuos gemeisterten Toccata-Passagen über mächtigen Pedaltönen im dritten Satz gibt. Einen pompöseren Schlusspunkt unter dieses Jubiläumskonzert hätte man sich kaum vorstellen können. Der „Jubilar“ und die weiteren Protagonisten stehen am Ende im Mittelpunkt herzlicher Beifallskundgebungen.

Nächstes Konzert in Bregenz Herz-Jesu:
Sa, 28. Dezember, 20.00 Uhr – Weihnachtsmusik mit Solisten, Orchester und Helmut Binder, Orgel