Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Karlheinz Pichler · 28. Feb 2015 · Musik

„Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise …“ - Mit vielen ungewöhnlichen Formaten begibt sich das Montforthaus Feldkirch auf Identitätsbildung

Für die Veranstaltungreihe „Montforter Zwischentöne“, die sich mit „Zeit-Räumen zwischen Dialog und Musik“ befasst, haben die künstlerischen Leiter Hans-Joachim Gögl und Folkert Uhde die Stadt Feldkirch mit kleineren und größeren Veranstaltungen vermessen, die im Grenzbereich zwischen Musik, Literatur, Wissenschaft und Kunst angesiedelt sind und das neue Montforthaus etwa mit dem Zyklus „Salon Paula“ bis direkt in die Haushalte hinein verinnerlichen lassen. Eines der Highlights dabei war die literarisch-musische Morgenmeditation „Zweites Kleines Früh-Stück zu Sonnenaufgang“ im Café des Montforthauses über den Dächern der Stadt.

Schon das „Erste Kleine Früh-Stück zu Sonnenaufgang“ am 27.2. von 7.03 bis 8.00 Uhr fand bei den Besuchern besten Anklang. Hille Perl an der Gambe und Lee Santana an der Laute spielten hier Werke, die am Hof des Sonnenkönigs Ludwig XIV entstanden sind. Dazwischen las und kommentierte der Religionswissenschaftler und Theologe Marco Frenschkowski aus orientalischen, amerikanischen und südasiatischen Schöpfungsmythen.

Perl und Santana, die zu den besten Interpreten Alter Musik in Europa zählen, gestalteten auch das „Zweite Kleine Früh-Stück zu Sonnenaufgang“ musikalisch, welches am 28.2. zu gleich früher Stunde stattfand. Diesmal führten sie Werke sakraler Musik des Renaissancekomponisten Diego Ortiz, Kapellmeister am Hof des Herzogs von Alba, des venezianischen Thoerbe-Virtuosen Girolamo Kapsberger sowie des spanischen Franziskanermönchs Antonio Martin y Coll auf. Zwischen den einzelnen, überaus virtuos und gefühlvoll interpretierten Stücken lasen in Feldkirch „verortete“ Persönlichkeiten Texte von Dschalal ad-Din Muhammad Rumi, Jorge Luis Borges, Albert Camus, Joseph Beuys, Hermann Hesse und Friedemann Magaard. Namentlich handelte es sich bei den Lesenden um Dompfarrer Rudolf Bischof, Galerist, Rechtsanwalt i.R. und Künstler Gerold Hirn, die Schauspielerinnen Heide Capovilla und Maria Fliri sowie den Unternehmensberater Walter Häfele. Auch Gambistin Hille Perl sprach einen Text, auch wenn sie als einzige Vortragende nicht aus Feldkirch sondern aus Bremen stammt.

Anfangen


Die Texte selber hat Programmleiter Gögl ausgewählt. Nachdem der Winterzyklus der „Montforter Zwischentöne“ in Übereinstimmung zum erst vor Kurzem eröffneten geschwungenen Bau, der von der Projektgemeinschaft Hascher Jehle Architektur (Berlin) und Mitiska Wäger (Bludenz) entworfen wurde, die Überschrift „anfangen“ trägt, korrespondierten die zusammengestellten Texte logischerweise mit dieser Themenvorgabe. Schauspielerin Fliri beispielsweise rezitierte Hesses Gedicht „Stufen“, von dem ein Vers lautet: „Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise, mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.“

Gambistin Perl wiederum gab einen Text aus Albert Camus‘ „Die Pest“ wieder, in dem es unter anderem heißt: „Ich bin nicht glücklich, dass ich weggehe, aber man braucht nicht glücklich zu sein, um neu anzufangen.“

Begeistertes Publikum


Wie die künstlerischen Leiter mitteilen, hätten sie einige wohlmeinende Stimmen vor diesem morgendlichen Format gewarnt. Denn, wer gehe morgens um sieben Uhr bitte auf ein Konzert. Die Warnungen waren aber in den Wind gesprochen, denn die „Kleinen Früh-Stücke zu Sonnenaufgang“ waren in kürzester Zeit ausverkauft. Offenbar sind Gögl und Uhde hier auf eine Lücke gestoßen, deren Auffüllung sie wohl auch in Zukunft pflegen werden. Die Leute scheinen jedenfalls darauf abzufahren, den Tag mit einer besinnlich-meditativen und musisch-literarischen aufgeladenen Morgenbetrachtung zu beginnen. Das Format, das für rund 70 Leute Platz bot und etwas Kammerkonzertähnliches an sich hatte, erinnerte von der Dramaturgie her an die Sendung „Du holde Kunst“, die Ö1 am Sonntagmorgen immer ausstrahlt.

Die virtuose Meisterschaft, mit der Perl und Santana die lyrischen, nach Innen gekehrten Notationen interpretierten, und die erlesenen Textsequenzen quittierte das Publikum letztlich mit lange anhaltendem Applaus. Ein Bonmot dabei, dass die Lesenden mitten im Publikum saßen und bei der Einen oder dem Anderen damit eine große Überraschung auslösten.